Schlanke, unbewehrte Druckglieder unter zweiachsig exzentrischer Beanspruchung
Druckglieder wie Stützen oder Wände erfahren neben der einwirkenden Normalkraft auch Biegemomente aus den Verdrehungen der angrenzenden Bauteile. Wenn sich Verdrehungen um zwei Achsen einstellen oder das Druckglied neben der einachsigen Biegung um die schwächere Achse zusätzlich durch horizontale Aussteifungskräfte in Richtung der starken Achse beansprucht wird, erfährt das Druckglied eine Biegung um zwei Achsen (schiefe Biegung). Der Verzicht auf unbewehrte Betondruckglieder in der Baupraxis ist unter anderem dem Sachverhalt geschuldet, dass nur für definierte Anwendungsfälle einfache Bemessungsverfahren vorliegen. Für ausschließlich einachsig exzentrisch beanspruchte Druckglieder steht in DIN EN 1992-1-1 ein einfacher Bemessungsansatz zur Verfügung, wohingegen ein vereinfachter Nachweis der Tragfähigkeit für zweiachsig exzentrisch beanspruchte Bauteile normativ nur innerhalb eng definierter Anwendungsgrenzen möglich ist. Außerhalb des Gültigkeitsbereiches ist eine aufwendige nichtlineare numerische Berechnung erforderlich.
Um der fehlenden Möglichkeit einfacher Handrechnungen entgegenzuwirken, wird in [1] ein Berechnungsmodell für die Tragfähigkeit von Druckgliedern mit linear-elastischem Werkstoffverhalten mit und ohne Berücksichtigung der Biegezugfestigkeit auf Grundlage von Momenten-Krümmungs-Beziehungen analytisch hergeleitet. Mit Hilfe numerischer Analysen gelingt zudem die Berücksichtigung beliebig nichtlinearen Werkstoffverhaltens. Anhand umfangreicher analytischer und numerischer Vergleichsrechnungen kann ein praxisgerechter Bemessungsvorschlag abgeleitet werden, der die Tragfähigkeit unbewehrter Druckglieder zutreffend beschreibt. Der Vorschlag lässt sich einfach in die Norm DIN EN 1992-1-1 integrieren und macht einschränkende Anwendungsgrenzen obsolet.