Elementwände nach neuer WU-Richtlinie –erste Erfahrungen (Teil 2)
In diesem Beitrag soll auf die in der neuen – seit Februar 2018 verfügbaren – WU-Richtlinie enthaltenen erhöhten planerischen und konstruktiven Anforderungen bei WU-Elementwänden eingegangen sowie über erste Praxiserfahrungen mit diesen neuen Regelungen berichtet werden. Lesen Sie hier den zweiten Teil (u. a. mit konkreten Fallbeispielen), als Fortsetzung zu Teil 1 aus BFT 07/2019 S. 34 ff.
Ist bei innenliegenden Fugenabdichtungen im Ortbeton eine Zulagebewehrung in Form einer vertikalen Anschlussbewehrung vorhanden, muss vermieden werden, dass vertikale Anschlussbewehrung und Fugenabdichtungen zu nah aneinander liegen bzw. sich berühren. Nur bei ausreichendem Abstand zwischen Fugenabdichtung und vertikaler Anschlussbewehrung kann ein hohlstellenfreies Einbetonieren der Fugenabdichtung (dichtes Umschließen) im Fußbereich gewährleistet werden. Der lichte Abstand zwischen Fugenabdichtung und vertikaler Anschlussbewehrung soll – analog zu den Vorgaben für Fugenbänder in DIN 18197 [9], Bild 19 – allseitig mindestens 50 mm betragen. Dieser Wert berücksichtigt auf der Baustelle nicht zu vermeidende Einbautoleranzen der Fugenabdichtung und der vertikalen Anschlussbewehrung. Bei z. B. einer angenommenen Höhe der Ankerrippen eines Fugenbandes von 20 mm ergibt sich daraus der Mindestwert für das lichte Innenmaß bw,i von 120 mm zwischen den Stäben der vertikalen Anschlussbewehrung (besondere Anforderungen), siehe Fall 1. Ist bei innenliegenden Fugenabdichtungen im Ortbeton keine Zulagebewehrung vorhanden, gelten die lichten Innenmaße bw,i für die Ortbetonergänzung zwischen den Elementwandplatten (normale Anforderungen), siehe Fall 2.
Um auch bei außenliegender Fugenabdichtung ohne Zulagebewehrung im Ortbeton einen ausreichend verdichteten WU-Ortbeton (Kernbeton) im Fußpunktbereich sicherzustellen, sind die lichten Innenmaße bw,i nach [1], 7.2 (3) zwischen den Elementwandplatten einzuhalten (normale Anforderungen). Ist bei außenliegender Fugenabdichtung im Ortbeton eine Zulagebewehrung in vertikaler Richtung (Anschlussbewehrung) und horizontaler Richtung (Verteilerbewehrung) vorhanden, sind die lichten Innenmaße bw,i nach [1], 7.2 (3) zur Sicherstellung der Betonierbarkeit (Einführen Betonierschlauch und Rüttelflasche) zwischen den Bewehrungslagen anzusetzen (besondere Anforderungen).
Die Situation, dass bei außenliegender Fugenabdichtung im Ortbeton nur eine vertikale Zulagebewehrung (Anschlussbewehrung) vorhanden ist, wird im Fall 3 diskutiert. Für nicht geregelte Fugenabdichtungen, wie z. B. innenliegende beschichtete Fugenbleche oder außenliegende streifenförmige Fugenabdichtungssysteme, ist nach [1] ein Verwendbarkeitsnachweis, z. B. über ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) auf der Grundlage von Prüfgrundsätzen des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt), zu führen. Eine Übersicht über in diesem Zusammenhang aktuell ausgestellte abP ist z. B. unter www.abp-fugenabdichtungen.de zu finden.
Fall 1: Zweilagige vertikale Anschlussbewehrung mit oder ohne horizontale Verteilerbewehrung bei innenliegender Fugenabdichtung
Bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von z. B. 8 mm ist ein lichtes Innenmaß zwischen den beiden Lagen der vertikalen Anschlussbewehrung von bw,i ≥ 120 mm einzuhalten (besondere Anforderungen), Bild 3, links und Mitte. Daraus folgt – im Falle einer „eingefädelten“ horizontalen Verteilerbewehrung – bei einem angenommenen Bewehrungsdurchmesser von 10 mm, unter Berücksichtigung einer seitlichen Mindestbetondeckung (Sicherstellung des Verbundes) von 10 mm, eine Mindestdicke der Ortbetonergänzung von 180 mm. Daraus ergibt sich im Fall mit horizontaler Verteilerbewehrung eine Gesamtwanddicke der WU-Elementwand von mindestens h = 300 mm.
Bei nicht vorhandener horizontaler Verteilerbewehrung verringert sich lediglich die Mindestdicke der Ortbetonergänzung von 180 mm auf 160 mm, ohne dass sich die Anforderung an das lichte Innenmaß zwischen den beiden Lagen der vertikalen Anschlussbewehrung (bw,i ≥ 120 mm) verändert. Die Anforderung an ein hohlstellenfreies Einbetonieren der Fugeneinlagen durch ausreichenden Abstand zur Anschlussbewehrung (besondere Anforderungen) bleibt unverändert. Unter den genannten Voraussetzungen ergibt sich in diesem Fall eine Gesamtwanddicke der WU-Elementwand von mindestens h = 280 mm. Dabei ist noch keine Montagetoleranz der Baustelle beim „Einfädeln“ der Doppelwandelemente von oben über die Anschlussbewehrung berücksichtigt.
Fall 2: Innenliegende oder außenliegende Fugenabdichtung: Keine Bewehrung in der Ortbetonergänzung
Bei vollständigem Verzicht auf eine Bewehrung in der Ortbetonergänzung (d. h. statische Annahme eines Gelenkes am Wandfuß und Nachweis der WU-Elementwand als unbewehrte Betonwand wegen fehlender Verankerung der vertikalen Wandbewehrung) sind die lichten Innenmaße bw,i nach [1], 7.2 (3) zwischen den Elementwandplatten einzuhalten (normale Anforderungen). Dies gilt sowohl bei innenliegender (Bild 4) als auch bei außenliegender Fugenabdichtung.
Fall 3: Außenliegende Fugenabdichtung: Ein- oder zweilagige vertikale Anschlussbewehrung, keine horizontale Verteilerbewehrung
Betonierschlauch und Rüttelflasche können bei Elementwänden ohne horizontale Verteilerbewehrung in der Ortbetonergänzung in Wandlängsrichtung auch zwischen den vertikalen Anschlussbewehrungen eingeführt werden, wenn diese einen (lichten) Stababstand von mindestens 100 mm aufweisen [3], Bild 6. In diesem Fall ist es zur Sicherstellung der Betonierbarkeit ausreichend, wenn die lichten Innenmaße bw,i nach [1] 7.2 (3) zwischen den Elementwandplatten angesetzt werden (normale Anforderungen), Bild 5.
Hinweis: Um ein baupraktisch ungünstiges Führen des Betonierschlauchs zwischen den Anschlussbewehrungen aus größerer Höhe zu vermeiden, sollte die Anschlussbewehrung möglichst auf eine Höhe ≤ 1 m in der Ortbetonergänzung begrenzt werden (Begrenzung der Fallhöhe des Betons). Gegebenenfalls kann der Betonierschlauch auch über einzelne Anschlusseisen gestülpt werden (vgl. Bild 6 oben) oder an der Innenfläche der Fertigteilplatte anliegen (vgl. Bild 6). Für das Einführen des Rüttlers ist ein Stababstand (Achsmaß) der Anschlussbewehrung in Längsrichtung von etwa 100 mm ausreichend. Weitere typische Einbausituationen von WU-Elementwänden sind z. B. im DBV-Heft 43 [3] aufgeführt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Forderung nach Mindestmaßen für lichte Abstände bw,i dazu führen kann, dass die Gesamtwanddicke bei WU-Elementwänden größer wird als die in Tabelle 1 angegebenen Mindestdicken, vgl. z. B. Fall 1 (Teil 1 in BFT 07/2019, S. 34 ff.
Als Folge davon ist die bislang oft angewandte Praxis, aus einer ursprünglich mit 240 mm Mindestwanddicke geplanten WU-Ortbetonwand erst im Rahmen der Ausführungsplanung oder gar der Bauausführung auf WU-Elementwände umzustellen, in vielen Fällen nach neuer WU-Richtlinie nicht mehr möglich, da ggf. der Beton (Größtkorn), Bewehrung (Anschlussbewehrung, d. h. bereits für Bewehrung der Bodenplatte relevant) und auch die Wanddicke angepasst werden müssten.
Somit muss die Entscheidung für eine WU-Elementwand so früh wie möglich fallen, idealerweise in der Entwurfsplanung. Ein späterer Wechsel von WU-Ortbetonwand zu WU-Elementwand, z. B. erst in der Ausführungsplanung oder gar während der Bauausführung, ist mit entsprechendem Umplanungsaufwand in Tragwerks- und Objektplanung und entsprechendem Zeitverzug verbunden.
Anschlussmischung bei WU-Elementwänden
Unabhängig von den „besonderen Anforderungen an die lichten Innenmaße bw,i“ in Abhängigkeit vom Größtkorn der Gesteinskörnung ([1], 7.2 (3)) muss bei WU-Elementwänden immer dann eine Anschlussmischung (Beton mit Größtkorn 8 mm) bis mindestens 300 mm Höhe verwendet werden, wenn die Fallhöhe mehr als 1 m beträgt oder wenn die Mindestwanddicke nach Tabelle 1 (240 mm bis 275 mm) oder eine Kernbetonmindestdicke (120 mm bis 140 mm) ausgenutzt wird.
Bei WU-Elementwänden mit den Mindestdicken nach Tabelle 1 ist bei Beanspruchungsklasse 1 ein WU-Beton mit einem (w/z)eq ≤ 0,55 (C30/37) und zusätzlich ein Größtkorn ≤ 16 mm zu verwenden.
Hinweis: Eine Ausnutzung der Mindestdicken liegt nicht mehr vor, wenn mindestens 15 % größere Bauteildicken gewählt werden.
Allgemeines zur Anschlussbewehrung in der Arbeitsfuge Bodenplatte/Wand bei Elementwänden
Fast immer ist in der Arbeitsfuge Bodenplatte/Wand planmäßig eine Anschlussbewehrung vorgesehen. Diese Anschlussbewehrung (ggf. noch ergänzt durch eine horizontale Verteilerbewehrung) kann die Betonierbarkeit (vgl. oben) erschweren bzw. Auswirkungen auf die lichten Innenmaße bw,i und somit die Gesamtdicke der Elementwand haben. Hinzu kommt, dass die aus der Bodenplatte herausstehende Anschlussbewehrung die Montage der Elementwände erschwert, da die Elementwände vom Kran in die aus der Bodenplatte herausstehende Anschlussbewehrung „eingefädelt“ werden müssen. Eine weitere Schwierigkeit sind die Gitterträger in der Elementwand zwischen den beiden Fertigteilplatten, die oftmals mit der Anschlussbewehrung kollidieren. Baupraktisch wird dann oftmals die Anschlussbewehrung im Bereich der Gitterträger entfernt.
Es ist jedoch fraglich, ob aus statischer Sicht tatsächlich immer eine Anschlussbewehrung erforderlich ist. In vielen Fällen wird eine Anschlussbewehrung planerisch vorgesehen, „weil man das eben so macht.“ Zur Vereinfachung des Einbaus und zur Reduzierung der Wanddicke (siehe oben) wäre es aus baupraktischer Sicht wünschenswert, auf eine Anschlussbewehrung zu verzichten, wenn dies aus statischer Sicht möglich ist. Die Bemessung der Wand erfolgt dann als unbewehrte Betonwand (insbesondere wegen der fehlenden Verankerung der vertikalen Wandbewehrung). Die Bewehrung in den Elementwandplatten dient dann z. B. nur der Tragfähigkeit bei Transport und Montage. Ergänzend dazu sei noch angemerkt, dass beispielsweise Mauerwerkswände systembedingt auch über keine Anschlussbewehrung zur Bodenplatte verfügen.
Allgemeines zur Bewehrung in der Stoßfuge Wand/Wand
Stoßfugen bei WU-Elementwänden werden oftmals mit Bügelkörben gesichert. Bei WU-Elementwänden ist i. d. R. der Entwurfsgrundsatz EGS c) nach WU-RL, d. h. wenige breite Risse, die planmäßig abgedichtet werden, zweckmäßig. Planmäßige Risse stellen sich in den durch Sollrisselemente konstruktionsbedingt geschwächten Stoßfugen ein und werden durch Dichtelemente planmäßig gedichtet. Durch eine horizontale Stoßfugenbewehrung kann der planmäßige Riss in der Stoßfuge in seiner Breite begrenzt und fein verteilt werden. Das heißt, es können neben dem Riss in der Stoßfuge noch weitere Risse entstehen, die dann aber nicht abgedichtet sind. Somit muss beim EGS c) auf eine statisch nicht erforderliche Stoßfugenbewehrung verzichtet werden.
Einbau von WU-Elementwänden
Bei der Annahme von WU-Elementwänden auf der Baustelle muss die Rauigkeit der Elementwandinnenflächen (siehe oben) geprüft werden. Wichtig ist auch, dass auf den Elementwandinnenflächen keine bzw. möglichst wenig Zementschlämme anhaftet.
Zudem müssen die WU-Elementwände auf Schäden (Kantenabbrüche, Risse) untersucht werden. Beschädigte WU-Elementwände dürfen nicht eingebaut werden bzw. sind vor dem Einbau fachgerecht instandzusetzen.
Elementwandplatten müssen im Bereich der Arbeitsfugen Bodenplatte/Wand mindestens 30 mm aufgeständert und am Fußpunkt abgestellt werden. Dies dient dazu, dass die Elementwandplatten vollständig von Beton unterlaufen werden können und so eine flächige Kraftübertragung von der Elementwand auf die Bodenplatte möglich ist. Nach der Betonage sollte die Arbeitsfuge Bodenplatte/Wand kontrolliert werden.
Vor der Montage der Elementwände müssen die Arbeitsfugen Bodenplatte/Wand gereinigt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Arbeitsfuge nach Montage der Elementwände nicht wieder verschmutzt. Dies ist allerdings baupraktisch nicht immer umsetzbar, da die Arbeitsfuge ja nur auf einer Höhe von 30 mm unmittelbar über der Bodenplatte sichtbar bzw. zugänglich ist. Zudem wird die Sichtbarkeit von Verschmutzungen bzw. die Möglichkeit der Reinigung durch die Fugenabdichtung bzw. die Anschlussbewehrung erschwert.
Betonage von WU-Elementwänden
Die Elementinnenflächen und die Arbeitsfuge Bodenplatte sind ausreichend vorzunässen (mattfeucht). Beginn und Ende des Vornässens sind zu dokumentieren (wird oft vergessen!). Besondere Vorsicht ist bei Frost geboten (kein Gefrieren von Wasser an den Innenflächen und am Fußpunkt). Das Abstellen der Arbeitsfuge Bodenplatte/Wand sollte erst nach dem Vornässen bzw. erfolgtem Wasserabfluss erfolgen. Der Beton ist gleichmäßig in etwa maximal 500 mm hohen waagerechten Lagen einzubringen und im gesamten Betonierabschnitt gleichmäßig hochzuführen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Stoßfugen, damit sich die Fugenabdichtung nicht durch einseitigen Betondruck verschiebt. Es sollten keine horizontalen Arbeitsfugen im Kernbeton der Wand entstehen. Das heißt, der Beton sollte zügig eingebracht und vernadelt bzw. verdichtet werden (Betoniergeschwindigkeit beachten!).
Bei größeren Aussparungen in den Elementwänden (z.B. Fensteröffnungen) ist sicherzustellen, dass Beton auch unter den Aussparungen ankommt und dort auch verdichtet werden kann, z. B. durch Schütt- bzw. Verdichtungsrohre.
Ausblick
Das DAfStb-Heft 555 (Erläuterungen zur WU-Richtlinie 2003 [2]) [10] aus dem Jahr 2006 wird derzeit an die neue WU-Richtlinie [1] angepasst und überarbeitet. In die Überarbeitung sollen auch erste Praxiserfahrungen mit der neuen WU-Richtlinie [1] sowie ggf. erste Antworten zu Auslegungsfragen aufgenommen werden. Das überarbeitete DAfStb-Heft 555 soll voraussichtlich 2020 erscheinen.
REFERENCES/LITERATUR