Nur dreieinhalb Stunden Bauzeit je Geschoss
Das Kerrie Murphy Building ist Teil der International Grammar School (IGS) in Sydney. Das Gebäude ist einfach gestaltet und stellt sich nicht als „besser“ als die umgebenden Bauten dar, zieht aber dennoch viele Blicke auf sich.
Das Kerrie Murphy Building wurde von Allen Jack+Cottier (AJC) entworfen und im Rahmen des Programms Building Education Revolution (BER) finanziert, mit dem an Grundschulen neue und modernisierte Auditorien, Bibliotheken und Klassenräume geschaffen werden sollten. Die Architekten erkannten das Potenzial des IGS-Standortes und schlugen einen anspruchsvollen, viergeschossigen Entwurf vor, der die Bauvorschriften der Stadt in Frage stellte, wonach auf diesem Grundstück nur ein zweigeschossiges Gebäude zulässig gewesen wäre.
Ursprünge im Ziegelbau
„In unseren Untersuchungen fanden wir heraus, dass das benachbarte Gebäude nur eine Gebäudehälfte war, mit einem Mauerwerk aus Nutenziegeln und zugemauerten Öffnungen, das trotz entsprechender Planung nie fertiggestellt wurde“, so Michael Heenan, Geschäftsführer und Leitender Entwurfsarchitekt bei AJ+C. „Der Stadtrat äußerte sich zustimmend zu unseren Feststellungen und genehmigte das Projekt in Rekordzeit“.
Bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Planungsprozesses wurde dem Entwurfsteam klar, dass das neue Gebäude Bezug auf das umgebende Viertel Pyrmont nehmen musste. Dessen Identität war in hohem Maße von einer Reihe von Speichergebäuden aus Ziegelmauerwerk aus dem
19. und frühen 20. Jahrhundert geprägt. Diese waren durch große, ebene Ziegelflächen mit kleinen Öffnungen gekennzeichnet und von den Spannweiten ihrer Mauerwerksbögen und Gewölbeeisen bestimmt.
Das neue Gebäude nimmt die Kraft, Massivität und Stabilität dieser Speicherhäuser auf. Der Entwurf hat seine Ursprünge in den charakteristischen Merkmalen von Ziegelbauten, bedient sich jedoch letztlich der Fertigteilbauweise − aufgrund ihrer Einfachheit und Präzision, aber auch wegen ihrer Effektivität. Diese Erwägungen waren von zentraler Bedeutung für die rasche Realisierung dieses innerstädtischen Bauvorhabens während der Weihnachtstage, ohne dass sich die Bautätigkeit zu stark auf die Umgebung auswirkte.
Glas auf Beton fixiert
Die Außenwände des Gebäudes bestehen aus einer Kombination aus Glas und rohen, lediglich eingefärbten Betonfertigteilen. In die tragenden Fertigteil-Verbundtafeln sind 50 mm hochdichtes Polystyrol mit einer 65 mm dicken Außenschicht sowie eine 165 mm starke Innenschicht aus Konstruktionsbeton integriert.
Die Fensterdetails wurden in Zusammenarbeit mit 3M in Australien und den Vereinigten Staaten realisiert. Dabei wurde die Verglasung lediglich auf den Beton geklebt. „Nach unseren Informationen wurde bei diesem Projekt erstmals VHB-Bauklebeband auf diese Weise zur Fixierung der Verglasung am Gebäude eingesetzt. Die durchgestanzten Fenster mussten mit größter Sorgfalt ausgeführt werden, so dass ihre ‚Tautropfen‘-Ästhetik nicht beeinträchtigt wurde“, erläutert Heenan unter Bezugnahme auf das Hochleistungs-Klebemittel, das üblicherweise für die Befestigung von Glas auf Tragrahmenkonstruktionen verwendet wird und dabei Silikondichtungsmittel ersetzt. „Das Glas sollte wie einfach auf dem Beton fixiert wirken, wobei der geradezu ‚arrogante‘ Beton keine Notiz von dem Vorhandensein des Glases nimmt“.
Von der Straßenseite aus erscheint das Gebäude nur als massiver Betonbau mit eingestanzten Löchern, die Befestigung der Verglasung ist dabei nicht wahrnehmbar. Dieses Erscheinungsbild lässt allerdings den enormen Aufwand vergessen, der für Versuche und Berechnungen zur Entwicklung der tragenden vorgefertigten Wandtafeln zu betreiben war.
Gebäude ohne Innenstützen
Das Team musste wieder und wieder statische Berechnungen durchführen, um die gewünschte Tragfähigkeit und Leichtigkeit der Wandtafeln zu erzielen. Dabei wurde eine herkömmliche Mattenbewehrung mit eingeschnittenen Öffnungen verwendet. Das Gebäude besteht je Geschoss nur aus vier verschiedenen Betonfertigteilen in einer sich wiederholenden Anordnung: Vorderwand, Rückwand, die gekrümmte Wandtafel für die Treppe und ein Hohldeckenelement – sämtlich als tragende Bauteile ohne Innenstützen bemessen.
Die im Werk vorgefertigten und verglasten Elemente wurden in vollständig fertigem Zustand auf die Baustelle transportiert, so dass das Team pro Geschoss einschließlich der Außenwand- und Treppenelemente und der Decken nur dreieinhalb Stunden Bauzeit benötigte.
„Schon vor der ersten Vorstellung unseres Entwurfs haben wir die Schule vorgewarnt, dass unser Entwurf geradezu ein Paradebeispiel an Genügsamkeit sei. Um von der ursprünglichen Idee zu diesem Grad an Klarheit und Einfachheit zu gelangen, war jedoch ein enormer Aufwand für Zeichnungen, Studien, Versuche und Modellbau zu betreiben. Wir verbrachten viele Stunden im Betonwerk, um Ideen zu diskutieren und auszuprobieren“, so Heenan.
Ökologisch nachhaltige Entwicklung
Auch die Nachhaltigkeit war ein wesentlicher Bestandteil der Entwurfsvorgaben. Das neue Gebäude musste die vom Bauherrn vorgegebenen strengen Umweltvorschriften (Building Code of Australia [BCA], Abschnitt J zur Energieeffizienz) und die von der Stadt Sydney als Anforderung definierte Einstufung mit vier Sternen nach dem Green-Star-System für nachhaltiges Bauen erfüllen.
Zu den ökologisch nachhaltigen Komponenten dieses Schulgebäudes gehören ein Dach, das als Freiluft-Spielplatz dient und von Photovoltaikmodulen beschattet wird. Damit kann das Gebäude seinen eigenen Strom erzeugen. Darüber hinaus wird Wasser aufgefangen und erneut genutzt, und das Gebäude lässt sich durch nächtliches Durchlüften kühlen. Trotz der großen Zahl an fest eingebauten Fenstern, für die im Interesse einer hohen Isolierwirkung modernste E-Glas-Technologie zum Einsatz kam, wird das Gebäude über an seinen vier Ecken angeordnete, übergroße Lamellen auch querbelüftet.
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Allen Jack Cottier
Myrtle Street 79
Chippendale NSW 2008/Australia
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