Potenziale der Digitalisierung bei der Betonherstellung
In bisherigen Forschungen am IWB [1,2] wurde ein kombiniertes zweistufiges Mischkonzept erforscht und weiterentwickelt, um Frischbetone mit stets gleichförmiger Qualität und hohem Anspruch an die Verarbeitbarkeit und Robustheit zielsicher herstellen zu können. Der Schlüssel liegt in einer Digitalisierung aller Prozessschritte der Betonherstellung. Ist die Herstellung und Verarbeitung klassischer Rüttelbetone grundsätzlich unproblematisch, so zeigt die Baupraxis, dass sich anspruchsvolle Betongemische mit leichtverdichtbaren, selbstverdichtenden oder hochleistungsfähigen Eigenschaften deutlich komplexer verhalten. Um hier eine Konsistenzhaltung zu gewährleisten, müssen nicht tolerierbare Schwankungen der Eigenschaften, Zusammensetzung und Dosierung aller Ausgangsstoffe unterbunden werden. Dies erfordert mess- und regeltechnische Maßnahmen, um alle Teilprozesse der Dosierung, Beschickung und Vermischung erfassen, bewerten und ggf. den Erfordernissen entsprechend nachsteuern zu können. Entsprechende Forschungen laufen am IWB in Zusammenarbeit mit diversen Mischanlagenherstellern. Ziel ist, alle Prozesskomponenten der Betonherstellung mit Sensor- und Aktor-Komponenten auszustatten, mit denen eine digitale Vernetzung aller Systemkomponenten möglich ist, um sämtliche Prozessdaten in einem Leitsystem zusammenzuführen. Dies erlaubt eine ganzheitliche Bewertung in Echtzeit, Voraussetzung, um Prozessoptimierungen ableiten und umsetzen zu können. Folglich werden alle Prozessabläufe in einen digitalen Zwilling überführt, um ein zeitlich mehrdimensionales, digitales bzw. virtuelles Abbild der Frischbetonherstellung zu schaffen. Hierzu bedarf es, alle Prozessschritte in cyberphysikalische Modelle zu überführen. Anschließend können die Teilschritte über standardisierte Schnittstellen verknüpft werden und es entsteht ein ganzheitliches digitales Modell. Mit geeigneten Steuerungskomponenten kann dann der digitale Zwilling die Analyse und Steuerung der Betonherstellung im Sinne von Beton 4.0 optimieren. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei der am IWB seit Jahren erforschten rheologiegestützten Mischprozessführung zu. Mit ihr lässt sich der Frischbeton während des Mischens rheologisch bewerten. Im Rahmen eines großen Verbundforschungsvorhabens [3, 4] wurde gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft ein neuartiger Antriebsstrang entwickelt und in einer realmaßstäblichen Mischanlage zum Einsatz gebracht. Mit diesem lassen sich alle relevanten Prozessinformationen digitalisiert zur Verfügung stellen. Damit können das Mischende und die dann erzielten rheologischen Eigenschaften des Frischbetons zuverlässig bestimmt werden. Zur rheologischen Charakterisierung dienen die Fließgrenze und Viskosität des Frischbetons [5]. Weichen diese vom Soll ab, kann der noch im Mischer belassene Frischbeton nachgemischt werden. Eine Nachdosierung konsistenzverbessernder Ausgangsstoffe ist möglich. Letztlich soll das Ganze in einem autonomen Betonherstellprozess münden – Beton 4.0.
Danksagung:
Der Autor dankt den Mitarbeitern des IWB, allen voran Dr. Christian Baumert, Herrn Hampel und Herrn Lisin, für die engagierte und stets tatkräftige Unterstützung beim Voranbringen der Vision, anspruchsvolle Betone mit hohen Feinstoffanteilen mittels einer rheologiegestützten Mischprozessführung künftig zielsicher in der Baupraxis herstellen zu können. Die Abbildung aller Prozessschritte in einem digitalen Zwilling stellt eine Herausforderung der nächsten Jahre für das ganze Team am IWB dar, an deren Bewältigung sich auch Herr Nitsche und Herr Lazik beteiligen. Besonderer Dank gilt dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für die finanzielle Förderung des Verbundforschungsvorhabens „Betonfahrbahn 4.0“ [3] und der Bundesanstalt für Straßenwesen für die fachliche Unterstützung und die verwaltungstechnische Betreuung. Besonderer Dank geht an alle Projektpartner, insbesondere an die Partner der maschinen- und baustoffmaschinenherstellenden Industrie, die Firmen CAVEX GmbH und Liebherr-Mischtechnik GmbH, mit denen die Entwicklung und Umsetzung von neuartigen digitalen Antriebssträngen für realmaßstäbliche Mischanlagen sowie die Konzeption und Anpassung einer Doppelwellenmischanlage realisiert werden konnten.