Das falsche Klavier
Neulich, an einem verregneten Winterwochenende, fiel mir aus meiner Plattensammlung das Köln-Konzert von Keith Jarrett aus dem Jahr 1975 in die Hände. Gefühlt eine halbe Ewigkeit hatte ich dieses geniale Solo-Werk des begnadetsten Jazzpianisten der vergangenen 60 Jahre nicht mehr angehört. Neugierig geworden, suchte ich bei Wikipedia nach mehr Informationen zu dem Konzert und fand folgendes: Wie bei anderen Solokonzerten von Keith Jarrett war „The Köln Concert“ ein frei improvisiertes Konzert. Anspruch des Künstlers ist es, ohne jede musikalische Vorüberlegung und ohne Plan „aus dem Nichts heraus“ Musik zu schaffen. Er selbst sagt dazu: „Es ist immer wieder, als würde ich nackt auf die Bühne treten. Das Wichtigste bei einem Solokonzert ist die erste Note, die ich spiele, oder die ersten vier Noten. Wenn sie genug Spannung haben, folgt der Rest des Konzerts daraus fast selbstverständlich.“
Die Einspielung des Köln Concert fand unter extrem widrigen Umständen statt. Keith Jarrett hatte die Nacht vor dem Konzert fast nicht geschlafen, da er seit dem frühen Morgen mit seinem Produzenten Manfred Eicher im klapprigen R4 von einem Konzert in der Schweiz angereist war. Der eigentlich ausgesuchte Konzertflügel war verwechselt worden, es stand nur ein sogenannter „Stutzflügel“ bereit, der eigentlich nur für Proben verwendet wurde, verstimmt war und bei dem die Pedale und einige Tasten klemmten. Sein Essen vor dem Konzert kam erst eine Viertelstunde vor der Rückkehr ins Kölner Opernhaus. Nur auf ausdrückliche Bitten der lokalen achtzehnjährigen Veranstalterin Vera Brandes war Jarrett bereit, doch aufzutreten. Das Team hatte die Live-Aufnahme bereits streichen wollen, als sich die Tontechniker darauf einigten, das mit rund 1.400 Zuhörern ausverkaufte Kölner Konzert schließlich doch für interne Zwecke mitzuschneiden: Keith Jarrett passte das musikalische
Geschehen dem Instrument an und beschränkte sich weitgehend auf die mittleren und tiefen Tonlagen, wobei er wiederholende Muster bevorzugte. Das Ergebnis war einfach nur überwältigend: Bis heute ist das Köln-Konzert von Keith Jarrett die meistverkaufte Jazz-Soloplatte und die meistverkaufte Klavier-Soloplatte!
In Zeiten der Transformation unserer Branche brauchen wir ein hohes Maß an Improvisationsfähigkeit, gepaart mit Bescheidenheit und Anpassungsfähigkeit an die für uns derzeit als bedrohlich wahrgenommenen widrigen Umstände. Mit wenigen, bereits reichlich vorhandenen, Bordmitteln und kreativer Ingenieurkunst sind wir in der Lage, einen großen Beitrag für den Klimaschutz und die Ressourcenschonung im Betonbau zu leisten und erfolgreich in die Zukunft durchzustarten. Das Ergebnis wird sich sehen lassen können!
In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den BetonTagen – wie immer – viel Spaß bei der Wissensmehrung.
Ihr