EPDs entmystifiziert: Was ist das und wofür werden sie gebraucht?
Die Bauindustrie ist für unser Leben so grundlegend wie nur wenige andere. Wohnen außerhalb geschlossener Räume oder Fortbewegung auf unbefestigten Straßen? Im Alltag unvorstellbar. Doch nicht nur für den Menschen ist die Bauindustrie von Bedeutung – ihr Einfluss auf die Umwelt ist ebenso immens.
Zwischen 30 und 40% der weltweiten Emissionen entstammen der Bau- und Immobilienindustrie, 60% des Rohstoffverbrauchs entfällt auf den Gebäudesektor. Grund genug für Gesetzgeber, diesen Daten genauer auf den Grund zu gehen. Geschehen soll dies in der EU mithilfe von Umweltproduktdeklarationen (EPDs). Klingt erstmal gut, aber was genau sind EPDs eigentlich?
Strukturierung durch Standardisierung
EPDs beinhalten relevante Umweltdaten für Bauprodukte. Um unterschiedliche Produkte derselben Kategorie im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen analysieren zu können, sind die Zahlenwerte in ihrer Darstellung und Berechnung standardisiert. Diese firme Datengrundlage ermöglicht Konsumenten, Unternehmen sowie der Politik informierte Entscheidungen.
Hersteller können sich durch besonders gute Umweltperformance profilieren. Besonders attraktiv sind EPDs für Kunden, welche eine Zertifizierung bspw. nach dem LEED- oder BREEAM-Schema anstreben. Ab Ende 2024 tritt zusätzlich die Bauprodukteverordnung (CPR) in Kraft, die verifizierte Umweltdaten für alle Bauprodukte mit CE-Zeichen sukzessive verpflichtend machen wird.
Lange war der Prozess zur EPD-Erstellung sehr aufwändig
Die Standardisierung der Umweltdaten hat allerdings auch ihre Kehrseite. So ist der Prozess zur Erstellung einer EPD zunächst vielschrittig und mitunter müßig. Der Weg zum Dokument ist nachfolgend geschildert.
1. Datenerhebung: Um die Zielgrößen gemäß der Regularien berechnen zu können, müssen zunächst Eingangswerte ermittelt werden. Dies liegt in der Verantwortung der Materialhersteller und umfasst alle Stufen des Produktlebenszyklus, von der Gewinnung der Rohmaterialien bis hin zur Entsorgung. Im Sinne einer akkuraten Kalkulation – und um Überschätzungen zu vermeiden – gilt: Je gründlicher die Datenerhebung, desto besser.
2. Ökobilanz: Auf Grundlage der ermittelten Daten wird üblicherweise von externen Beratungsfirmen eine Ökobilanz (englisch Life-Cycle Assessment – LCA) des Produkts erstellt. Dabei werden die Umwelteinflüsse jedes Rohstoffs und jedes Prozessschrittes ermittelt. Die Ergebnisse der Ökobilanz lassen sich verwenden, um Umwelt-Hotspots eines Produkts zu identifizieren und proaktiv zu verbessern.
3. Hintergrundbericht und EPD-Entwurf: Der Hintergrundbericht wird zusätzlich zur Ökobilanz erstellt und dient der Dokumentation von Methodik sowie Datenquellen. Die Hersteller und Verifizierer können mithilfe des Hintergrundberichts klar nachvollziehen, wie die Daten erhoben wurden. Auf Basis der Ökobilanz wird zusammen mit dem Hintergrundbericht ein Entwurf der EPD entwickelt.
4. Unabhängige Verifikation: Drittorganisationen, welche von Herstellern und EPD-Erstellern unabhängig sein müssen, werden zur rigorosen Überprüfung des EPD-Entwurfs engagiert. Als Auflage für die Veröffentlichung können vom Verifizierer Revisionen und Korrekturen angefordert werden, welche den Prozess in die Länge ziehen.
5. Programmbetreiber: Ist die EPD final verifiziert, wird sie bei einem Programmbetreiber zur Veröffentlichung eingereicht. Programmbetreiber registrieren EPDs und veröffentlichen diese zumeist in einem vorgegebenen Format. Ecoplatform, eine Nicht-Regierungs-Organisation, stellt für alle europäischen Veröffentlichungen sicher, dass Stakeholder auf die veröffentlichten EPDs zugreifen können.
EPDs als Chance begreifen
Das junge Münchner Unternehmen Emidat sah in dieser aufwendigen, mehrmonatigen Prozedur eine Marktlücke und entwickelte ein Tool zur Automatisierung der verifizierten EPD-Erstellung. Dabei sammeln sie die Daten direkt aus den Systemen der Kunden und erstellen normgerechte LCAs und EPDs. Erst kürzlich wurde die Software von dem Programmhalter EPD Norge verifiziert, sodass nach einem kurzen einmaligen Check direkt vollverifizierte EPDs ausgegeben werden können. Dadurch kann die LCA- und EPD-Erstellung von Monaten auf wenige Stunden reduziert werden.
Mit solch starken Softwaretools im Rücken gelingt es sogar einigen Unternehmen, das mit der EPD-Erstellung verbundene Nachhalten von ökologisch wichtigen Daten als Chance zu begreifen. So können bspw. die Umweltauswirkungen von Produktänderungen bereits in der Entwicklung errechnet und berücksichtigt werden. Auch im Verkauf können sich Hersteller darüber differenzieren und Projekte bedienen, die besonderen Wert auf grüne Materialien legen.
Branchenführer sind überzeugt, dass Umweltdaten neben Preis und Beschaffenheit zu einem Haupt-Entscheidungskriterium bei der Materialwahl werden. Mit ihrer skalierbaren Lösung hat Emidat zum Ziel, Transparenz zu erleichtern und Hersteller für ihre Bemühungen im Bereich Nachhaltigkeit fair zu belohnen.