Fertigteilbau mit Betonfachwerkbindern für Abfallsortierhalle
Im bayerischen Eitting wurde eine Industriehalle mit einer freitragenden Dachtragkonstruktion aus 50 m langen Bindern realisiert. Laumer Bautechnik stellte diese aus Betonfertigteilsegmenten her, die erst an der Baustelle kraftschlüssig zusammengefügt wurden.
Insbesondere im Betonfertigteilbau, der geprägt ist von der Wirtschaftlichkeit der Bauweise, bieten sich durch qualitativ hochwertige Fertigungsmöglichkeiten vielfältige Chancen, auch in Zukunft nachhaltige Konstruktionen zu realisieren. Beispielhaft dafür wurden in der jüngsten Vergangenheit von der Firma Laumer Bautechnik GmbH aus Massing eine Vielzahl von Fachwerkträgern aus Beton für die Ausbildung von Dachtragwerken konzipiert und produziert.
Besonders bemerkenswert ist dabei sicherlich die Dachkonstruktion für eine große Abfallsortierhalle in Eitting bei München. Die als klassischer Skelettbau mit Betonfertigteilen geplante Halle wird von einer freitragenden Dachkonstruktion mit einer Stützweite von 50 m überspannt. Für das Dachtragwerk sollten auf Wunsch des Bauherrn aus Gründen der Robustheit und infolge der Brandschutzvorgaben Spannbetonbinder zur Ausführung kommen.
Bei einer klassischen Doppel-T-Träger Ausbildung der geplanten Binder mit einer Binderlänge von 50 m, einer Dachneigung von 5° und einer Firsthöhe von 3,50 m hätte sich ein Gesamtgewicht je Binder von ca. 80 t ergeben. Diese Randbedingungen sind für die Fertigung, die Lagerung und den Transport der Dachbinder sehr schwierig. Spannbetonbinder von dieser Größenordnung sind nur von wenigen Fertigteilfirmen herstellbar. Aus diesem Grund wurde bei dieser Baumaßnahme ein neues, innovatives Konstruktionskonzept verfolgt und umgesetzt, um die Dachbinder für das produzierende Fertigteilwerk ausführbar zu machen.
Innovative Konstruktionsform
Um die oben genannten Randbedingungen zu vereinfachen, wurden bei diesem Konstruktionsprinzip die Dachbinder zur Gewichtsreduzierung als Fachwerkträger geplant, zur Reduzierung der Bauteilhöhe wurde das Firstdreieck „gekappt“ und zur Verringerung der Bauteillänge wurden die Binder „gestückelt“ in zwei Hälften produziert und später auf der Baustelle mit innovativen Betonstahlkupplungen zu einem Teil verbunden. Dabei wurden in der Bindermitte die stirnseitig überstehenden Betonstähle des Ober- und Untergurts miteinander gekoppelt.
Jede Binderhälfte für sich wurde mit Litzen im sofortigen Verbund vorgespannt, um die günstige Wirkung der Vorspannung insbesondere für die Steifigkeit der Binder nutzen zu können. Im Bereich der Fügestelle der Betonstahlkupplungen wurde keine zusätzliche externe Vorspannung aufgebracht.
Mit diesem Konzept konnte das Bindergewicht final auf 63 t reduziert, die Transportlänge der Binderteile mit 25 m halbiert und die Bauteilhöhe auf 2,80 m verringert werden. Alleine für den Transport ergaben sich damit ganz erhebliche Einsparpotenziale.
Statisches Konzept
Für die Umsetzung dieser Fachwerkbinder als geteilte, vorgespannte Träger mussten viele statisch konstruktive Detailnachweise geführt werden. Neben den üblichen Nachweisen in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit (GZT) und Gebrauchstauglichkeit (GZG) im Bau- und Endzustand mussten viele Detailpunkte etwa im Bereich der Fügestelle, für die Verbindung der Bauteilhälften, zum Anschluss der Druck- und Zugstreben, zur Kippstabilität im Bauzustand und zum Ankerkonzept gelöst werden. Insbesondere auf den Fügebereich mit den enormen Druck- und Zugkräften im Ober- und Untergurt wurde besonderes Augenmerk gelegt, um die auftretenden Belastungen im Bau- und Endzustand sicher übertragen zu können. Mit den Betonstahlkupplungen konnten alle Kräfte für den Bauzustand unmittelbar nach Verbindung der Bauteile übertragen werden. Lediglich im Obergurt wurden zusätzliche definierte Stahlplatten als Druckkontakt eingelegt. Für den Endzustand wurde der Obergurtbereich zusätzlich mit einem hochfesten, schwindarmen Vergussbeton vergossen. Die Betonstahlkupplungen im Zugbereich wurden zum Korrosionsschutz ebenfalls nach Montage der Binder vergossen.
Nach den Vergussarbeiten war somit ein quasi-monolithischer Zustand der Binder erreicht. Die Kippstabilisierung im Endzustand erfolgte über einen Dachverband aus Stahl, der klassisch mit Druck- und Zugstreben und Diagonalen ausgebildet wurde.
Produktion
Mit dem Konzept der Teilung der Bauteile vereinfachte sich ressourcenschonend der Schalungsbau, da die Schalung nur für die halbierte Trägerlänge gebaut werden musste und danach für alle Binderhälften verwendet werden konnte. In Kombination mit den leicht verdichtbaren bzw. selbstverdichtenden Betonen konnte die Schalung der Binder als „stehende“ Schalung gebaut werden, da die sehr fließfähigen Betone alle Schalungsbereiche ausfüllten, ohne dass zusätzlich intensiv gerüttelt werden musste.
Für die Produktion der Binder wurden zwei unterschiedliche Betonrezepturen verwendet: Für den engen Streben- und Untergurtbereich der Binder kam ein Beton mit höherem Fließmittelanteil (Konsistenzklasse F6) zur Anwendung. Im oberen Binderbereich wurde ein „Standardbeton“ mit geringerer Fließfähigkeit verwendet, um die Obergurtneigung von 5° realisieren zu können. Die beiden Betonsorten wurden insbesondere im Hinblick auf die gleiche Erhärtungsgeschwindigkeit aufeinander abgestimmt, um die Bildung einer horizontalen Trennfuge im Stegbereich der Binder zu vermeiden. Die Betonfestigkeitsklasse beider Betone betrug C50/60.
Transport und Montage
Durch die Teilung der Binder vereinfachte sich der Transport erheblich, womit die Transportkosten deutlich reduziert werden konnten. Die beiden Binderhälften wurden auf einem Transport zur Baustelle gebracht, vor Ort auf einer Hilfskonstruktion am Kran hängend ausgerichtet und anschließend mit den Betonstahlkupplungen stirnseitig kraftschlüssig verbunden. Anschließend wurden die Binder mit zwei Autokränen auf den Fertigteilstützen abgesetzt. Für die im Montagezustand kippstabilen Binder erfolgte dann im Nachgang ein kompletter Verguss der Fügestelle mit hochfestem, schwindarmen Vergussbeton, um auch für den Endzustand alle Lasten übertragen zu können. Zur Kippstabilisierung wurde zudem noch der Dachverband eingebaut.
Einsparpotenziale und weitere Vorteile
Mit dieser Bauweise gehen erhebliche Einsparpotenziale einher. Die schlanken Querschnitte im Bereich der Fachwerkstreben reduzieren den Betonverbrauch deutlich und dementsprechend verringert sich auch das Gewicht der Binder. Zudem verkleinern sich die erforderlichen Bewehrungsmengen. Die ressourcenschonende Einsparung des Schalungsmaterials ist ein zusätzlicher positiver Aspekt für diese Bauweise. Durch das reduzierte Bindergewicht und die halbierte Transportlänge konnten die Transportkosten bei diesem Bauvorhaben erheblich verringert werden.
Neben den konstruktiven Gesichtspunkten spielen auch ästhetische Punkte eine wichtige Rolle. Der aufgelöste Fachwerkbereich verleiht dem Dachtragwerk eine räumliche Offenheit und Leichtigkeit; er kann darüber hinaus flexibel als Installationsebene genutzt werden. Die konstruktive Ausbildung der Fachwerkstruktur spiegelt zudem den ingenieurmäßigen Ansatz der Tragwirkung mit Druck- und Zugstreben eindrucksvoll wider. Brandschutzvorgaben sind für Stahlbetonbauteile per se gegeben und können vereinfacht nachgewiesen werden.
Resumee
Insbesondere bei großen Spannweiten können Fachwerksysteme mit den oben aufgezeigten positiven Eigenschaften eine sinnvolle Alternative darstellen. Durch das Konzept der Teilung der Träger und der späteren Verbindung vor Ort sind weitgespannte Systeme auch von Fertigteilwerken mit begrenzten Schalungslängen wirtschaftlich zu fertigen. Damit ergeben sich auch für Fertigteilwerke mit eingeschränkten Produktions- und Lagerlängen neue Produktionsmöglichkeiten. Das Produktionsspektrum lässt sich damit erheblich erweitern.
Den gesamten Objektbericht (nur deutsch, inkl. ergänzenden Grafiken, 3D-Modell und Autorenvita) finden Sie im Betonbauteile Jahrbuch 2024.
Text: Christoph Schmidhuber