Einbetonierte Ankerbolzen Peikko HPM-L unter seismischen Beanspruchungen (Teil 2)
Im ersten Teil dieses Fachaufsatzes wurden die unterschiedlichen Prüfrichtlinien für Befestigungselemente erläutert und Neuentwicklungen bei Prüfrichtlinien und den zugehörigen Auswertedokumenten für Dübel und Ankerbolzen mit angeformtem Kopf vorgestellt (Teil 1 siehe BFT 08/2024). In Teil 2 des Beitrags folgt nun die Auswertung der Versuche.
2.4 Auswertung der Versuche
2.4.1 α-Abminderungsfaktoren
Die α-Reduktionsfaktoren in den statischen Referenzversuchsserien C2.1 und C2.2 werden ausschließlich auf Grundlage der mittleren Maximaltragfähigkeit bestimmt. Die EAD legt einen spezifischen Grenzwert für die maximale Tragfähigkeit fest, der für Zugbelastung auf der mittleren Tragfähigkeit für Betonausbruch basiert. Unter Querlast wird die mittlere Quertragfähigkeit (Stahlversagen) aus Versuchen mit normaler Rissbreite (Δw = 0,3 mm) verwendet. Alternativ kann die mittlere rechnerische Stahltragfähigkeit verwendet werden.
Bei den zyklischen Testreihen C2.3, C2.4 und C2.5 werden in jeder Testreihe drei Kriterien bewertet, für die jeweils ein bestimmter α-Reduktionsfaktor bestimmt wird. Die endgültigen α-Reduktionsfaktoren ergeben sich als Minimum aus den jeweiligen Einzelwerten. Die drei Kriterien sind:
Erfolgreicher Abschluss der zyklischen Belastungshistorie
Einhaltung eines Verschiebungskriteriums (≤ 7 mm) unter Gebrauchslast nach Beendigung des Belastungszyklus
Erfüllung der Anforderungen an die mittlere Bruchlast in den Resttragfähigkeitsversuchen.
2.4.2 β-Abminderungsfaktoren
In der Kategorie C2 wird ein zweiter Reduktionsfaktor β eingeführt, um den charakteristischen seismischen Widerstand zu bestimmen. Dieser β-Reduktionsfaktor berücksichtigt die Streuung der Bruchlasten in den Resttragfähigkeitsversuchen mit zyklischer Belastung im Vergleich zu den Streuungen der Bruchlasten in den statischen Referenzversuchen. Die Streuung wird in Bezug auf den Variationskoeffizienten V definiert. Basierend auf den Reduktionsfaktoren für die einzelnen Testreihen wird schließlich ein maßgebender β-Reduktionsfaktor für Zug- bzw. Querlast berechnet.
2.5 Übertragung der Prüfverfahren auf einbetonierte Ankerbolzen
Einbetonierte Ankerbolzen werden wie Kopfbolzen oder nachträglich installierte Dübel nach EN 1992-4 [2] bemessen. Die Qualifizierung der Ankerbolzen erfolgt nach EAD [6], wobei die dort enthaltenen Prüfvorschriften im Wesentlichen denjenigen für Dübel [16] entsprechen und nur geringfügig an die bei einbetonierten Ankerbolzen vorliegenden Gegebenheiten angepasst wurden. Dies betrifft z. B. die Regelungen zur Berücksichtigung von Rückhängebewehrung sowie Regelungen zur Ausführung von Schweißungen bei mehrteiligen Ankerbolzen. Die in der EAD [16] bzw. im TR 049 [7] enthaltenen Prüfverfahren für Seismikanwendungen für Hinterschnittdübel können ebenfalls übernommen werden. Anpassungen sind allerdings hinsichtlich der Herstellung der Versuchsplatten bzw. Risskörper vorzunehmen. Während bei Dübeln die Montage auf den tatsächlichen Rissverlauf angepasst werden kann, muss bei einbetonierten Ankerbolzen genauestens darauf geachtet werden, dass der Ankerbolzen über die gesamte Ankerlänge im späteren Haarriss liegt. Dies kann jedoch durch mittlerweile sehr ausgereifte Betonierverfahren mit Alufolie als Rissbildner sichergestellt werden. Grundzüge des Verfahrens wurden in der EAD [6] übernommen.
Die Peikko Group hat mit ihrem Ankerbolzen HPM16-L die vorab beschriebenen Versuche nach EAD [6] durchgeführt. Die Versuchsergebnisse werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt.
3 Versuche unter simulierten seismischen Einwirkungen mit Peikko-Ankerbolzen HPM16-L
3.1 Referenzversuche unter Zug- und Querbelastung
Die Referenzversuche in breiten Rissen Δw = 0,8 mm wurden unter Zug- und Querbelastung durchgeführt. Abb. 3.1 zeigt die Last-Verschiebungskurven unter Zug- bzw. Querbelastung. Alle Anforderungen an die Höchstlasten, die Verschiebungen sowie die zugehörigen Streuungen wurden erfüllt. Da in den Versuchen C2.1a im niederfesten Beton bereits überwiegend Stahlversagen festgestellt wurde, konnte auf zusätzliche Versuche im hochfesten Beton verzichtet werden.
3.2 Versuche unter Zugschwellbelastung
Es wurden Versuche unter schrittweiser konstanter Zugschwellbelastung mit anschließender Bestimmung der Resttragfähigkeit in 0,8 mm breiten Rissen durchgeführt. Abb. 3.2 a) zeigt beispielhaft das Last-Zeit- bzw. Verschiebungs-Zeit-Diagramm eines Versuchs, Abb. 3.2 b) die Last-Verschiebungskurve des Versuchs. Alle Anforderungen an die Lastwechsel, die Höchstlasten, die Verschiebungen sowie die zugehörigen Streuungen wurden erfüllt.
3.3 Versuche unter wechselnder Querbelastung
Die Versuche wurden zunächst unter Ansatz der nach EAD [6] erforderlichen Querlast Vmax = 0,85 ∙ Vu,m,C2.2 = 0,85 ∙ 72,95 = 62 kN (vgl. Tabelle 2.3) durchgeführt. Dabei versagte der erste Versuch bereits vorzeitig nach 60 Lastwechseln. Die Lastwechsel-Verschiebungskurve ist in Abb. 3.3 b) dargestellt. Die Last wurde dann zu Vmax,red = 45 kN reduziert. Unter dieser Maximalbelastung konnten bei allen Versuchen die erforderlichen Lastwechsel aufgebracht werden. Abb. 3.4 zeigt beispielhaft eine Lastwechsel-Verschiebungskurve sowie die Last-Zeit- bzw. Verschiebungs-Zeit-Diagramme.
Aufgrund der reduzierten Querlast ergibt sich ein Abminderungsfaktor α C2.4a = 45/62 = 0,73. Alle anderen Anforderungen wurden in der Versuchsserie mit Vmax = 45 kN erfüllt. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier festgestellte Abminderung für die Peikko-Ankerbolzen im Vergleich zu bisher zugelassenen Verankerungssystemen (Dübel und Ankerschienen) eher im oberen Bereich des festgestellten Streubereichs liegt. Dies ist im Wesentlichen auf das gutmütige duktilere Verhalten des verwendeten Grundwerkstoffes B500B gegenüber vergüteten Automatenstählen bei Dübeln zurückzuführen.
3.4 Versuche unter konstanter Zuglast und wechselnden Rissbreiten
Die Versuche wurden unter Ansatz der nach EAD erforderlichen konstanten Zuglasten Nw1 bzw. Nw2 durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung stand jedoch nur ein Prüfzylinder mit Nmax = 50 kN zur Verfügung. Daher wurden die Versuche mit einer etwas zu geringen Belastung Nw2 = 50 kN anstelle des rechnerisch erforderlichen Werts Nw2 = 51,56 kN durchgeführt. Daher ergibt sich ein Reduktionsfaktor. Dieser wurde bei der Auswertung der Versuche (siehe Abschnitt 3.5) berücksichtigt. Die Verschiebungen bzw. die Rissöffnungen sind in Abhängigkeit von der Zeit in Abb. 3.5 a) bzw. b) exemplarisch für einen Einzelversuch dargestellt. In beiden Diagrammen ist zusätzlich die abschnittsweise konstante Dauerlast in Abhängigkeit von der Zeit enthalten.
Es ist deutlich zu erkennen, dass eine um 3 % erhöhte konstante Dauerlast Nw2 kein wesentlich anderes Ergebnis hinsichtlich der Verschiebungen bzw. der Resttragfähigkeit erwarten lässt.
3.5 Bestimmung der Leistungsfähigkeit
Die resultierenden Abminderungsfaktoren für die seismische Kategorie C2 sind in Tabelle 3.1 dargestellt.
Die nachfolgend ermittelten charakteristischen Widerstände gelten für Befestigungsmittel mit der geprüften Verankerungstiefe und allen kleineren Verankerungstiefen. Die im Folgenden angegebenen charakteristischen Widerstände für seismische Einwirkungen werden durch die Werte für statische und quasistatische Belastung begrenzt. Die berechneten charakteristischen Widerstände können für alle HPM-L-Größen als konservativ angesehen werden. Eine Zusammenfassung der Widerstände für alle HPM-L-Ankerbolzen ist in Tabelle 3.2 angegeben.
Bei Querbeanspruchung wird bei der Bewertung nur Stahlversagen berücksichtigt.
Ähnlich wie bei den charakteristischen Zuglastwiderständen kann der für HPM16-L-Ankerbolzen berechnete Querlastwiderstand für alle HPM-L-Größen berücksichtigt werden.
Neben den Anforderungen hinsichtlich Tragfähigkeit (aufnehmbare Kräfte) bestehen in vielen Anwendungsfällen auch Anforderungen an die Verformung von Verbindungen mittels Befestigungselementen. Dies betrifft zum einen die Funktionalität von Bau- und Anbauteilen und zum anderen die in einer Berechnung angenommenen Auflagerbedingungen (z. B. starres Auflager) zur Ermittlung der Beanspruchungen. Die für Zug- bzw. Querbelastung ermittelten Verschiebungen sind in Tabelle 3.4 zusammengestellt.
3.6 Weitere Gesichtspunkte in der Bewertung
Wenn ein Ringspalt zwischen Befestigungselement und Anbauteil vorhanden ist, werden die auf die Befestigungselemente wirkenden Kräfte bei Querbelastung durch die Hammerwirkung auf das Befestigungselement verstärkt. Im Bemessungsansatz der EN 1992-4 [2] wird dieser Effekt durch die Einführung eines Abminderungsfaktors bei der Tragfähigkeit der Befestigung berücksichtigt.
Die Versuche für die Erdbebenkategorie C2 wurden nur mit der Ankerbolzengröße HPM16-L durchgeführt. Die Gründe dafür sind, dass die aufgebrachten Lasten bereits hoch sind und überwiegend Stahlversagen auftritt. Bei größeren Größen erhöht sich die Verankerungstiefe, und das Stahlversagen wird noch wahrscheinlicher. Um Versuche mit größeren Abmessungen zu vermeiden, kann das Belastungsniveau der HPM-L-Größe 16 auf alle größeren Größen übertragen werden.
Die für die Kategorie C2 ermittelten charakteristischen Widerstände können als charakteristische Widerstände der seismischen Kategorie C1 verwendet werden. Die Leistungsbewertung nach Kategorie C2 führt im Allgemeinen zu einer geringeren Leistung im Vergleich zu der in EAD 330232-01-0601 [16] für die Kategorie C1 bewerteten Leistung. Daher gelten die für die Kategorie C2 ermittelten charakteristischen Widerstände auch für die Kategorie C1.
Die Versuchsergebnisse zeigen eindeutig, dass die bisherigen für nachträglich montierte Befestigungen geltenden Versuchsbedingungen zur Qualifizierung für seismische Beanspruchungen ohne Einschränkungen auf einbetonierte Peikko-Ankerbolzen übertragen werden können. Es sind lediglich geringe Änderungen bei der Herstellung der Versuchskörper erforderlich (vgl. Abschnitt 2.5). Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die Europäische Technische Produktspezifikation für seismische Beanspruchungen auf weitere Größen zu übertragen.
4 Zusammenfassung und Ausblick
Die Berücksichtigung von Erdbebenbeanspruchung auf Befestigungsmittel erfordert besondere Qualifikationen für das Befestigungsmittel. In den letzten Jahrzehnten wurden entsprechende Richtlinien entwickelt und zunehmend an das reale Verhalten von Bauwerken unter Erdbebenbeanspruchungen angepasst. Eine neuere Entwicklungsstufe stellt die Erarbeitung der Richtlinie zur Qualifizierung von einbetonierten Ankerbolzen dar. Parallel zur Richtlinienentwicklung wurden die entsprechenden Versuche mit Peikko-Ankerbolzen HPM16‑L durchgeführt. Die Versuche zeigten erwartungsgemäß ein positives Ergebnis, das im Wesentlichen in der geringen Empfindlichkeit der Ankerbolzen gegenüber großen Rissbreiten (infolge der großen Kopfdurchmesser) begründet ist. Die festgestellte Abminderung unter wechselnder Querlast liegt im oberen Bereich der bisher festgestellten Bandbreite. Die Europäische Technische Bewertung ETA 02/0006 [3] wurde mittlerweile um die Kennwerte für Seismik- bzw. Ermüdungsbelastung ergänzt und veröffentlicht [18].
REFERENCES/LITERATUR