Einbetonierte Ankerbolzen Peikko HPM-L unter seismischen Beanspruchungen (Teil 1)
Im ersten Teil dieses Fachaufsatzes werden die unterschiedlichen Prüfrichtlinien für Befestigungselemente erläutert und Neuentwicklungen bei Prüfrichtlinien und den zugehörigen Auswertedokumenten für Dübel und Ankerbolzen mit angeformtem Kopf vorgestellt. Teil 2, u. a. mit der Auswertung der Versuche, folgt in der nächsten BFT-Ausgabe.
1 Einleitung
Ein Bemessungsverfahren für den Einsatz von Dübeln und Kopfbolzen bei tragenden Verbindungen bzw. Befestigungen in Erdbebengebieten war bisher nur in Technischen Spezifikationen, jedoch nicht in einer Europäischen Norm verfügbar. Für kerntechnische Anlagen ist seit langem ein Regelwerk vorhanden [21], dies ist jedoch aufgrund der verschärften Anforderungen nur bedingt auf übliche Gebäude des Hoch- bzw. Ingenieurbaus übertragbar. In EN 1998-1 [8] sind zwar in Abschnitt 7 besondere Regeln für Verbundbauten aus Stahl und Beton enthalten, jedoch sind hierdurch Verbindungen mittels Dübeln und Kopfbolzen nicht abgedeckt.
Die jetzigen Regeln in EN 1992-4 [2] unterscheiden Verbindungen zwischen tragenden Bauteilen sowie Verbindungen zwischen tragenden und nicht tragenden Bauteilen. Dabei werden für bestimmte Erdbebenbeanspruchungen unterschiedliche Leistungskategorien unterschieden. Die entsprechenden produktspezifischen Kenngrößen werden in den jeweiligen Europäischen Technischen Produktspezifikationen beschrieben. Regelungen für die Qualifizierung von Befestigungsmitteln unter Erdbebenbeanspruchung liegen derzeit nur für nachträglich montierte Befestigungsmittel (Dübel) vor (siehe [16], [7]). Den dort vorgegebenen unterschiedlichen Prüfbedingungen werden unterschiedliche seismische Leistungskategorien zugeordnet.
Nachfolgend werden die unterschiedlichen Prüfrichtlinien für Befestigungselemente kurz erläutert und die wesentlichen Neuentwicklungen bei Prüfrichtlinien und den zugehörigen Auswertedokumenten für Dübel und Ankerbolzen mit angeformtem Kopf vorgestellt. Die neu entwickelten Regelungen werden mit aktuellen Versuchsergebnissen von Peikko Ankerbolzen HPM 16‑L verglichen und erläutert.
2 Vorstellung der bisherigen Richtlinien
2.1 Allgemeines
Der Einsatz von Befestigungsmitteln wie Metalldübeln, Verbunddübeln und Kopfbolzen in Beton erfolgte bis vor kurzem bei allgemeinen Hochbauten in europäischen Erdbebengebieten bisher ohne besondere Anforderungen. Nur für spezielle Anwendungen, wie z. B. im Bereich des Anlagenbaus bzw. der Kerntechnik, wurden Anforderungen für seismische Bemessungssituationen gestellt.
Gebiete können nach internationalem Verständnis dann als Region mit niedriger Seismizität bezeichnet werden, wenn dort keine Erdbeben gleich oder größer einer Magnitude 6 aufgetreten sind. Demnach sind entsprechend EN 1998 [8] je nach nationaler Erfordernis und Festlegung reduzierte oder vereinfachte Erdbebenauslegungsverfahren zulässig.
Nachdem für ein Bauwerk bei sehr geringer Seismizität keine erdbebenspezifischen Anforderungen bestehen, wird nach EN 1992-4 [2] für Befestigungsmittel ebenfalls darauf verzichtet. Der Aspekt der reduzierten oder vereinfachten Verfahren für Bauwerke wird für Befestigungsmittel in der Leistungskategorie C1 abgebildet, die eine im Vergleich zu C2 weniger anspruchsvolle Qualifizierung von Produkten unter Berücksichtigung vergleichsweise geringerer Verankerungsgrundbeanspruchung (Rissöffnungen im Erdbebenfall) beinhaltet.
Bei einer Erdbebenbemessung können Beanspruchungen aus Zug, Querkraft oder Schrägzug maßgebend werden. Es ist zu unterscheiden zwischen:
Verbindungen von tragenden Bauteilen, z. B. Stahlstützen oder -rahmen auf Betonfundament und
Verbindungen von nichttragenden Bauteilen und tragenden Bauteilen.
Während der Erdbebeneinwirkung können die Verbindungsmittel selbst als auch der Verankerungsgrund (Beton) zyklisch beansprucht werden (Abb. 2.1 nach [13] und [12]). Hier hat insbesondere auch der möglicherweise zu erwartende zyklische Rissbreitenwechsel in dem als Verankerungsgrund dienenden Stahlbetonbauteil einen Einfluss auf die Tragfähigkeit einer Verbindung. Diesen Einflüssen Rechnung tragend, werden mittlerweile in Europa weitergehende Anforderungen an die Befestigungsmittel gestellt.
In Europa werden nachträglich eingebaute Befestigungsmittel nach der EOTA TR 049 [7] auf ihre Leistungsfähigkeit unter seismischen Einwirkungen beurteilt. In der Richtlinie wird zwischen zwei Leistungskategorien, nämlich C1 und C2, unterschieden, für die spezifische Prüfungen und Prüfverfahren gelten.
Die vorhandenen Eignungsprüfungen für seismische Einwirkungen auf Befestigungselemente bestehen im Allgemeinen aus einer oder mehreren der folgenden Komponenten:
1. Versuche zur Überprüfung der Tragfähigkeit eines Befestigungselementes unter Zug- und Querbelastung in gerissenem Beton.
2. Simulierte seismische Belastungsversuche mit Zugschwellbelastung oder wechselnder Querbelastung.
3. Versuche mit konstanter Zugbelastung des Befestigungselementes in sich öffnenden und schließenden Rissen (Rissbewegungsprüfung).
Derzeit werden drei Belastungsmuster für simulierte seismische Lastwechselversuche verwendet. Diese sind für eine Zugbelastung:
Konstante Zugschwellbelastung,
Schrittweise abnehmende Zugschwellbelastung und
Schrittweise zunehmende Zugschwellbelastung.
Das Belastungsmuster bei wechselnder Querlast ist ähnlich, jedoch wechselt die Last symmetrisch um den Nullpunkt.
Bei Rissbewegungsversuchen wird ein Befestigungselement in einen geschlossenen Haarriss eingebaut und durch eine konstante Zugbelastung (Nw) belastet, die einen Bruchteil der Maximaltragfähigkeit beträgt.
In neueren Untersuchungen ([12], [13]) wurde festgestellt, dass das o. g. Verfahren bei der Rissöffnung im Hinblick auf die residuale Verschiebung des Befestigungselementes deutlich unterschätzt und die Resttragfähigkeit im Anschluss an die Rissöffnungen deutlich überschätzt. Weiter belegten die Untersuchungen, dass in realen Gebäuden infolge wechselnder horizontaler Bodenbeschleunigungen die Risse im Bauteil nicht nur geöffnet, sondern auch durch äußere Druckkräfte vollständig geschlossen werden. Daher wird dieses Verhalten in den neuesten Prüfrichtlinien simuliert.
2.2 DIBt-Leitfaden für Dübelbefestigungen in Kernkraftwerken
In Kernkraftwerken oder anderen kerntechnischen Anlagen werden sehr häufig sowohl einbetonierte als auch nachträglich eingebaute Dübel verwendet. Ein grundlegender Aspekt für die Anwendung von Dübeln in Kernkraftwerken ist ihre korrekte Funktion unter besonderen Bedingungen, die während der Lebensdauer der Anlage auftreten können. Diese Bedingungen, zu denen Stoßbelastungen, seismische Beanspruchungen und Rissbildung infolge seismischer Belastung mit einer Breite wk≥ 0,5 mm gehören, werden von den üblichen technischen Zulassungen bzw. Bewertungen nicht abgedeckt. Um diese Lücke zu schließen, sind zusätzliche experimentelle Prüfungen erforderlich, um die Eignung und das einwandfreie Funktionieren der Verankerung nachzuweisen und die zulässigen Bedingungen für die Verwendung unter den oben genannten Bedingungen zu bestimmen.
Für die in Kernkraftwerken verwendeten Verankerungen sind drei verschiedene Verwendungskategorien zu betrachten (A1, A2 und A3). Diese drei Kategorien gehen von unterschiedlichen Lasthäufigkeiten aus, die während der Lebensdauer der Anlage zu erwarten sind (siehe Tabelle 2.1).
Bei der Kategorie A3 wird davon ausgegangen, dass die Belastung nur einmal während der Lebensdauer des Bauwerks auftritt. Beispiele hierfür sind das maximal zu erwartende Erdbeben (Bemessungserdbeben), Hochwasser, Flugzeugabsturz oder eine Explosion. Unter diesen Bedingungen muss die sichere Abschaltung des Kernkraftwerks gewährleistet sein. Da für die Abschaltung z. B. Kühlwasser benötigt wird, müssen die Befestigungen der entsprechenden Kühlleitungen einwandfrei funktionieren.
2.3 Qualifikation von Befestigungen nach europäischen Richtlinien
In Europa werden nachträglich eingebaute Dübel nach der EOTA TR 049 [7] auf ihre Leistungsfähigkeit unter seismischen Einwirkungen beurteilt. In der Richtlinie wird zwischen zwei Leistungskategorien, nämlich C1 und C2, unterschieden, für die spezifische Prüfungen und Prüfverfahren gelten. Die Leistungskategorie C1 war zuerst in ACI 355.2 [14] enthalten und wurde unverändert in den europäischen Richtlinien übernommen. Beide Kategorien sind in der europäischen Norm EN 1992-4 [2] definiert und beziehen sich auf den Grad der Seismizität in Bezug auf die Bodenbeschleunigung und die Gebäudeleistungsklasse, die in EN 1998-1 [8] beschrieben sind.
Darüber hinaus setzt der deutsche nationale Anhang DIN EN 1992-4/NA [9] die Leistungsklassen in Beziehung zu den zu erwartenden Schäden im Grundmaterial, die durch die berechnete Rissbreite charakterisiert werden. Somit wird auch der Schädigungsgrad des Gebäudes bei der Wahl der geeigneten Leistungsklasse berücksichtigt. Im Allgemeinen wird die Kategorie C1 vor allem für Dübel verwendet, die nichttragende Elemente mit dem Bauwerk verbinden [10], während die Kategorie C2 im Allgemeinen für Verankerungen verwendet wird, die sowohl tragende als auch nichttragende Elemente mit dem bestehenden Bauwerk verbinden. Dazu gehören u. a. strukturelle Verbindungen zur seismischen Verstärkung. Folglich gilt C2 als strenger, mit anspruchsvolleren Prüfverfahren und strengeren Anforderungen an die Qualifizierung.
Leistungskategorie C1
In dieser Kategorie werden Zugschwellversuche sowie Versuche mit wechselnder Querlast mit jeweils schrittweise abnehmenden Belastungsniveaus bei einer konstanten Rissbreite Δw = 0,5 mm durchgeführt. Die Versuchsbedingungen sind Tabelle 2.2 zusammengestellt.
Leistungskategorie C2
Die Leistungskategorie C2 umfasst statische Referenzversuche für Zug- und Querlasten in gerissenem Beton (C2.1 bzw. C2.2), Versuche unter schwellender Zuglast (C2.3), Versuche unter wechselnder Querlast (C2.4) und Rissöffnungsversuche mit konstanter Zuglast (C2.5). Die Rissöffnungsversuche werden im Allgemeinen als die anspruchsvollsten Prüfungen angesehen und sind oft entscheidend für die Qualifikation der Dübel (siehe [11]). Eine Zusammenfassung der erforderlichen Prüfungen für die Kategorie C2 ist in Tabelle 2.3 enthalten.
Die zyklischen Versuche für die Kategorie C2 wurden unter dem Gesichtspunkt entwickelt, dass sowohl die Eignung unter extremen Bedingungen (zyklische Belastung in breiten Rissen) als auch die Gebrauchstauglichkeit des Dübels (Verformungsverhalten und Bemessungslasten) gleichzeitig in einer Versuchsreihe beurteilt werden können [20]. Die erforderlichen Versuchsreihen der Kategorie C2 werden nachfolgend kurz erläutert.
2.3.1 Referenzversuche unter statischer Belastung (Serien C2.1 und C2.2)
In der Kategorie C2 werden zunächst statische Referenzversuche unter Zug- und Querlast durchgeführt. Die Referenzversuche werden in gerissenem Beton mit einer Rissbreite von Dw = 0,8 mm durchgeführt. Diese Versuche sind zur Ermittlung der mittleren Bruchlasten Nu,m,C2.1 und Vu,m,C2.2 erforderlich. Diese werden wiederum zur Festlegung der Belastungsverläufe für die Versuchsreihen C2.3, C2.4 und C2.5 verwendet.
2.3.2 Serie C2.3 - Zugschwellbelastung
Das Prüfverfahren für unter Zugschwellbelastung kann in zwei Teile unterteilt werden. Der erste Teil des Prüfprotokolls ist die zyklische Phase, in der die Anker gemäß dem Belastungsverlauf axial auf Zug belastet werden. Die Last wird schrittweise in Stufen von 0,1 Nmax bis zur maximalen Last Nmax, erhöht. Die Prüfung beginnt bei einer Rissbreite von Δw = 0,5 mm, die auf Δw = 0,8 mm erhöht wird, was die Eignungsprüfung widerspiegelt. Nach Abschluss der gesamten Belastungsgeschichte werden die Befestigungselemente entlastet und anschließend statisch auf Zug bis zum Versagen belastet.
2.3.3 Serie C2.4 – Wechselnde Querbelastung
Ähnlich wie der Prüfablauf für Zugschwellbelastung kann der Ablauf für die wechselnde Querbelastung in zwei Teile unterteilt werden: eine zyklische Phase und die Ermittlung der Resttragfähigkeit. In der zyklischen Phase werden die Befestigungselemente einer sinusförmigen Querlast ausgesetzt. Wie bei den Versuchen C2.3 ist die Belastung schrittweise ansteigend, beginnend bei einem Belastungsniveau von 0,2 Vmax und in jedem Schritt um 0,1 Vmax ansteigend.
2.3.4 Serie C2.5 – Konstante Zugbelastung und wechselnde Rissbreiten
Die Versuchsreihe C2.5 ist eine zusätzliche Prüfung für die seismische Qualifikation von Dübeln im Vergleich zu anderen Verfahren wie z. B. den Prüfungen der Kategorie C1 [11]. Das zyklische Belastungsprotokoll weist schrittweise zunehmende Rissbreiten auf, bis zum Erreichen einer Rissbreite von Δw = 0,8 mm geöffnet. In Übereinstimmung mit der Versuchsreihe C2.3 beträgt die maximale Rissbreite zur Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit Δw = 0,5 mm und zur Beurteilung der Eignung Δw = 0,8 mm.