1996: Neue Prozesse, neue Strategien

2016 feiern die BetonTage ihr 60-jähriges Jubiläum. Guter Grund für die Fachzeitschrift BFT International, den langjährigen exklusiven Medienpartner der führenden europäischen Branchenveranstaltung, einen Blick ins Archiv zu werfen und einige Stationen der Entwicklungsgeschichte noch einmal Revue passieren zu lassen. In den Ausgaben 10/2015 bis 01/2016 gehen wir auf die Jubiläumsjahre 1976, 1986, 1996 und 2006 ein und enden in der Ausgabe 02/2016 mit dem Tagungsband zu den jetzt also 60. BetonTagen. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Freude beim Eintauchen in die Vergangenheit. Den Organisatoren und Veranstaltern gratulieren wir zu ihrem Jubiläum und zu der Erfolgsgeschichte BetonTage!

Ende des Booms

Der Bauboom nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten BRD und DDR zur Bundesrepublik Deutschland ist nur sechs Jahre später, im Jahr 1996, auch schon wieder vorbei. Anfang der 1990er Jahre hatten viele Unternehmen der Bauindustrie, darunter auch Fertigteilwerke, ihre Kapazitäten ausgebaut, um von der wachsenden Nachfrage vor allem auf dem ostdeutschen Markt profitieren zu können. Jetzt müssen diese Kapazitäten wieder abgebaut und Mitarbeiter entlassen werden.

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung bei den erteilten Genehmigungen für den Neubau von Wohnungen: Nach dem Höhepunkt im Jahr 1994 mit 641.958 Genehmigungen für Gesamt-Deutschland schrumpft die Anzahl bis 1996 um rund 20 % auf 511.246. Im früheren Bundesgebiet beträgt der Rückgang sogar rund 34 %; abgemildert wird die Entwicklung lediglich durch die Lage in Ostdeutschland, wo sich die Anzahl der erteilten Genehmigungen 1995 und 1996 zunächst bei rund 165.000 einpendelt. Dieselben Tendenzen lassen sich zeitlich verzögert in Abbildung 3 ablesen, bei den Baufertigstellungen.

Globalisierung und
Preisdumping

Die Politik wirft der Bauwirtschaft vor, die Modernisierung ihrer Produktionsprozesse verschlafen zu haben. Sie verweist auf die USA und Japan, wo der Grad der Automatisierung schon höher ist. In den Niederlanden liegt der Anteil der Vorfertigung beim Wohnungsbau damals bei 80 % – doppelt so hoch wie in Deutschland.

Tatsächlich macht der deutschen Bauindustrie aber nicht nur die rückläufige Nachfrage auf dem heimischen Markt Sorgen. Die Globalisierung macht sich immer deutlicher bemerkbar. Auch die Fertigteilbranche klagt zunehmend über „Preisdumping“ und „Wettbewerbsverzerrungen“ durch internationale Konkurrenz.

Kaizen kommt

Prozess-Optimierung, Rationalisierung und Automatisierung – diese Themen beherrschen denn auch die Ulmer Betontage, die 1996 ihr 40. Jubiläum feiern. Das Motto des Kongresses: „Neue Prozesse – Neue Strategien“. Vorträge auf dem Programm: „Markterfolg durch Denken und Handeln in Prozessen“, „Kaizen – Prozessbeeinflussung in kleinen Schritten“ und „Konsequenzen des Prozessdenkens für die Zukunft.“

In einem Interview mit der BFT-Redaktion erklärt Dr.-Ing. Karl Hornung, damals Geschäftsführer des Fachverbands Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg und Organisator der Veranstaltung, was hinter dem Motto steckt: „Als Verband sehen wir zur Zeit ein Ziel darin, (…) neue Konzepte des hochtechnisierten Bauens zu entwerfen, damit unsere Technologien weiterzuentwickeln, unsere Produktionsstätten auszulasten, die Kosten des Bauens deutlich zu reduzieren und die Vorfertigung voranzutreiben. Das sichert die Zukunft, die Arbeit, Arbeitsplätze und auch Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Ländern.“

Text: Christian Jahn, M. A.