Bauingenieure gestalten die Zukunft
Architekten und Bauingenieure planen und bauen, sie gestalten und verändern die Welt oft positiv, leider manchmal auch negativ. Es gibt wohl keinen Beruf, der so umfassend in alle Bereiche des Lebens und der Technik eingreift und diese abdeckt wie der Beruf des Architekten und Bauingenieurs.
Sie planen und gestalten Wohnhäuser, Kindergärten, Schulen, Universitäten, Verwaltungs- und Bürogebäude, Theater, Konzertsäle, Krankenhäuser, Gefängnisse, Bahnhöfe, Flughäfen, Hotels, Fabriken und Produktionsstätten, Infrastrukturen wie Wasser-, Abwasser-, Strom-, Gas-, Öl-, Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetze sowie Häfen, Landebahnen und Energieanlagen wie Atom-, Wasser-, Kohlekraftwerke, Wind und Sonnenenergieanlagen.
Mindestens genau so interessant und vielseitig wie der Beruf ist auch das Studium der Bauingenieure und Architekten. Mit dem Abschluss ist die Ausbildung jedoch nicht beendet. Ein lebenslanges Lernen und Fortbilden bleibt auf Grund des ständigen Wandels dem Material, Technik, Technologie und Anforderungen unterworfen sind, stets notwendig.
Spätestens seit Stuttgart 21 erfreut sich der Beruf von Architekten und Bauingenieuren größter weltweiter Aufmerksamkeit. Die bisher überschaubare Anzahl an Architekten und Bauingenieuren wird durch ein neues Heer von Kindern, Schülern, Studenten, Hausfrauen, Pensionären, Männlein und Weiblein aus allen Schichten der Bevölkerung ergänzt. Sie sind urplötzlich „Experten“ in Sachen Bauen. Warum also ein jahrelanges Studium, praktische Berufserfahrung und Weiterbildung? Die anderen wissen es besser! Es ähnelt der Situation in einem Fußballstadion, bei dem Besucher und Fans im Zweifel alles besser wissen als Schiedsrichter, Trainer und Profi-Fußballer.
Es ist seltsam, wenn man über Gesundheit, Heilung und Operationen redet, wollen doch die meisten Patienten die beste und neueste Technik und Medizin. Sind auch hier in diesem Umfang Besserwisser und Autodidakten zu finden? Sicherlich nicht. In der Medizin verlassen wir uns überwiegend auf Rat und Tat der Mediziner und das ist gut so, denn Medizin und Chemie haben unsere Lebensqualität verbessert. So ist beispielsweise unsere Lebenserwartung gegenüber früheren Generationen deutlich höher. Hat nicht auch die Bauindustrie ganz wesentlich zu besserer Lebensqualität beigetragen?
All das stimmt doch ein wenig nachdenklich und zeigt, wie ich-bezogen Menschen sind.
Dieselben Stuttgarter, die heute Stuttgart 21 verteufeln, haben vor Jahrzehnten gegen die Weißenhofsiedlung, gegen den Bonatz-Bahnhof, die Liederhalle und gegen den Stuttgarter Fernsehturm protestiert. Heute sind diese Bauwerke geliebte Baudenkmäler. Man hat den Eindruck, dass man heute stolz auf alles ist, das man früher abgelehnt hat. Wie verkehrt ist doch diese Welt?
Architekten und Bauingenieure haben in den letzten Jahrzehnten lernen müssen wie sich ihre Bauwerke verändern, wie sie altern, ermüden und Schaden leiden. Wartung, Pflege, Reparatur und Ertüchtigung sind bereits heute, mehr als je zuvor, zentrale Themen bei der Planung. Die Beteiligten müssen sich der Herausforderung, robuste und dauerhafte Bauwerke zu planen und zu bauen, stellen. Um dieser immer wichtiger werdenden Forderung gerecht zu werden, wird eine Life-Cycle-Betrachtung für Bauwerke zukünftig unumgänglich sein.
Architekten und Bauingenieure von heute ergänzen, erweitern und verbessern die Qualität von Wohnen, Arbeit, Freizeit, Studium und Erholung. Bauen bedeutet aber auch, dass die Bauindustrie der größte Umweltsünder ist. Sie trägt am meisten zur Produktion von CO2 bei und verbraucht mehr als 50 % der Rohstoffe. Genau darin liegt aber die Chance für die Bauindustrie. Sie kann den größten Beitrag zur Reduzierung dieser negativen Belastungen leisten. Die entsprechenden Stichworte sind: Green-Bauprodukte, Green- und recycelte Baumaterialien, Energie-Plus-Häuser, Erzeugung von umweltfreundlichen Energien und die Verlegung von Straßen und Schienen unter die Erde, um Landschaften zu schonen.
Darüber hinaus stellen sich den Architekten und Bauingenieuren heute, bedingt durch die unterschiedlichen geografischen und demografischen Entwicklungen, neue Herausforderungen. Beispiele dafür sind der gewaltige Unterschied bei der Nutzungsdauer von Bauwerken in Japan (13 Jahre) und England (134 Jahre) oder die weltweit zunehmende Landflucht. Bereits heute leben mehr als 50 % der Weltbevölkerung in Städten. In nur 15 Jahren werden es bereits 60 % sein und dieser Anteil nimmt zu.
Diese Veränderungen erfordern gewaltige Anstrengungen auf allen Gebieten des Bauens. Architekten und Bauingenieure sind jedoch in der Lage für alle Lebens-, Arbeits- und Produktionsbereiche sowie für die Infrastruktur die notwendigen und richtigen baulichen Maßnahmen unter Berücksichtigung energetischer und umwelttechnischer Aspekte bereitzustellen. Dafür ist aber, gerade in Europa, eine größere Offenheit der Bevölkerung gegenüber Veränderungen notwendig. Auch die Politik und Verwaltung ist künftig gefordert, insbesondere bei Großprojekten, nach gründlicher Vorbereitung eine schnelle Umsetzung von Bauvorhaben voranzutreiben.
Die Welt außerhalb Europas verändert sich in Windeseile. Wenn unser Kontinent nicht zum bestaunten Museum verkommen will, müssen sich die Einstellungen der Europäer zu neuen Entwicklungen und Großprojekten grundlegend ändern. Das bedeutet aber auch, dass die Bevölkerung umfassend über diese neuen Planungen informiert werden muss und Vor- und Nachteile, aber auch Risiken offen kommuniziert werden müssen. Wie erfolgversprechend dieser Weg sein kann, hat die Umsetzung des Milliardenprojekts Gotthard-Basistunnel bewiesen.