Baustoff für den anspruchsvollen Hochbau
Die 18. Holcim Betontagung an der ETH Zürich befasste sich mit neuen Herausforderungen im Betonbau, wie hochfesten Stützen, modularer Bauweise sowie schlanken und vorgespannten Konstruktionen. Mit ausgefeilten Rezepturen, neuartigen Materialien und objektspezifischen Eigenschaften erfüllt Beton auch die höchsten Anforderungen eines anspruchsvollen Hochbaus.
Es wurden die wichtigsten Änderungen der Betonnormen über Bemessung, Ausführung, Baustoffe, Prüfungen und Erhaltung sowie der Merkblätter über nichtrostende Bewehrungsstähle, Recyclingbeton und AAR erläutert. Für die Überarbeitung und Ergänzung der Dokumente zu Brand/Feuer, Mindestbewehrung und Ermüdung sowie Vorfertigung, Faserbeton und Befestigungen werden derzeit Arbeitsgruppen gebildet.
Skelett für höchstes Hochhaus der Schweiz
Das Tragwerk des höchsten Hochhauses in der Schweiz, des kürzlich fertiggestellten Prime Towers in Zürich – 126 m hoch mit 36 Stockwerken (228.000 m³ umbauter Raum) – ist ein Betonskelettbau. Die im mittig liegenden Kern eingespannten Ortbetondecken in Dicken von 25 und 28 cm spannen 7,5 und 9,5 m zu den Fassadenstützen aus hochfestem Beton mit hohem Bewehrungsgrad. Die Kernwände in Ortbeton schwinden und kriechen stärker als die vorgefertigten Stützen, was bei der Ausbildung der 2,2 m dicken Bodenplatte auf 80 Betonpfählen berücksichtigt wurde.
Äußeres Kennzeichen des Turms ist seine grün schimmernde Glasfassade (21.000 m²). Die umfassende und wegweisende Nachhaltigkeit des Turms wurde durch das internationale Gütesiegel LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) in Gold ausgezeichnet.
Bauen im Bestand hat heutzutage eine große Bedeutung, wobei eine Erhöhung der Lebensdauer im Sinne der Nachhaltigkeit und des Werterhalts angestrebt wird. Textilbewehrter Spritzbeton hat sich für die Instandsetzung und Verstärkung von Stahlbetonbauwerken bewährt. Die textile Bewehrung ist nicht korrosionsanfällig und bedarf nur 3 mm Deckung. Da die Textilien in den feinen Spritzmörtel leicht eingedrückt werden, sind Spritzschatten wie beim Einspritzen von Stahlbewehrung ausgeschlossen. Mit dünnen Textilbetonschichten kann die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Stahlbetonbauteilen deutlich erhöht werden.
Ellipsoid mit Spritzbetonschale
Die Aktualität der Betonschalen wurde an der Kuppel des Shoppingcenters in Chiasso gezeigt. Dank ihrer doppelten Krümmung erlaubt dieses Bauteil große Spannweiten mit einer Betondicke von nur wenigen Zentimetern. Die bis zu 22 m hohe Betonschale des fünfstöckigen Shoppingcenters in Chiasso hat die Form eines bis zu 93 m langen und bis zu 52 m breiten Ellipsoids mit 10 bis 12 cm Wandstärke, aus bewehrtem Spritzbeton auf Holzschalung. Betonschalen sind eine wettbewerbsfähige und wirtschaftliche Lösung; auch lassen sich durch ihre Anpassungsfähigkeit architektonische Meisterwerke erfolgreich verwirklichen.
Der Bausektor leidet zuweilen darunter, dass sich Innovationen vergleichsweise langsam auf dem Markt durchsetzen so lange deren Tauglichkeit nicht nachgewiesen ist. Mit „Nest“, einem Forschungsprojekt der ETH Zürich und Lausanne sowie des Eidgenössischen Materialprüfamts Dübendorf (EMPA) entsteht zurzeit ein Zukunftslabor für Forschung und Technologietransfer im Bauwesen, ein umgestülptes Labor, bei dem die Forschung außen statt innen stattfindet. Ein Kern mit auskragenden Platten dient als Grundinfrastruktur für die 600 m² großen, durch Steigzonen erschlossenen Stockwerke, worin von der EMPA genutzte Wohn- und Büroräume eingerichtet werden. Um möglichst viele Erkenntnisse zu gewinnen, werden themenabhängig in den Räumen periodisch einzelne Komponenten erneuert oder ganze Einrichtungen zurückgebaut und durch neue Generationen ersetzt. Nest wird ein ständig im Wandel befindliches Gebäude sein, in dem immer wieder neue Konzepte unter realen Bedingungen auf ihre Praxistauglichkeit erprobt werden können. Dabei geht es unter anderem um die Gebäudehülle, Komfort, Energie, Wasserverbrauch, Automatisierung und neue Materialien.
Text: Dipl.-Ing. G. Brux