Expo 2020 Dubai – Österreichischer Pavillon
im Detail

Auf der aktuellen Weltausstellung, der Expo 2020 Dubai, sind insgesamt 192 Nationen mit ihren Pavillons auf dem 438 Hektar umfassenden Gelände in der Wüste vertreten. Teil des Ganzen ist auch der Pavillon der Republik Österreich, der eine nachhaltige Bauweise mit effizienten Technologien kombiniert.

Weltausstellungen sind seit ihrer Entstehung 1851 in London nicht nur Leistungsschauen der Industrie, sondern in vielfältiger Form auch Experimentierfelder für eine neue, wegweisende Architektur einschließlich ihrer Konstruktions- und Bauweisen. Auf der aktuellen Weltausstellung, der Expo 2020 Dubai, sind vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 insgesamt 192 Nationen mit ihren Pavillons auf dem 438 Hektar umfassenden Gelände in der Wüste vor den Toren der Stadt Dubai vertreten. Teil des Ganzen ist auch der Pavillon der Republik Österreich, der eine nachhaltige Bauweise mit effizienten Technologien kombiniert.

In einem zweistufigen, europaweit offenen Architekturwettbewerb erhielt querkraft architekten als Generalplaner aus Wien den Zuschlag für die Planung des Pavillons der Republik Österreich (Teamübersicht im Infokasten auf Seite 40). Baulich umgesetzt wurde der Pavillon von der international tätigen Baufirma Nüssli aus Hüttwilen in der Schweiz. Die rudimentäre, mit der lokalen arabischen Lehmbauweise verwobene Architektur verkörpert ebenso stark die Kunst der Fügung wie das Arrangement von Betonfertigteilen. Die Form eines jeden der 38 Bauelemente, welche das 2.400 m2 große Baufeld nahezu vollständig ausfüllen, geht auf die eines geometrischen Kegels zurück. Inspiriert von arabisch-archaischen Windtürmen und kombiniert mit zeitgemäßer Klimatechnik, ist er ein spielerisches Signal gegen die klimaschädigende Verschwendung. Die Silhouette des österreichischen Pavillons ist ein ikonographisches Erkennungszeichen. Alle Kegel sind baugleich und wurden aus 14 cm starken Stahlbetonfertigteilen hergestellt. Sie türmen sich in vier unterschiedlichen Höhen von 15, 12, 9 und 6 Metern. Jeder Kegelturm besitzt am Fuß einen Durchmesser von 8 m und der höchste besteht aus 4 Segmenten. Das unterste hat eine Höhe von 4 m, die Ausmaße der folgenden Segmente nehmen zunehmend ab.

Beton und Lehm zukunftsfähig kombiniert

Obwohl der Pavillon den optischen Eindruck einer freien Ansammlung unterschiedlicher Bauformen und -höhen sowie -größen macht, liegt der Konstruktion nur eine einzige Betonfertigteilkonstruktion aus vier sich immer wiederholenden Segmenten mit je zwei Ein- oder Ausgängen zugrunde. Ein und dieselben Fertigteile wurden verschieden hoch und jeweilig unterschiedlich in- und zueinander positioniert. Ineinander verschnitten aufgestellt – das Verbindungselement der Betonkegel besteht aus zwei simplen Gewindestäben – erwecken die Kegel, insbesondere wenn man sie aus der Innenperspektive und der der kleinen Innenhöfe betrachtet, den Eindruck eines dicht bebauten arabischen Stadtquartiers. Die äußere Optik wird von dem glattgeschalten und weiß gestrichenen Fertigbeton definiert. Der Gegensatz zur inneren erdfarbenen und rauen Lehmschicht hätte nicht kontrastreicher gewählt werden können. Nicht Bildschirme oder sonstige elektronische Medien zieren die Lehmwände, sondern eingeritzte Piktogramme mit darauf projizierten Animationen. Die Besucher befinden sich sozusagen in einer Höhle des New Age.

Harald Dosch, COO Special Projects der Nüssli Gruppe und verantwortlich für die bauliche Erstellung nicht nur des österreichischen, sondern auch der Pavillons von Deutschland, Luxemburg, Monaco, Kasachstan, Weißrussland und China sowie der Ausstellungen von Frankreich und Japan und zum Teil auch der Türkei, beschreibt den Entstehungsprozess wie folgt: „Die Architekten waren anfänglich ganz von der Idee begeistert, als lokales Baumaterial ausschließlich Stampflehm zu verwenden. Je weiter das Projekt jedoch in Richtung eines zeitgenössischen, funktionalen und wirtschaftlichen Nationenpavillons auf der Expo 2020 in Dubai entwickelt wurde, desto einleuchtender wurde es, dass das Bauwerk, auch aus genehmigungstechnischen Überlegungen, nicht vollständig aus Stampflehm bestehen konnte. Der Sprung vom sonnengebrannten Lehmbau zu einer Konstruktion aus Betonfertigteilen war dann naheliegender, d. h. zwingender, als mancher vermutet hätte. Denn die Betonkonstruktion erfüllt gleich mehrere Aufgaben in einem: erstens die Anforderungen der Statik als 14 cm starkes Trägermaterial für den auf den Innenwänden mithilfe eines Putzträgers in zwei Lagen aufgespritzten 4 cm dicken Lehmputz; zweitens den Brandschutz und drittens die wirtschaftlichen wie bautechnischen Voraussetzungen.“

Die Wahl fiel auf die Dubai Precast

Die große Herausforderung bestand zunächst in der Aufgabe, vor Ort in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Betonfirma zu finden, die diese Elemente in der Größe und Güte produzieren konnte. Die Wahl fiel schließlich auf die Firma Dubai Precast, die für die ersten Tests zwei Anläufe benötigte, da die geringe Wandstärke und die starke Krümmung Probleme aufwarfen. Die nächste Frage war, wie die Kegeltürme errichtet werden sollten – einer nach dem anderen oder Ebene für Ebene? Wegen der beengten Baustellenverhältnisse und den sehr dicht an dicht stehenden Türmen entschied man letztlich, dass mit dem Einsatz von Baukränen nur ein Kegel nach dem anderen komplett errichtet werden konnte. Was bedeutete, dass alle Betonfertigteile gemeinsam produziert werden mussten. Die äußerst dünne Schale von nur 14 cm und die gewölbte Form waren für den Lieferanten Dubai Precast eine Herausforderung. Mehrere Probeelemente waren notwendig, um die optimale Betonrezeptur zu finden und den Schalungsbau zu optimieren. Ob ein Kegel nun zwei oder vier Bauelemente hatte, war für den Bauprozess weniger relevant. Zum Aufbau der Kegel benötigte man neben den Kränen ein Innengerüst, das dann auch als das Putzgerüst für den inneren Lehmauftrag fungierte.

Die 0,8 t schweren Fertigbetonteile mit ihrem glatten, weißen Äußeren und dem innen aufgebrachten rauen Lehmputz geben ein eindrückliches Beispiel von thermischer Masse. Ein großer Kegel mit 15 m Höhe bringt somit ca. 60 t auf die Waage. Die Gründung erfolgte durch einfache Streifenfundamente, wobei die technische Herausforderung die Ausbildung der Fußpunkte war, da hier neben der konstruktiven Anforderung auch noch diverse Haustechnikleitungen integriert werden mussten. Der Lehmputz wurde als ein 100 % natürlicher Baustoff aus Saudi-Arabien importiert. Als Haftgrund dienten Strohmatten, eventuelle elektrische Leitungen wurden vor dem Aufspritzen des Lehms installiert. Die Trocknung dauerte rund zwei Wochen. Beim Pavillonabbau wird der Lehm einfach mit einem Wasserschlauch von den Wänden gewaschen. Der Baustoff kann dann sofort weiterverwendet werden. Allerdings gibt es aktuell (Stand Feb. 2022) noch keine Entscheidung, was den Lebenszyklus des Pavillons angeht. Zwei Möglichkeiten stehen im Raum. Im Gespräch ist entweder eine Nachnutzung mit Ab- und Wiederaufbau in Oman an der dortigen German University of Technology. Oder der Pavillon bleibt auf dem Gelände stehen und wird an die Expo-Organisatoren übergeben. Dafür würde die Expo das Gelände übernehmen und zudem würden alle Installationen und Techniken des Pavillons ab- bzw. ausgebaut.

Harald Dosch, der mit Nüssli bereits zahlreiche Pavillons auf den vorangegangenen Weltausstellungen errichtete, lobt die markante Architektur und pragmatisch-robuste Bauweise des österreichischen Pavillons ausdrücklich: „Österreich ist mit seinen Pavillons auf den letzten Weltausstellungen immer sehr konsequent und konsistent vorgegangen. Denken Sie an „Breathe.Austria“, den Wald in Mailand 2015, wo schon nach der Maxime „Ausstellung ist Bauen und Bauen ist Ausstellung“ vorgegangen wurde. Die jeweilige Botschaft ist immer griffig und leicht zu verstehen. Allerdings, was einfach aussieht, ist auch nicht immer leicht zu bauen. In Dubai handelt es sich um besonders geometrisch und konstruktiv einfache und schnell zu erfassende Bauformen. Weder tausend Beamer noch z. B. eine 100  m lange LED-Wand zieren den Pavillon, sondern Low-Tech vom Feinsten. Es sind die Atmosphäre und das Innenklima, welche zählen. Sozusagen eine Oase der Ruhe im Gegensatz zu dem ganzen Trubel auf dem restlichen Expo-Gelände. Die Toleranzen sind gewaltig. Im Pavillon von Österreich benötigte man, ganz im Gegensatz zu fast allen anderen auf der Expo, keine Mediengestalter, sondern vorrangig Bauingenieure.“

Frischer Wind in Österreichs Pavillon

Die steil aufragenden und zum Teil oben offenen (nachts wird die abdeckende Plexiglasscheibe zwecks Auskühlung geöffnet) Kegel kontrastieren mit den begrünten Innenhöfen und Zwischenräumen. Schattenwirkung, weiße Außenwände und Begrünung sind als komplementäre Elemente der arabischen Bautradition klar erkennbar. Ein nachhaltiges low-tech Klimakonzept, das laut den Architekten bis zu 70 % weniger Energie für die Kühlung bedarf, wird schon optisch durch die Kaminwirkung der Beton-Lehm-Türme suggeriert. Die beständige natürliche Luftzirkulation im Inneren – nach dem Prinzip des arabischen Windturms – wird durch die oben offene Kegelform begünstigt. Ein leichter Luftzug und schon nimmt man die angenehme Kühle wahr, wobei der Ausstellungsbereich vollkommen ohne Kühlaggregate auskommt und ausschließlich auf eine natürliche Klimatisierung setzt. Gleich dem thermischen Konzept der arabischen Windtürme, wo das Luftvolumen in einer Stunde bis zu 15-fach wechselt, wird konstant ein Raumklima erreicht, das 5 bis 10 °C unter dem der äußeren Umgebung liegt. Bei Außentemperaturen von bis zu 38 °C im Schatten werden von den Besuchern bereits leichte Temperaturabsenkungen um wenige Grad als äußerst wohltuend aufgefasst. Harald Dosch erkennt darin ein Prinzip, das im Mittleren Osten durchaus öfter in unterschiedlichsten Anwendungen praktiziert werden sollte. Nur müssten dann nach seiner Meinung die Betonfertigteile noch massiver ausfallen, denn „klimatisch, aber auch rein anwendungstechnisch platzt bei einer dünnen Bauweise der Beton leichter ab, z. B. wenn gedübelt wird. Daher sollten die Kegel mindestens 20 cm an Stärke aufweisen.“

Bei aller Konsequenz in der architektonischen und konstruktiven Umsetzung ist dennoch ein kleiner Wermutstropfen zu verzeichnen: Die Küche, Lager- und Haustechnikräume wurden auf der Grundstücksrückseite als konventionelle orthogonale Stahl-Sandwich-Konstruktion errichtet. Wände und Decken in die Kegel einzuziehen, hätte einen zu hohen baulichen Aufwand bedeutet. Folglich ist der österreichische Pavillon vorrangig als eine Großskulptur zu betrachten mit einem sich daraus ergebenden limitierten funktionalen Nutzen. Der Pavillon ist das glatte Gegenteil einer Event-Maschine, eher eine klösterliche Konstruktion mit Rückzugsräumen der Stille und Abgeschiedenheit. Die Radikalität in der Formensprache, die Direktheit und Natürlichkeit der Bauweise und die Schlichtheit der Räume innen wie außen sind auf das Feinste miteinander abgestimmt und aufgewogen. Angesichts mancher oberflächlicher, belangloser und verflachter Bauten auf der Expo 2020 Dubai weht ein frischer Wind durch Österreichs Pavillon.

Beteiligung am Projekt
Austria makes sense“ im Überblick

Generalplaner: querkraft architekten

Kuratorenteam: büro wien, Ars Electronica Solutions

Grafik: Bleed Vienna – Astrid Feldner und Marc Damm

Projektsteuerung: Werner Consult ZT GmbH

Statik: Werkraum Wien – Peter Resch

Bauphysik: IPJ – Ingenieursbüro P.Jung – Peter Holzer

Grünraum: Green4Cities – Lisa Enzenhofer und Bernhard König

Modell: Gerhard Stocker Modellwerkstatt

Visualisierung: Patricia Bagienski

Landschaftsarchitektur: Green4Cities GmbH und Kieran Fraser Landscape Design e.U.

Lichtplanung: Pokorny Lichtarchitektur

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