Fertigteile am Ground Zero [Video]

Ein eingeschossiges Funktionsgebäude bildet den südlichen Abschluss des New Yorker World Trade Center-Areals. Auf seinem Dach befindet sich mit dem Liberty Park ein frei zugänglicher Dachgarten mit großformatigen Pflanztrögen aus Hochleistungsbeton.


Der Name „Liberty Park“ bezieht sich auf die heutzutage nur noch rudimentär bestehende Querstraße „Liberty Street“ in unmittelbarer Nachbarschaft. Eine symbolische Anspielung auf die 9/11-Anschläge und den Kampf für freiheitlich-demokratische Werte gibt es also nicht. Obwohl das nahezuliegen scheint, denn der „Liberty Park“ befindet sich auf dem Dach eines eingeschossigen Funktionsgebäudes, das den Abschluss des New Yorker World Trade Center-Areals bildet, in Sichtweite des 9/11-Memorial.

Der fensterlose und trotz seiner Eingeschossigkeit immer noch knapp 10 m hohe Bau bildet das logistische Zufahrtstor zum gesamten World Trade Center-Areal. Er ist ein sogenanntes VSC, ein Vehicular Security Center, über das die gesamte Logistik der dazugehörigen Gebäude abgewickelt wird. Jedes Fahrzeug, gleich ob Pkw oder Lkw, das zu einem der umgebenden Hochhäuser oder zum Memorial Museum anliefern möchte, muss dort einfahren.

Autobombensicher

Ankommende Fahrzeuge werden wie Koffer auf einem Flugplatz komplett gescannt, fahren im Anschluss eine integrierte Rampe hinab und gelangen in ein weitläufiges Parkhaus, das alle dazugehörigen Einheiten versorgt.

Da sich in unmittelbarer Nähe zu dieser Scaneinheit und der Untergeschossabfahrt die Tunnelröhre der New Yorker Subway-Linie R und der Halt „Cortlandt -Street“ befinden, mussten diese drucktechnisch vor den Auswirkungen einer im Scanbereich explodierenden Autobombe geschützt werden. Dazu wurden die betreffenden Kellerwände und Stützen mit einem mikrobewehrten Hochleistungsbeton des deutschen Herstellers Ducon bekleidet. Seine Betonfertigteile bestehen aus einem selbstverdichtenden, feinkörnigen Mörtel mit ­einer hochduktilen, also sehr dehnbaren, Stahleinlage. Diese im Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit ausgesprochen dünnen Elemente (es kamen 10 cm starke Wandelemente zum Einsatz, die jedoch dem Beschuss eines Panzers standhalten) werden mit einem gewissen Abstand vor der zu schützenden Wand errichtet. Im Explosionsfalle vernichtet das Produkt durch Verformung die auftretende kinetische Energie und gibt so den Impuls nicht an die Subway-Röhre weiter. Die Ducon-Technologie stellte die dünnste bautechnische Lösung bei gleichzeitig hoher Schutzwirkung dar, wodurch bei beengten Platzverhältnissen sensible Bauteile effektiv geschützt wurden.

Während in herkömmlichen Wandstärken das Produkt ausgesprochen explosionssicher ist, können mit Ducon erstellte Betonfertigteile, bedingt durch die Duktilität, auch ausgesprochen dünn und damit sehr leicht ausgelegt werden. Diesen Vorteil nutzte der Eigentümer des WTC-Areals, die Port Authority of New York and New Jersey, für das Dach des Vehicular Security Centers.

Zehnjährige Planung

Gonzalo Cruz, Principal Architect bei AECOM, hat das Projekt vor gut zwei Jahren von seinem Vorgänger Joe Brown übernommen, als dieser in den Ruhestand ging. Diesen bezeichnet er als den städtebaulichen Generalplaner des WTC-Areals, denn AECOM ist für die gesamte städtebauliche Infrastruktur, also für alle Gehwege und Straßen außerhalb des eigentlichen Memorials planerisch verantwortlich. Cruz kann es selbst kaum glauben, dass das Büro schon seit mehr als zehn Jahren ein Projekt bearbeitet, das weniger als 0,5 ha umfasst. Als planerisches Problem stellte sich das als geheim eingestufte Gebäude darunter dar. Generell musste die Dachkonstruktion nicht stützenfrei ausgeführt sein, dennoch wurde so oft die Sicherheitsschleuse modifiziert, dass immer wieder die Parkplanung korrigiert werden musste. Denn alles, was auf dem Dach geschah, war den Sicherheitsinteressen unterzuordnen.

Eine stützenfreie Schuhschachtel zu bauen, wäre die einfachste Lösung gewesen, aber genau das wollten die Planer nicht. Von Anfang an war es die Idee, mit dem Landschaftsprojekt eine fußläufige Verbindung zwischen der Subway-Haltestelle „Cortlandt Street“ und der Shopping-Mall Brookfield Place zu schaffen. Senkrechte Gebäudewände hätten diesen Gedanken regelrecht „­blockiert“. Tatsächlich war das erste Konzept einem Hügel nachempfunden, der zwei sanft ansteigende Hänge besitzt – einer fällt nach Südosten ab und der andere wendet sich nach Norden hin zum 9/11 Memorial Park.

Michael Arad, Architekt des 9/11-Memorial, begrüßte die Idee eines weichen Grünabschlusses sehr. Zudem ­wurde mit dem Liberty Park auch eine balkonartige ­Passage geschaffen, die einen erhöhten Blick auf den Gedächtnispark gewährt.

Parkanlage

Brandon Capellari, zuständiger Landschaftsplaner und technischer Leiter bei AECOM, erläutert, dass die Dachfläche keine ebene Fläche ist, sondern eine Abfolge von Hochpunkten. Diese bilden kleine Fixpunkte, die durch die Grünanlage führen. Fließend sind die Übergänge von den Zugangsrampen zu den leicht geneigten Wegen des knapp 90 m langen und rund 30 m breiten Parks. Kleine Niveauunterschiede werden mit ein bis drei Stufen überbrückt, können aber immer auf alternativen Routen barrierefrei überwunden werden.

An den gut 10 m über Straßenniveau liegenden Park schließt sich eine geschlossene Fußgängerbrücke zu dem erwähnten Einkaufszentrum an.

Geprägt ist der Dachgarten von vier in ihren Ecken spitz zulaufenden Grüninseln, sogenannten „Planters“. Dazwischen haben die Landschaftsplaner freistehende Bäume wie zufällig platziert, nicht zuletzt als Schattenspender. Eingefasst sind sie von subtil an Bootskörper erinnernden, sich in ihrer Dimension stetig verändernden Bankelementen. Deren Grundkörper bestehen ebenfalls aus Ducon-Sichtbeton.

Freischwinger-Konstruktion

Die Konstruktion der Bänke musste nicht nur leicht, sondern auch erdbebensicher sein, da New York als erdbebengefährdet gilt. Dr. Stephan Hauser, Geschäftsführer von Ducon, erläutert, dass die Bankelemente einen ­Momentenverlauf wie ein Freischwinger-Sessel besitzen. Ihre Wandstärke beträgt lediglich 5 cm, es sind quasi selbsttragende Betonhüllen. Deren Bewehrung variiert zwischen 14 und 22 Lagen eines 1 mm starken Drahtgittergewebes mit unterschiedlichen Maschenweiten. Dabei wurden die Quer- und Längsdrähte immer alternierend aufgelegt, sodass der selbstverdichtende Mörtel ohne Abstandhalter kraftschlüssig dazwischenfließen konnte. Der Abstand dieser dreidimensionalen Drahtgitterkörbe zur Schalung beträgt weniger als 10 mm und wird mit eigens entwickelten Abstandhaltern erreicht.

Unter der Sitzfläche sind Hartschaumkörper angeordnet, die bei der Herstellung in Deutschland als verlorene Schalung dienten, bei der Verschiffung nach Übersee als Transportschutz und nach der Montage als Füllkörper. Sie verhindern, dass die Pflanzenerde, mit der die Planter bis zur Oberkante der Rückenlehne aufgefüllt sind, sich bis unter die Betonelemente erstreckt. Dies hätte den gewonnenen Gewichtsvorteil zunichte gemacht.

Viel Aufwand brachten die spitz zulaufenden Kantenformen mit sich. Auch ruhen diese „Grünflächenbegrenzungen“ nicht auf einer gleichmäßigen Rohdecke, sondern lediglich auf einem 30 cm breiten Fundamentstreifen, der teilweise auch noch vertikal verspringt.

Bei der Produktion der insgesamt 120 Bankelemente in Ducon-Technologie kam Weißzement der Dyckerhoff AG zum Einsatz. Dieser weist zwar mit 100 N/mm² eine geringere Druckfestigkeit auf als der eigens von Ducon entwickelte Graubeton, der 135 N/mm² erreicht. Allerdings erzielt die Verbindung mit der engmaschigen Bewehrung eine Belastbarkeit von mehr als 140 N/mm² und gilt trotzdem als Ultra-High-Performance-Concrete (UHPC). Der Weißzement ist zusammen mit der abschließenden Oberflächenbearbeitung Hauptbestandteil für die monolithische Erscheinungsform der Elemente. Für die abschließende Versiegelung wurden die Betonbauteile zunächst leicht angeschliffen und angesäuert, um sie mit einem Graffitischutz zu imprägnieren.

Spannschnüre und Betonkosmetik

Etwa die Hälfte der Fertigteile wurde bei einem US-amerikanischen Kooperationspartner erstellt. Da die Architekten die gesamte Planung nicht auf Basis eines 3D-Modells, sondern mit einem 2D-Modell am Computer entwickelt haben, half man sich zur handwerklichen Erstellung der Schalungen aus beschichtetem Sperrholz mit dem Spannen von Schnüren entlang der mutmaßlichen Kanten, um die exakten Schnittpunkte im Raum zu ermitteln.

Problematisch waren in der Ausführung das Aufeinandertreffen zulässiger Rohbautoleranzen und die fugenlose Ausführung. Obwohl die Teile quasi mit einer gegen Null gehenden Toleranz erstellt wurden, ging es nicht ohne Betonkosmetik. So wurden die unvermeidlichen Stöße beigespachtelt und die zum Einheben der Bauteile notwendigen Ankerlöcher mit Betonpfropfen identischer Farbe verschlossen, die vor Ort von Hand angemischt wurden.

Gebrauchtes Teakholz

Für die Sitzflächen wurde Recycling-Teak aus Indone­sien verwendet; bei diesem auch „altes Teak“ genannten Material handelt es sich um eine Zweitverwendung des langlebigen Tropenholzes. Die Architekten entschieden sich dafür wegen des nachhaltigen Projektansatzes wie auch wegen seiner Wartungsfreundlichkeit. Das Holz wird weder lasiert noch lackiert und nimmt mit den Jahren eine silbrige Patina an; diese Oberfläche ist die gewünschte Erscheinung.

Die extensiv angelegten Grünflächen werden künstlich bewässert und sind von ihren Betoneinfassungen mit einer Antiwurzelfolie und einem wasserabführenden Geotextil ausgekleidet, daran schließt sich ein klassisches Drainage­system an. Im Bereich der innerhalb dieser Pflanzinseln platzierten Bäume beträgt die Substrattiefe knapp 1 m, dort, wo nur Bodendecker angelegt wurden, arbeiteten die Landschaftsplaner mit zusätzlichen Hohlkörpern, die sie auch unter dem Substrat anordneten.

Changierende Betonsteine

Die Gehwege wurden in Betonsteinen angelegt. Es gibt in Ost-West-Richtung verlaufende, weiße Bodenlinien, die durch breitere graue Felder getrennt sind. Aufgefüllt wurden diese mit Gehwegsteinen in zweierlei Grautönen nach dem Zufallsprinzip. Die Architekten wollten damit insbesondere bei schlechtem Wetter eine lebendigere Oberfläche schaffen, an einem strahlenden Sonnentag tritt der Effekt hingegen stark zurück.

Ebenfalls auf dem Dach des VSC entsteht derzeit unmittelbar im Anschluss an den Park die Liberty Church, ein griechisch-orthodoxer Kirchenbau nach den Plänen von Santiago Calatrava. Tatsächlich stand an gleicher Stelle ein Vorgängerbau, der bei den Terrorangriffen am 11. September 2001 ebenfalls zerstört wurde. Obwohl das Design prinzipiell eine planerische Einflussnahme des spanischen Architekten nahelegte, haben beide Projekte nur einen schmalen Übergangsbereich und die Tatsache gemein, dass auch der Kirchenbau ausgesprochen leicht auszuführen ist.

Die zerstörten Twin Towers standen nicht unmittelbar an der Liberty Street, vielmehr befand sich am Standort des neuen Parks das Hochhaus der New Yorker Niederlassung der Deutschen Bank. Dieses stürzte zwar nicht bei den Terrorangriffen ein, wurde aber durch den Trümmerwurf so in Mitleidenschaft gezogen, dass es nicht mehr zu halten war. Dr. Stephan Hauser gewinnt dem Projekt am Liberty Park auch einen augenzwinkernden Aspekt ab: „Dort, wo einst die Deutsche Bank stand, stehen jetzt deutsche Bänke!“

Der Text ist eine Vorschau auf das Jahrbuch Beton Bauteile 2017 (ISBN 978-3-7625-3676-5), das ab 01. Dezember 2016 unter www.profil-buchhandlung.de und im ört­lichen Buchhandel erhältlich ist.

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