Forschung zum Anfassen in Épernon
Kleine und mittelgroße Unternehmen können kaum zeit- und kostenintensive Forschungsprojekte mit eigenen Mitteln umsetzen. Deshalb ist es ein Segen, dass es in vielen Ländern gemeinnützige Forschungseinrichtungen gibt. Teilweise vom Staat und von der Industrie finanziert, setzen sie Projekte von allgemeinem Interesse oder im Auftrag von einzelnen privatwirtschaftlichen Unternehmen um. In Frankreich ist das Centre d’Etudes et de Recherches de l’Industrie du Béton (Cerib, s. S. 63 „Cerib – das Unternehmen“) seit Jahrzehnten die erste Adresse, wenn es um anwendungsorientierte Forschung für die Betonindustrie geht.
Am 07. Juli 2015 lud Cerib erstmals zum „Expertise & Construction“-Tag (Expertise und Bauwesen-Tag) nach Épernon ein, einem rund 80 km südwestlich von Paris gelegenen Vorort der französischen Hauptstadt. Die Veranstaltung soll ab jetzt einmal jährlich stattfinden und die Beteiligten der Beton- und Bauindustrie zusammenbringe – in diesem Jahr konnte der neue Cerib-Präsident Philippe Gruat rund 300 Vertreter von Wissenschaft, Industrie und Medien begrüßen. In einem Konferenzsaal werden die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte in Vorträgen vorgestellt – in diesem Jahr gab es Vorträge unter anderem zu einer neuen Einrichtung zum Testen der Feuerbeständigkeit von Beton-Lüftungsschächten und zur neuen Réunion Island Coastal Road (Réunion-Küstenstraße). Auf dem Außengelände präsentieren vornehmlich Unternehmen der Zulieferindustrie der Beton- und Betonfertigteilindustrie, ihre Produkte und Dienstleistungen – in diesem Jahr unter anderem Adler, Bianchi/Marcantonini, IAB Weimar, Quadra, Ecofrog, Würschum, Kniele, BSC Béton Stone Consulting, Omya oder Tekla. Und schließlich sind für die Besucher alle Labors und Forschungseinrichtungen geöffnet und die Cerib-Mitarbeiter stehen Rede und Antwort.
Good vibrations
Der geführte Rundgang über das rund 7 ha große Cerib-Gelände begann beim Brandschutz-Labor. Neu ist eine Vorrichtung, in der die Beständigkeit von Lüftungsschächten aus Beton unter Feuer- und Druckeinwirkung getestet werden kann. Im benachbarten Labor werden Bruchtests an konstruktiven Fertigteilen durchgeführt; unter anderem wurden für das Mucem-Museum in Marseille UHPC-Fertigteile in einer 600 t-Presse getestet. In den folgenden Labors werden Schall- und Wärmeleitfähigkeit von Materialien untersucht beziehungsweise mit Elektronen-Mikroskop und Laser-Diffraktometer die Zusammensetzung von Materialien und ihr Verhalten unter Temperatur- und Druckeinwirkung analysiert.
Auf großes Besucherinteresse stießen beim Rundgang die Einrichtungen, in denen im Auftrag der Industrie neue Maschinentechnik und Produktionsverfahren getestet werden. Unter anderem war dort das von Cerib-Mitarbeitern entwickelte Rüttelsystem für Steinfertiger, Vibritys, ausgestellt. Das Besondere an dem System: Vibritys arbeitet mit Subwoofern, also Lautsprechern, die mit Schallwellen Rüttelenergie auf die Form übertragen. Die Vorteile laut Cerib: Die Energie wird sehr gleichmäßig auf die gesamte Form und den gesamten Beton übertragen. Außerdem muss dem Rüttelsystem selbst verhältnismäßig wenig Elektroenergie zugeführt werden; der Betreiber, das Betonwerk, kann also Energie einsparen.
Beim Tag der offenen Tür zeigte das Cerib sowohl den Prototypen und ein fertiges System, bereits eingebaut in einen Steinfertiger des Maschinenherstellers Adler. Auf einem Tisch vor der Adler-Maschine waren drei Hohlblocksteine ausgestellt, einer davon hergestellt mit dem Steinfertiger. Laut Cerib-Mitarbeiter und Entwickler Kais Mehiri ist das Ergebnis gut. „Einige kleinere Verbesserungen am Rüttelsystem können und wollen wir dennoch in der nächsten Zeit vornehmen“, so Mehiri. Unter anderem will er gern größere Subwoofer in das Rüttelsystem einbauen. Dazu müsste allerdings ein größerer Raum für das Rüttelsystem unterhalb der Form bereitgestellt werden.
Neben dem Steinfertiger verfügt Cerib auch über eine Beton-Mischanlage von Kniele, mit der Betonmischungen entworfen und analysiert werden. Die Anlage verfügt über eine Zuschlagdosierung von Würschum, eine Dosiervorrichtung für Fasern von Incite und Feuchtesonden von Bikotronic und Hydrostop.
CONTACT
Centre d’Etudes et de Recherches de l’Industrie du Béton (Cerib)
1 rue des Longs Réages
28233 Épernon/France
+33 23718 4800
Cerib – das Unternehmen
Das Centre d’Etudes et de Recherches de l’Industrie du Béton (Zen-trum für Studien und Forschung für die Betonindustrie, Cerib) wurde 1967 auf Anregung der Fédération l’Industrie du Beton (Föderation der Betonindustrie, FIB) vom Industrieministerium sowie vom Wirtschafts- und Finanzministerium Frankreichs gegründet. Cerib hat seitdem seinen Sitz in Épernon, rund 80 km südwestlich von Paris gelegen.
Cerib verfolgt die folgenden Ziele: Förderung des technischen Fortschritts in der Betonindustrie; stetige Verbesserung der Produktqualität; Steigerung der Produktivität in der Branche; Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.
Cerib bietet Dienstleistungen in den Bereichen Forschung, Kalkulation und Expertise, Metrologie, Weiter- und Fortbildung sowie Produktzertifizierung. Im Bereich Forschung, Kalkulation und Expertise liegen die Schwerpunkte bei nachhaltiger Entwicklung (22 %), Brandschutz (27 %), Betontechnologie (17 %), Dimensionierung von Strukturen (13 %), Normierung, Zertifizierung und Qualitätsmanagement (5 %) sowie Technologietransfer und Wissensmanagement (16 %).
In den Labors, Forschungseinrichtungen und in der Verwaltung auf dem rund 7 ha großen Gelände waren 2014 165 Mitarbeiter beschäftigt.
Cerib verfügt derzeit über ein jährliches Budget in Höhe von 20,8 Mio. Euro. 50 % der Mittel erhält Cerib vom französischen Staat; 50 % der Mittel akquiriert Cerib über Forschungsaufträge der Industrie.