Gehbelag aus Carbonbeton für Brückenbauwerke
Das Remstal ist ein knapp 80 km langes Flusstal, das östlich von Stuttgart liegt. Von Mai bis Oktober 2019 fand die erste interkommunale Landesgartenschau statt. In diesem Zusammenhang wurden in den Gemeinden Urbach und Weinstadt drei Fuß- und Radwegbrücken in integraler Bauweise errichtet. Integral bedeutet in diesem Fall, dass ein hölzerner Brückenkorpus monolithisch mit Betonwiderlagern verbunden ist.
Die lichte Öffnungsweite der Brückenspannweite liegt zwischen 16 und 38 m. Obwohl ursprünglich Holz als Material für den Gehbelag im Gespräch war, entschieden sich die Planer bei den drei Brücken letztendlich für einen ganz anderen Baustoff: Carbonbeton.
Innovation in allen Details
Bei diesem Beton wird nicht, wie sonst üblich, mit Stahl, sondern mit Carbon bewehrt. Dies bringt zahlreiche Pluspunkte mit sich. Die Vorteile von Carbonbeton gegenüber Holz: Zum Beispiel kann es bei Regen passieren, dass Holz rutschig wird. Die Oberfläche von Carbonbeton hingegen bleibt griffig. Und Holz saugt sich bei Nässe mit Feuchtigkeit voll, was bei Carbonbeton nicht passiert.
Die Vorteile von Carbonbeton gegenüber herkömmlich armiertem Beton: Anders als Stahl rostet Carbon nicht. Dies hat zur Folge, dass die Betonüberdeckung wesentlich dünner ausfallen kann, womit sich auch das Gewicht der einzelnen Elemente reduziert. Zusammen mit den bis zu sechsmal höheren Festigkeiten im Vergleich zum Bewehrungsstahl bietet dieser innovative Baustoff also neue Gestaltungsmöglichkeiten bei der Planung von filigranen Elementen.
Um beim Thema Carbonbeton gut beraten zu werden und die hierfür erforderlichen Baustoffe in höchstmöglicher Qualität zu erhalten, wandten sich die Planer an die Firma Solidian. Das Unternehmen hat sich auf das Thema Textilbeton spezialisiert und stand den Ingenieuren bereits bei anderen Projekten hilfreich zur Seite.
Gute Beratung und Zusammenarbeit
Gemeinsam legten sie fest, dass die Gehschicht in Form von Fertigteilelementen aufgebracht wird. Sie bestimmten, dass die Betonfertigteile 2,40 m breit und 8,00 m lang sein und eine Dicke von nur 7 cm aufweisen sollten.
Zudem entschieden sie, dass die Platten mit Solidian GRID, einem epoxidharzgetränkten Carbongitter (Q95/95-CCE-38), bewehrt werden. Dieses bietet der Hersteller in den maximalen Abmessungen 1,2 m x 5,0 m oder als Rollenware an, wobei er bei den Öffnungsweiten voll und ganz auf die Anforderungen des Kunden eingeht. Darüber hinaus fertigt Solidian auch dreidimensional geformte Bewehrungen, die Solidian optimal auf die Wünsche des Kunden angepasst. Auch diese kamen bei den Brücken im Remstal zum Einsatz.
Zustimmung im Einzelfall
Da carbonbewehrter Beton nicht unter die eingeführten technischen Baubestimmungen fällt und keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung hat, ist (derzeit noch) die Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Und auch in diesem Zusammenhang standen die Mitarbeiter der Firma Solidian den Stuttgarter Ingenieuren zur Seite. Dabei gelang es den Verantwortlichen die Zustimmung lediglich auf Grundlage von Erfahrungswerten und vorhandener Bemessungsmodellen zu erlangen, wobei die Gutachten des Instituts für Massivbau der der RWTH Aachen sehr hilfreich waren.
Versuche mussten nicht durchgeführt werden – was in Deutschland bisher einmalig ist. Dies sparte Kosten und verkürzte die Zeit, die für die Zustimmung erforderlich war. Die Lebensdauer der Stuttgarter Brücke kann auf ca. 80 Jahre veranschlagt werden. So können die Bewohner und Urlauber des Remstals sie also noch sehr lange nutzen.
Text: Dipl.-Ing. Claudia El Ahwany