Jubiläum: Vom Wüstentraum zur Wirklichkeit
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind für viele ein Inbegriff der Superlative, des Wirtschaftsbooms und des Fortschritts. In den 2000er Jahren gab es einen regelrechten Ansturm ausländischer Firmen auf die Region. Allerdings schätzten nicht wenige die Herausforderungen und Rahmenbedingungen des Markts falsch ein. Und daher ist es keine Selbstverständlichkeit, wenn die Filiale einer internationalen Firma dort ihr zehnjähriges Bestehen feiert, so wie Ha-Be Middle East das jetzt tut. Im Gespräch mit Anne Sander, Marketing und Kommunikation bei Ha-Be, berichten Ulrich Meyer, Klaus Hofmann und Marcel Paulisch über den Aufbau der Filiale, die betontechnologischen Besonderheiten des Markts und die eindrucksvollsten Projekte der Firma.
Sander: 2006 wurde die Ha-Be Middle East FZE als Tochtergesellschaft der Ha-Be Betonchemie GmbH & Co. KG gegründet. Wie findet eine solche Gründung statt?
Meyer: Zunächst haben wir eine Marktanalyse erstellt und die Chancen und Risiken abgewogen. Auf der einen Seite haben wir die großen Potenziale gesehen, auf der anderen Seite aber auch die abschreckenden, marktüblichen Zahlungsziele der Kunden und die damit verbundene erforderliche Liquidität. Zunächst kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir uns aus dem Markt lieber raushalten. Kurz nach diesem Entschluss erhielt ich allerdings eine Anfrage zweier Araber, die uns im Internet entdeckt hatten und mit uns kooperieren wollten. Die beiden hatten begonnen, eine Produktionsstätte zu bauen und suchten einen Partner, der den technischen Input leisten konnte. Nachdem wir uns einig waren, dass wir mit einem beschränkten finanziellen Risiko als Partner einsteigen konnten, haben wir zugestimmt.
Sander: Wie haben Sie die ersten Mitarbeiter gefunden?
Meyer: Björn Mordhorst war unser „Mann der ersten Stunde“. Er arbeitet übrigens noch immer für Ha-Be und ist heute in Deutschland als Prokurist und Vertriebsleiter Mitglied der Geschäftsleitung.
2006 war er zunächst bei uns und zusätzlich bei einem anderen Unternehmen beschäftigt. Als die Gründung der Ha-Be Middle East perfekt war, hat er sich glücklicher Weise entschieden, ausschließlich für uns zu arbeiten.
Sander: Wie viele Mitarbeiter hat die Ha-Be Middle East heute?
Hofmann: Momentan arbeiten 40 Mitarbeiter aus acht verschiedenen Nationen für uns.
Sander: Was sind die Herausforderungen, wenn so viele verschiedene Nationen zusammenarbeiten?
Hofmann: Wir haben Mitarbeiter aus Ägypten, Bangladesch, Deutschland, Indien, Kamerun, Nepal, Pakistan und den Phi-lippinen. Wir verständigen uns grundsätzlich auf Englisch, was auch sehr gut funktioniert.
Allerdings haben alle Nationen unterschiedliche Geschäftsstandards, verschiedene Wertauffassungen und kulturelle Besonderheiten. Das Arbeiten in solch einem multikulturellen Team erfordert daher ein hohes Maß an Toleranz und Sensibilität für andere Ansichten und religiöse und kulturelle Gebräuche.
Sander: Wie äußern sich diese kulturellen Unterschiede?
Paulitsch: Das ist pauschal schwierig zu sagen. Meistens äußern sich die Unterschiede in speziellen Riten und Praktiken. Ein beeindruckendes Erlebnis war das indische Lichterfest Diwali. Ich habe miterlebt, wie zu dieser Feier in einem Betonwerk die kompletten Prüfwerkzeuge und Geräte geschmückt wurden. Bei diesem Fest werden der Glücksgott und die Göttin des Wohlstands und Reichtums geehrt. Damit sie nicht am eigenen Unternehmen vorbeigehen, wird es entsprechend aufwendig geschmückt.
Sander: Sie sind nun schon seit einiger Zeit vor Ort. Wie würden Sie die Unterschiede zwischen der arabischen und der deutschen Kultur beschreiben?
Hofmann: Die Emiratis und Araber sind sehr höfliche, warmherzige und gastfreundliche Menschen. Es ist dort sehr wichtig eine persönliche Beziehung zu potenziellen Geschäftspartnern aufzubauen. In Deutschland stehen „Problem und Lösung“ im Vordergrund. Eine solche Fokussierung wird als distanziert und reserviert angesehen und negativ bewertet. Aus diesem Grund dauern Geschäftsabschlüsse länger als man es aus Deutschland gewohnt ist.
Sander: Und aus kaufmännischer Sicht – was war das eindrucksvollste Erlebnis in Ihrer Zeit in den VAE?
Meyer: Für europäische Verhältnisse wird das wohl unglaublich klingen, aber wir haben ziemlich zu Beginn einen Liefervertrag mit dem dortigen Marktführer im Transportbeton geschlossen, in dem wir uns verpflichtet haben, eine monatliche Mindestmenge von 2.000 t an Betonzusatzmitteln zu liefern. Nicht nur, dass diese Menge allein bemerkenswert ist, sondern im selben Vertrag wurde auch eine Klausel vereinbart, in der uns eine Entschädigung von 20.000 Euro monatlich zustand, wenn die Abnahmemenge geringer als 500 t im Monat ist.
Diese besondere Situation war der Tatsache geschuldet, dass Betonzusatzmittel aufgrund des damaligen Baubooms knapp waren und jeder Betonhersteller versucht hat, sich auf seine Weise abzusichern. Schade, dass diese herausragende Phase dann zwei Jahre später vorbei war.
Sander: Welches war das beeindruckteste Projekt, das die Ha-Be Middle East in den letzten zehn Jahren realisiert hat?
Meyer: Auch wenn es schon einige Jahre her ist, so habe ich den Bau der Palme „Jumeirah“ als eines der imposantesten Projekte in unserer Zeit in Middle East empfunden. Die Palme war ein gigantisches Prestigeprojekt und ist mittlerweile ein Sinnbild für die gesamte Region.
Es ist schon toll, an einem solchen Projekt mitzuwirken. Den ersten IBC Container unseres Fließmittels Pantarhit N (FM) haben wir damals aus Deutschland per Luftfracht direkt auf die entstehende Palmen-Insel fliegen lassen. Alles musste schnell gehen und die Fracht hat sicher das Acht- bis Zehnfache des Warenwerts ausgemacht. Am Ende hat sich die Investition aber gelohnt, denn danach wurden wir einer der Hauptlieferanten für das Projekt.
Hofmann: Die beiden Brücken Sheik Khalifa Bridge und Saadiyat Island Bridge habe ich als sehr eindrucksvollste Projekte erlebt. Als Eingangstore zu Abu Dhabi sind sie nicht nur wichtige Verkehrsadern sondern mit ihrem Design auch einzigartige architektonische Gebilde.
Paulitsch: Für mich waren es die drei Hochhäuser Dubai Pearl, das Marina 1-0-1 und das ADNOC Headquarter. Die Dubai Pearl ist ein Komplex aus vier Türmen, die durch einen „Skywalk“ auf den Dächern horizontal miteinander verbunden werden. Für jeden dieser vier Türme war ein eigenes Fundament notwendig. Die Geschwindigkeit und die Betonmengen dafür waren schlicht gigantisch: Für jedes Fundament wurden 11.000 m³ benötigt. Diese wurden binnen 24 h produziert und eingebaut. Diese Mengen wurden in 6 verschiedenen Werken hergestellt, mit insgesamt über 100 Fahrmischern transportiert und mit 13 Pumpen eingebaut. Beim Marina 1-0-1 und dem ADNOC Headquarter hat mich die Architektur beeindruckt. Beide Hochhäuser haben schöne, einzigartige Designs, die sich perfekt in die Skyline von Dubai einfügen.
Sander: Zum Produktportfolio: Sie produzieren die Betonzusatzmittel heute lokal in VAE. Können Sie die bewährten Rezepturen aus Deutschland übernehmen oder müssen Sie für den Marktraum Mittlerer Osten eigene Produkte entwickeln?
Paulitsch: Den Großteil der Produkte entwickeln wir selber vor Ort. Der Hauptgrund sind die unterschiedlichen Bedingungen, auf die die Zusatzmittel eingestellt werden müssen. Im Mittleren Osten gibt es völlig andere Rahmenbedingungen als in Deutschland. Angefangen bei unterschiedlichen Zementen über verschiedene Aggregate bis zu den völlig anderen Witterungsbedingungen. Hier muss das Produkt unter extrem hohen Umgebungstemperaturen performen. Dies ist in Deutschland anders und muss durch die Wahl entsprechender Rohstoffe in der Zusatzmittelrezeptur berücksichtigt werden.
Sander: In Deutschland wird die Betonherstellung weitestgehend durch die DIN EN 1045 geregelt. Im Mittleren Osten werden hauptsächlich BS EN (British Standard Europäische Norm), BS & ASTM (American Society for Testing and Materials) verwendet. Wie wirken sich die unterschiedlichen Normungen in der Praxis aus?
Paulitsch: In Middle East kommen andere Prüfverfahren zum Einsatz als in Deutschland. Zum Beispiel wird das Setz-Fließmaß, also das Slump-Maß, anstelle des Ausbreitmaßes verwendet. Darüber hinaus ist die Herangehensweise bei der Rezepturentwicklung des Betons im Mittleren Osten eine andere als es in Europa der Fall ist. In Middle East werden die Vorgaben vom Planer oder dessen Berater gemacht. Dieser entwickelt auch die Rezeptur, nach der der Betonhersteller produzieren muss. In Deutschland werden die Anforderungen durch Normen vorgeschrieben. Wie diese Anforderungen erreicht werden, ist dann die Aufgabe des Betonherstellers in Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten.
Sander: Gibt es Unterschiede bei der Betonherstellung und -verarbeitung im Werk sowie auf der Baustelle?
Hofmann: Ein großer Unterschied ist, dass die Verfügbarkeit von Rohstoffen für Beton völlig anders ist als in Deutschland. Bis auf Zement müssen eigentlich alle Rohstoffe importiert oder über lange Distanzen transportiert werden, Steinbrüche, in denen Gesteinskörnung gewonnen wird, sind auf wenige Regionen beschränkt. Hüttensand, Flugasche, Microsilica und Stahlfasern werden nicht vor Ort produziert. Daher ist die Verfügbarkeit der Rohstoffe begrenzt und die Auswahlmöglichkeiten sind kleiner. In Deutschland gibt es ein viel breiteres Rohstoffsortiment. Die verschiedenen Rohstoffe erlauben eine höhere Flexibilität.
Paulitsch: Ein weiterer Unterschied zu Deutschland ist, dass die PCE-basierte Zusatzmittel erst in den vergangenen Jahren einen verbreiteten Einzug in den Markt erhalten haben. Viele Betonhersteller setzten nach wie vor naphthalin- und ligninbasierte Fließmittel ein. Ein Zusatzmittel muss hier in erster Linie robust sein. Mit den herkömmlichen Fließmittel haben viele Hersteller gute Erfahrungen gemacht und wollen nicht davon abweichen. Die Vorteile PCE-basierte Fließmittel rücken aber immer stärker in den Vordergrund.
Sander: Wie sieht es mit der Anlagentechnik zur Betonherstellung aus – gibt es Unterschiede zur deutschen Produktion?
Paulitsch: Die Anlagentechnologie ist absolut mit der in Deutschland vergleichbar. Die meisten Anlagenbauer sind international agierende Unternehmen, die sowohl in Deutschland als auch im Marktraum Middle East unterwegs sind. Daher ist die Technologie ziemlich identisch.
Sander: Vor einigen Jahren hat die Wirtschaftskrise auch Dubai erreicht. War die Ha-Be Middle East von der Krise betroffen?
Hofmann: Auf jeden Fall. Die Wirtschaftskrise hatte einen erheblichen Einfluss auf die Bauwirtschaft. Viele Projekte wurden gestoppt, verschoben oder komplett auf Eis gelegt. Dies hatte natürlich einen enormen Einfluss auf die in den VAE produzierten Betonmengen und damit auch auf den Absatz von Zusatzmitteln. Die von uns produzierten Mengen waren sehr, sehr rückläufig.
Sander: Wie geht es der Ha-Be Middle East heute?
Hofmann: Seit gut anderthalb Jahren hat sich der Negativtrend umgekehrt. Ab diesem Zeitpunkt wurden Bauprojekte fortgesetzt und neu begonnen. Daher wird wieder mehr Beton produziert und der Bedarf an Zusatzmitteln steigt entsprechend. In den letzten Jahren haben wir allerdings auch unsere strategische Ausrichtung geändert. Bis dato war unser Hauptgeschäft die Produktion von Zusatzmitteln für Transportbeton. Nun haben wir unser Sortiment um Zusatzmittel für Betonwaren, Flüssigfarben, Oberflächenschutz und Microsilica erweitert und so neue Marktsegmente erschlossen. Darüber hinaus bieten wir fokussierter Spezialtechnologien und Problemlösungen an.
Sander: Welche Erwartungen haben Sie für die Zukunft?
Hofmann: In den nächsten Jahren wollen wir im wesentlich drei Ziele realisieren: Zunächst möchten wir natürlich die jetzigen Stammkunden in den VAE und im Oman halten und binden. Dazu sollen die neu erschlossenen Marktsegmente, Zusatzmittel für Betonwaren, Flüssigfarben, Oberflächenschutz und Microsilica sowie technologische Spezialprodukte weiter ausgebaut und verstärkt werden.
Unser drittes Ziel ist die Vertiefung des Exportgeschäfts in die umliegenden Länder wie Indien, Iran und die Region Nordafrika. Dort erwarten wir, zusammen mit unseren lokalen Partner, neue Absatzmärkte zu erschließen.
Sander: Bevor Sie sich an die Realisierung dieser Ziele machen, feiern Sie bestimmt erst einmal Ihr zehnjähriges Bestehen. Was haben Sie geplant?
Hofmann: Wir werden eine interne Feier mit allen Mitarbeitern der drei Standorte in Sharjah, Oman und Katar ausrichten. Einige Mitarbeiter sind tatsächlich seit Gründung des Unternehmens dabei. Dafür sind wir sehr dankbar und wir möchten sie im Rahmen der Feierlichkeiten besonders ehren.
Ha-Be Middle East – das Unternehmen
Die Ha-Be Middle East ist eine Tochtergesellschaft der Ha-Be Betonchemie GmbH & Co. KG. Mittlerweile hat sie mit Sharjah, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Muscat, Oman, und Doha, Qatar, drei Standorte im Mittleren Osten. Von dort aus liefert sie Betonzusatzmittel, Betonfarbe, Oberflächenschutz und Microsilica an Transportbeton-, Fertigteil- und Betonwarenwerke sowie Großbaustellen in den Nahen- und mittleren Osten. In diesem Jahr feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen.
Klaus Hofmann hat im Jahr 2011 bei der Ha-Be Middle East als Anwendungstechniker für Oman begonnen. 2012 übernahm er die operative Leitung der Niederlassung, wo er mittlerweile als Geschäftsführer tätig ist. Marcel Paulitsch hat seine Karriere 2008 bei der Ha-Be in Dubai als „Technical Sales Manager“ begonnen. Im Jahr 2011 wechselte er für die Position „Vertrieb & Anwendungstechnik Deutschland Süd“ zur Ha-Be Betonchemie GmbH & Co. KG nach Deutschland. Seit 2014 ist er nun technischer Leiter der Ha-Be Middle East.
Ulrich Meyer, Geschäftsführender Gesellschafter der Ha-Be Betonchemie GmbH & Co. KG, hat die Ha-Be Middle East im Jahr 2006 mit mehreren arabischen Gesellschaftern gegründet. In 2014 wurden die arabischen Gesellschafter ausbezahlt, die größte Produktionsstätte in Sharjah erworben und eine Holdingstruktur mit Sitz in Muscat aufgebaut. Heute sind alle Gesellschaften faktisch 100%-ige Tochtergesellschaften der Ha-Be Betonchemie GmbH & Co.
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