Singapur setzt auf Betonfertigteile
Die Straits Construction Group nahm kürzlich eine hochautomatisierte Betonfertigteil-Produktion in Betrieb. Auf fünf Gebäudeebenen werden in der Fabrik Wand- und Deckenpaneele, vorgespannte Massivdecken sowie Raummodule gefertigt.
Vom Staat initiiert, sollen hochautomatisierte Betonfertigteilfabriken die Bauindustrie in Singapur umkrempeln. Die Devise: weg vom zeit- und personalintensiven traditionellen Bauen, hin zu einer maximalen Vorfertigung. Straits Construction Group, eines der größten Bauunternehmen Singapurs, nahm vor kurzem eine solche Anlage in Betrieb. Produziert werden nicht nur Wand- und Deckenpaneele, sondern auch vorgespannte Massivdecken und 3D-Küchen- und Badmodule – in einer Fabrik, aber auf fünf Gebäudeebenen. Die entsprechenden Anlagen und Softwarelösungen wurden von Unternehmen der Progress Group entwickelt. Hauptverantwortlich für das Gesamtkonzept und die Installation war das Tochterunternehmen Ebawe Anlagentechnik. Bereits seit einigen Jahren treibt Singapur die Industrialisierung und Automatisierung seiner Bauindustrie mit zahlreichen Richtlinien und Anreizen voran. Ziel des Stadtstaates ist es, die Landnutzung zu optimieren, die Produktivität und Qualität zu steigern und neue, höherqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen.
Der Betonfertigteiltechnologie kommt in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zu. So fördert die staatliche Baubehörde Building and Construction Authority (BCA) Investitionen von Bauunternehmen in diese zukunftsträchtige Technologie: im Rahmen von Bieterverfahren stellt sie das Land für hochautomatisierte Produktionsanlagen zur Verfügung und schreibt Projekte aus, die dann von privaten Unternehmen realisiert werden. Diese ICPH (Integrated Construction and Prefabrication Hub) genannten Fabriken sollen dazu beitragen, schnell, kosteneffizient und sicher neuen Wohnraum zu schaffen und somit die Infrastruktur in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu verjüngen.
Integrated Construction and Prefabrication Hub
Anfang Oktober letzten Jahres wurde der insgesamt zweite ICPH feierlich seiner Bestimmung übergeben. Von Straits Construction Group, einem der größten Bauunternehmen Singapurs, in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen der Progress Group errichtet, sichert die hochautomatisierte Anlage auf fünf Ebenen die firmeninterne Versorgung mit vorgefertigten Betonwänden und -decken sowie ganzen Raummodulen.
Bei der Eröffnungsfeier, die unter Anwesenheit des Finanzministers Heng Swee Keat, des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Singapur, Ulrich A. Sante, und der gesamten Spitze von Straits Construction Group im neuen Werk stattfand, gab man sich von der Zukunft dieser Technologie überzeugt. Der singapurische Finanzminister unterstrich in seiner Rede die Bedeutung solch hochautomatisierter Anlagen: „Die Entwicklung von ICPHs ist immens wichtig, da diese den Weg für Innovationen und Technologien ebnen, die die Produktivität erhöhen und neue Energie in die Bauindustrie bringen können.“ Laut Heng Swee Keat sind dafür vier Punkte ausschlaggebend: erstens würde durch ICPHs der Flächenverbrauch optimiert, da Bauprozesse von mehreren an einem Ort gebündelt würden; zweitens erhöhten solche Anlagen die Arbeitsproduktivität, da die Herstellung von Betonfertigteilen weniger Zeit und Arbeitskräfte brauche; drittens trügen die kontrollierten Produktionsbedingungen dazu bei, die Qualität vorgefertigter Elemente bedeutend zu steigern; zu guter Letzt würden neue und höher qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen.
Produktion auf fünf Ebenen
Nachdem Straits Construction Group den Zuschlag für das 20.000 m2 große Bauland in Kaki Bukit erhalten hatte, begannen im September 2014 die Arbeiten für den neuen ICPH. Der Neubau besteht aus einem Fabrikgebäude mit Erdgeschoss und vier Stockwerken sowie einer zwölfstöckigen Werksunterkunft. Für den Betrieb des Werks wurde mit Greyform Pte Ltd ein eigenes Tochterunternehmen gegründet.
Das Fabrikgebäude mit dem angeschlossenen Hochregallager für die Decken- und Wandpaneele ist in seinem Konzept und seiner Form einzigartig. Im Erdgeschoss wurden die Palettenumlaufanlage von Ebawe Anlagentechnik und die Produktionslinien für vorgespannte Betonfertigteile von Echo Precast Engineering installiert. Die erste Etage beherbergt die gesamte Bewehrungsfertigung von Progress Maschinen & Automation, während in der zweiten Etage die Schalungen für die stationäre Fertigung von Tecnocom untergebracht wurden. Im dritten Stock erfolgt die Endfertigung der Badezimmer- und Küchenmodule, die dann im vierten und letzten Stock eingelagert werden.
Erdgeschoss: hochautomatisierte Palettenumlaufanlage
Die hochautomatisierte Palettenumlaufanlage nimmt den Großteil des Erdgeschosses der Fabrik ein. „Diese Anlage wendet als erste in ganz Singapur automatisierte Robotertechnologie an. Mit ihrem flexiblen Design sorgt sie nicht nur für höchste Effizienz, sondern garantiert auch eine genaue Einhaltung der Lieferzeiten – auch wenn die Elemente noch so unterschiedlich sind“, sagt Ryan Lim, Stellvertretender Generaldirektor von Greyform.
Im Umlauf zirkulieren insgesamt 48 Paletten. Zu Beginn eines jeden Produktionszyklus werden diese durch den Schalungs- und Entschalroboter Form Master mit den entsprechenden Schalungsabstellern bestückt. Nach dem Einlegen der Bewehrung und der Einbauteile wird der Frischbeton mit einem automatischen Betonverteiler zielgenau ausgebracht und verdichtet. Eine Glätt- und Vibrationsbohle sorgt für eine optimale Oberflächenqualität des Elements. Zum Aushärten werden die Betonfertigteile schließlich durch ein Regalbediengerät in eines von insgesamt 38 Regalfächern gehoben. Nach der Entnahme und dem Weitertransport der fertigen Wand- und Deckenpaneele ins Hochregallager werden die Absteller durch den Entschalroboter entfernt, gereinigt und automatisch wieder eingelagert. Mit der Reinigung der Palette beginnt der Zyklus von neuem.
Innovatives Hochregallager
Auch die Zuführung des Frischbetons in die Umlaufanlage erfolgt automatisch. Ausgehend von einer Mischanlage, geliefert von der Wiggert & Co. GmbH, wird das Material über eine Kübelbahn direkt zum Betonverteiler befördert. Ein zweites Kübelbahnsystem stellt die Versorgung der Gleitfertigerproduktion mit trockenerem Beton sicher.
Eine Besonderheit der Anlage ist das Hochregallager. Wegen der Flächenknappheit in Singapur wurde das Lager nicht wie üblich horizontal, sondern vertikal geplant. Es ist vollautomatisiert und bietet in drei Türmen auf sieben verschiedenen Ebenen Platz für insgesamt 5.800 t an Massivwänden und -decken, vorgespannten Elementen und Spannbetondecken. Es werden zudem nicht einzelne Betonelemente, sondern ganze Racks ein- und ausgelagert. Dies verkürzt die Standby-Zeit der Lkw und damit die Lieferzeit massiv.
Dieser Automatisierungsgrad wirkt sich erheblich auf die Produktivität der Anlage aus. „60 Arbeitskräfte sind in der Lage, innerhalb von zehn Tagen Betonfertigteile für 48 Vierzimmerwohnungen zu produzieren. Auf traditionellen Baustellen würde man drei- bis viermal so viel Personal und doppelt so viel Zeit benötigen“, zeigt sich der Stellvertretende Generaldirektor Lim zufrieden.
Gleitfertiger für vorgespannte Elemente
Für die Produktion von vorgespannten Betonfertigteilen setzt Greyform den Gleitfertiger S-Liner T40 von Echo Precast Engineering ein. Mithilfe dreier verschiedener Formsätze können auf den drei 84 m langen Produktionsbahnen nicht nur Spannbetondecken mit einer Höhe zwischen 7 und 40 cm und einer Breite von 120 cm oder 240 cm produziert werden, sondern auch vorgespannte Massivdecken mit einer Höhe zwischen 7 und 20 cm und Breiten von 100 cm oder 210 cm. Zusatzequipment wie zwei verschiedene Sägen, ein Multifunktionswagen und die entsprechende Hebeausrüstung ergänzen die Anlage. „Mit den Spannbetondecken sind wir in der Lage, mit einem Element hohe Spannweiten abzudecken – zudem kann auf der Baustelle ohne Stützen gearbeitet werden“, erklärt Lim.
Die Produktion der Stahlbewehrung für alle Fertigungslinien erfolgt auf der ersten Etage. „Wir haben vier verschiedene Anlagen von Progress Maschinen & Automation installiert, mit denen wir alle benötigten Produkte herstellen können“, zeigt sich Lim zufrieden. „Dieses Setup erlaubt es uns, hochflexibel zu reagieren und über 100 t Bewehrungsmatten, Körbe, Stäbe und Bügel pro Tag zu produzieren.“
Eine Mattenschweißanlage des Typs M-System Evolution wird für die Herstellung von Bewehrungsmatten in verschiedensten Formen und mit Aufbiegungen eingesetzt. Die Maschine wurde für einen flexiblen Einsatz entwickelt und fügt sich damit optimal in das Produktionskonzept von Greyform ein. Sind die Matten fertig produziert, werden sie von einem Kran automatisch in einem Puffer eingelagert, von wo aus die Palettenumlaufanlage beliefert wird. Die Zuführung zur Korbproduktion und zur Herstellung von vorgespannten Decken erfolgt manuell.
Stäbe, Stäbe mit Aufbiegungen, Bügel und 3D-Bügel werden von der zweiten Anlage gefertigt, einem EBA S16 Plus 3D Bügelbiegeautomat. Ein schneller und automatischer Drahtwechsel sowie die vollautomatische Richtsatzverstellung sorgen dafür, dass schnell und kontinuierlich produziert werden kann. Daneben wurden noch eine Shear Line Biegemaschine für Einzelstäbe und eine Korbschweißmaschine installiert.
Reduzierte Kosten dank Modulen
Die zweite Etage wurde für die stationäre Fertigung reserviert. Zusätzlich zu den drei Treppenschalungen wurden in Zusammenarbeit mit dem norditalienischen Fertigbad-Spezialisten Bathsystem S.p.A vier 3D-Schalungen und die dazugehörigen vier Produktionstische für die Herstellung von Bädern und Küchen an Greyform geliefert. Die 2,8 m hohen Schalungen zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität aus, da sowohl die Randschalungen als auch die Bodenplatte verstellbar sind. 3D-Elemente können somit mit variablen Abmessungen produziert werden. Jedes Modul wird in zwei Teilen gefertigt, daraufhin auf einem der Produktionstische zusammengesetzt und mit einem Boden versehen.
Dadurch, dass der Vorfertigungsgrad der Fertigbäder und -küchen bis zu 90 % erreicht, können die Kosten deutlich reduziert werden. Noch in der Fertigung bei Greyform werden Sanitäranlagen, die Elektrik und die Möblierung installiert. Danach werden die Elemente auf Lkw verladen und just in time zur Baustelle geliefert, wo sie ein Kran in ihre endgültige Position bringt. Das Unternehmen ist damit in der Lage, die von der BCA vorgeschriebene Quote von 65 % an vorgefertigten Badezimmermodulen einzuhalten.
Branchenspezifische MES- und ERP-Systeme
Die Software hat einen großen Anteil daran, dass die Produktionsprozesse optimal ablaufen. Von Progress Software Development entwickelt, begleiten die MES-Systeme ebos und ProFit in durchgängiger Weise alle Aspekte des Fertigungsablaufs in der Palettenumlaufanlage beziehungsweise der Bewehrungsfertigung. Damit ersetzen diese integrierten Systeme eine Vielzahl von Software-Teillösungen. Es entfallen somit auch Schnittstellenprobleme und die Mitarbeiter können ihren gesamten Arbeitsprozess in einem einzigen homogenen und benutzerfreundlichen System ausführen. Als übergeordnetes ERP-System wurde erpbos installiert, eine speziell für die Betonfertigteilbranche entwickelte Lösung. Es dient der Planung und Steuerung sämtlicher Geschäfts- und Produktionsprozesse – angefangen vom Verkauf, der Kalkulation, dem Projektmanagement über die Produktion und Montageplanung bis hin zu Logistik, Materialwirtschaft, Controlling und Human Resources. „All diese Systeme sorgen für einen nahtlosen Datenstrom, wodurch nicht nur unsere Produktivität, sondern auch die Qualität und Genauigkeit unserer Produkte gesteigert wird“, beurteilt der Stellvertrende Generaldirektor Ryan Lim das von der Progress Group geschnürte Softwarepaket.
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Progress Software Development GmbH
Julius-Durst-Straße 100
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+39 0472 979 328
Progress Group GmbH
The Squaire 15 Am Flughafen
60549 Frankfurt/Germany
+49 6977 044 044
Straits Construction – das Unternehmen
» 1969 Gründung von Straits Construction durch Wong Swee Chun
» 1982 erstes Projekt im öffentlichen Wohnungsbau
» 2014 Zuschlag für die Errichtung eines ICPH (Integrated Construction and Prefabrication Hub)
» 2017 Eröffnung der vollautomatisierten Greyform-Fabrik
Grundfläche insgesamt: 20.000 m2
Gebaute Fläche: 32.000 m2
Etagen Werksunterkunft: 12
Ebenen Werk: 5
Ebenen Außenlager: 7
Produkte: Wandelemente, Deckenelemente (schlaff bewehrt und vorgespannt), Spannbetondecken, Bewehrung, Treppen, 3D-Module für Bäder und Küchen.
Produktionsmenge: 80.550 m3/Jahr
Mitarbeiter Produktion: 60