Vortriebsrohre mit Sonderfügung als Schachtrohre
In 80 Min. von Nürnberg nach Erfurt, in knapp 4 h von München nach Berlin: Die zweigleisige, für Tempo 300 km/h ausgebaute Neubaustrecke VDE 8.1 verbindet seit dem 10. Dezember 2017 Menschen und Märkte auf neue Weise und lässt Großstädte und Regionen näher zusammenrücken. Die Bahntrasse für Personen und Güter ist ein wichtiger Baustein im Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8). Das 10 Mrd. Euro teure Projekt wurde 1991 von der Bundesregierung beschlossen, um die Verkehrsanbindung zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd zu verbessern. 2003 ging der erste Streckenabschnitt in Betrieb.
Seit Dezember 2015 ist die gesamte Neubaustrecke Erfurt-Leipzig/Halle eröffnet, das VDE 8.2. Mit der Inbetriebnahme der VDE 8.1 sind nun alle Neubaustrecken zwischen Nürnberg und Berlin fertig gestellt. Die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt (VDE 8.1) ist Teil dieses Projekts. Sie hat eine Länge von 107 km und verläuft fast zur Hälfte auf Brücken oder in Tunneln. 22 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 41 km sind entstanden. Alle Tunnel mit einer Länge von mehr als 1.000 m werden mit befahr- und begehbaren Notausgangsstollen und -schächten ausgestattet. In zwei Schächten kamen Stahlbeton-Vortriebsrohre mit einer Sonderfügung als Schachtrohre in FBS-Qualität zum Einsatz, bei denen besonders hohe Anforderungen an die Dichtigkeit der Fugenverbindungen galten.
Tunnel Bleßberg und Tunnel Silberberg
Die beiden längsten Eisenbahntunnel der Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt sind mit 8.314 m der Tunnel Bleßberg und mit 7.391 m der Tunnel Silberberg. In beiden Tunneln gibt es Notausgänge, die über ein System von begeh- oder befahrbaren Rettungsstollen erreichbar sind. Die Frischluftversorgung dieser Stollen erfolgt jeweils über einen vertikalen Lüftungsschacht. Der lichte Innendurchmesser liegt bei 2 m – bei einem Außendurchmesser von rund 2,80 m. Der Schacht ist jeweils am Ende mit einem separaten Lüftungsstollen an den befahrbaren Notausgangsstollen angebunden.
Die Herstellung der beiden Schächte (Höhe beim Tunnel Bleßberg 52 m und beim Tunnel Silberberg 112 m) erfolgte im Raise-Boring-Verfahren. Hierbei wurde entlang einer Pilotbohrung von unten nach oben ein kreisrunder Schacht gebohrt. Danach wurde dieser mit Spritzbeton gesichert, bevor der Ausbau mit wasserdruckdichten Fertigteil-Schachtringen erfolgte. Der Ringraum zwischen Schachtring und Spritzbetonsicherung wurde abschnittsweise mit Beton vergossen. Als Schachtrohre kamen Stahlbetonvortriebsrohre mit Stahlmanschette und Sonderfügung mit Tübbingdichtung zum Einsatz – die Rohre hatten eine Baulänge von 2,50 m und ein Gewicht von 8,7 t. Die Schachtrohre von Haba-Beton wurden mittels innenliegenden Kugelkopfankern angeschlagen und versetzt.
Dipl.-Ing. Stefan Niedermeier aus dem HABA-Werk in Teising erläutert die Besonderheiten: „Für die Personenbeförderung bei der Montage der Schachtrohre ist ein Kraneinhängekorb erforderlich. Um diesen zu fixieren, haben wir die Rohre mit zusätzlich einbetonierten Universal-Kletterkonen ausgestattet. Ebenso wurden werkseitig im Radius gebogene Ankerschienen zur Befestigung der späteren Schachtausstattung einbetoniert.“
Hohe Anforderungen an Dichtheit der Rohre
„Um die gewünschte Dichtheit zu gewährleisten, wurde die Sonderfügung mit einer an die Herstellungsmethode von Rohren angepassten Tübbing-Fügung ausgeführt“, so Niedermeier. „Als Dichtelement am Spitzende dient ein Dichtrahmen der Firma Dätwyler, der in einer Nut auf der Muffen- und auf der Spitzendseite des Rohrs verklebt ist. Dichtbänder und Fugenbänder von Kaubit fungieren als Lastausgleiche beziehungsweise zusätzliche Dichtelemente. Die außenliegende Keilgleitdichtung sorgt in Verbindung mit der Stahlmanschette für weitere Sicherheit der Dichtheit und passgenaue Lage der Fugen. Nur bei exakter Maßhaltigkeit der Rohre insbesondere im Hinblick auf die Ebenheit und Parallelität der Stirnflächen wird die geforderte Dichtheit erreicht.“
Für eine exakte Maßhaltigkeit der für die Lüftungsschächte eingesetzten Stahlbeton-Vortriebsrohre sorgen aber auch die Qualitätsrichtlinien der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.V. (FBS), nach denen die Rohre von der Firma Haba gefertigt wurden.
„Die FBS-Richtlinien beinhalten eine umfassende werkseigene Produktionskontrolle und stellen eine lückenlose Qualitätsüberwachung von den Ausgangsstoffen über die Herstellung bis zu den Endprodukten sicher“, sagt Niedermeier. „Damit erhalten Bauherren, Planer und Verarbeiter die Sicherheit, dass eine geprüfte Qualität eingebaut wird. Darüber hinaus sorgt eine halbjährliche Qualitätsüberwachung durch bauaufsichtlich anerkannte Güteschutzgemeinschaften und Prüfinstitute für die Einhaltung der hohen Standards.“
Während der Bauphase verbaute der Generalunternehmer Züblin pro Tag vier Schachtrohre einschließlich Verguss des Ringraumes und aller Nebenleistungen – das entspricht 10 m. Seit Anfang Dezember 2017 ist die Bahn-Fernstrecke nach den allseits bekannten Anlaufschwierigkeiten nun in Betrieb. Sollte es im Laufe des Betriebs zu weiteren Störungen kommen, dann können Reisende beruhigt sein, denn die Lüftungsschächte der Notausgangsstollen halten mit Sicherheit dicht.
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