Weiterbildung zum Meister: „Der Bedarf ist riesig“
Gut ausgebildetes Personal, das auch Führungsaufgaben übernehmen kann, ist gefragt wie nie. Die Weiterbildung zum Meister, die auch 2019 wieder an der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Ulm startet, qualifiziert dazu. Studiendirektor Steffen Klink erklärt im Gespräch mit dem Fachmedium BFT International, welche Inhalte vermittelt werden, was die Weiterbildung kostet und weshalb sie sich für die Absolventen lohnt.
BFT International: Auch im kommenden Jahr 2019 bieten Sie an der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Ulm wieder Weiterbildungskurse zum Meister im Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerk sowie zum Meister der Betonsteinindustrie an. Weshalb lohnt sich die Meisterausbildung für einen Facharbeiter?
Steffen Klink: Aus der Sicht des Facharbeiters ist es ein großer Schritt nach vorne, sowohl was die ausgeführten Tätigkeiten im Alltag anbelangt als auch die besseren Verdienstmöglichkeiten. Ein ambitionierter und guter Facharbeiter wird früher oder später nach einer anspruchsvolleren und mit mehr Verantwortung behafteten Tätigkeit streben. Hier kommt für jemanden, der nicht studieren möchte oder kann, die Meisterausbildung ins Spiel, da man einen Meister zur „mittleren Führungsebene“ eines Betriebs zählen kann. Er übernimmt Verantwortung für Betriebsabläufe und führt Mitarbeiter; hierfür wird er auch entsprechend höher entlohnt.
BFT International: Kommt jeder Ihrer Absolventen in den Genuss der beschriebenen Vorteile?
Klink: Natürlich muss ein neuer Meister sich höheren Anforderungen stellen, sie wollen und ihnen auch gewachsen sein. Kontakte zu früheren Absolventen der Meisterschule zeigen, dass die in Ulm ausgebildeten Meister in Betonfertigteilwerken führende Positionen einnehmen, sei es in der Produktion, der Arbeitsvorbereitung oder der Kalkulation. Natürlich fehlt den frischen Absolventen noch die praktische Erfahrung in den Tätigkeiten und der Position eines Meisters. Hier sind die Firmen gefragt, ihnen die nötige Unterstützung und Einarbeitungszeit zu geben. Zudem steht jedem Meister offen, sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig zu machen.
BFT International: Wer kann an den Kursen teilnehmen und den Meistertitel erwerben?
Klink: Zur Meisterprüfung zum Industriemeister der Betonsteinindustrie wird zugelassen, wer einen Facharbeiterbrief in einem Gewerk hat und mindestens ein Jahr praktische Tätigkeit nachweisen kann oder eine entsprechend lange praktische Tätigkeit nachweisen kann. Die Zulassung zur Meisterprüfung im Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerk erhält, wer einen Gesellenbrief in diesem Handwerk, einen anderen Gesellenbrief und zwei Jahre praktische Berufserfahrung hat oder wer fünf Jahre in diesem Gewerk gearbeitet hat. Bei Sonderfällen entscheiden die zuständigen Kammern bzw. die Prüfungsausschüsse.
Ebenso können sich Interessenten aus europäischen Nachbarländern zum Meisterkurs anmelden und die Meisterprüfungen ablegen, wenn die Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind.
BFT International: Wie läuft die Meisterausbildung ab?
Klink: Die Meisterausbildung in Ulm dauert von Januar bis etwa Mitte Dezember und richtet sich nach dem Schuljahresplan des deutschen Bundeslands Baden-Württemberg. Insgesamt umfasst der Meisterkurs inklusive der Meisterprüfungen 38 Schulwochen. Während der Ferien in Baden-Württemberg haben auch die Kursteilnehmer frei. Nur in der letzten Woche der Sommerferien beginnt schon die Fertigung der Meisterstücke.
Der wöchentliche Unterricht beträgt etwa 38 Unterrichtsstunden. Hiervon entfallen auf den fachtheoretischen Teil etwa 20 h, den betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Teil 9 h, sowie 9 h auf den Praxistag in der Werkstatt.
BFT International: Welche Qua-lifikationen und Kompetenzen vermitteln Sie in der Ausbildung?
Klink: Während des Meisterkurses wird neben einer fundierten Vermittlung von einschlägigen fachlichen Themen auch auf aktuelle Entwicklungen eingegangen, im Bereich der Betontechnologie, in der industriellen Fertigung von Betonfertigteilen und der modernen Herstellung von Betonwerksteinprodukten. Die angehenden Meister erfahren, dass sich im Bereich der Betontechnologie und der Fertigungsverfahren ständig neue Entwicklungen ergeben und eine ständige Weiterbildung notwendig ist.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt neben der Betontechnologie auch auf der Gestaltung von Betonoberflächen mit verschiedensten Verfahren und Techniken. Die angehenden Meister sollen verinnerlichen, dass bei Betonerzeugnissen und deren Herstellungsprozess stets auch die technische Umsetzbarkeit und die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen beachtet werden müssen.
Großer Wert wird bei der Meisterausbildung auf die für Meister wichtigen Grundwerte und Tugenden gelegt, wozu das meisterliche Verhalten, ein aktives eigenverantwortliches Handeln und die Arbeit im Team zählen.
BFT International: Was kostet die Meisterausbildung?
Klink: Die Meisterausbildung in Ulm ist äußerst günstig, da wir eine öffentliche Schule sind und je Semester nur 526,00 Euro an Gebühren anfallen. Hierin sind Schulgebühren und Materialgeld enthalten. Die Prüfungsgebühren betragen für den Industriemeister rund 800,00 Euro und für den Handwerksmeister ca. 1.200,00 Euro. Hinzu kommt noch die Unterbringung in Ulm, entweder in einem Privatzimmer oder im angrenzenden Internat. Die Internatsunterbringung mit Vollpension kostet derzeit 455,00 Euro im Monat, die aber nur für zehn Monate zu zahlen sind.
BFT International: Kann für die Meisterausbildung finanzielle Unterstützung beantragt werden?
Klink: Die meisten unserer Absolventen erhalten Leistungen nach dem Aufstiegs-BAföG. Diese umfassen neben den Unterhaltskosten von bis zu 768,00 Euro im Monat auch Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bis 15.000,00 Euro. Etwa 40 % der Leistungen sind Zuschüsse, den Rest gibt es als zinsloses Darlehen, das sich beim Bestehen der Meisterprüfung nochmals um 40 % reduziert. Zudem gibt es noch den Förderverein der Bundesfachschule für Betonwerker, der die Kursteilnehmer ebenfalls finanziell unterstützt. Der Förderverein finanziert zum Teil benötigte Lehrmittel, Besuche von Messen und Fachtagungen, Werksbesichtigungen und vieles mehr.
BFT International: Wie wichtig ist es für unsere Branche, dass Mitarbeiter der Betriebe bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich zum Meister ausbilden zu lassen?
Klink: Da gerade der Baubereich, zu dem auch die Fertigteilbranche und das Bauhandwerk gehören, sehr stark unter Nachwuchsmangel leidet, ist es besonders wichtig, Mitarbeiter zu gewinnen und entsprechend fortzubilden. Dies fängt bei den Facharbeitern an, die entsprechend im Betrieb gefördert und motiviert werden sollten, um später für eine Weiterbildung zum Meister bereit zu sein.
Viele Firmen haben dies erkannt und unterstützen weiterbildungswillige Facharbeiter während des Meisterkurses finanziell und binden sie so zumindest für eine gewisse Zeit an die Firma.
BFT International: Das heißt, die Absolventen der Weiterbildungskurse zum Meister werden wirklich gebraucht und gesucht in der Branche, die Berufsaussichten sind gut?
Klink: Wer nach der Meisterausbildung nicht in seiner Firma bleiben möchte oder kann, eventuell noch ortsungebunden ist, hat alle Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Der Bedarf ist riesig. Das zeigt sich auch in den unzähligen Anfragen nach Meistern, die bei uns eingehen. Aus den Rückmeldungen von Absolventen ist ersichtlich, dass sie in unterschiedlichsten Bereichen arbeiten, sei es in der Fertigung von Betonfertigteilen oder Betonwerkstein, im Außendienst von Zulieferfirmen oder im eigenen Betrieb. Von einem arbeitslosen Meister haben wir noch nie etwas gehört.
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Ferdinand-von-Steinbeis-Schule
Die Ferdinand-von-Steinbeis-Schule (FSS Ulm) ist eine öffentliche Schule mit Sitz in der deutschen Stadt Ulm. Studiendirektor Steffen Klink leitet dort die Abteilung Bautechnik sowie die Meisterschule an der FSS. Letztere bietet als einzige Schule in Deutschland Weiterbildungen zum „Meister für das Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerk“ und zum „Meister für die Betonfertigteilindustrie“ an.
Die FSS blickt auf mehr als 200 Jahre Geschichte zurück: Erstmals urkundlich erwähnt wird eine Handwerkerschule in Ulm im Jahr 1807. 1940 wird die überregionale Betonwerkerschule gegründet. 1976 erhält die Schule ihren heutigen Namen „Ferdinand-von-Steinbeis-Schule“, nach dem Ehrenbürger der Stadt Ulm Ferdinand von Steinbeis (1807 bis 1893), ab 1830 Oberhüttenamtsverwalter beim Fürsten Karl Egon zu Fürstenberg und „Förderer der industriellen Wirtschaft“. Im Jahr 2005 wird an der FSS eine zweijährige Berufsfachschule für Bautechnik eingerichtet.