Interview: Ein Blick in die Zukunft – Was erwartet die Betonsteinbranche 2024?

Der Betonverband Straße, Landschaft, Garten e.V. (SLG) veranstaltete Anfang Februar die 12. SLG Werksleitertagung in Bad Lippspringe mit rund 140 Teilnehmenden. BFT-Redakteurin Karla Knitter nutzte die Gelegenheit, um sich mit Andreas Schlemmer (1. Vorsitzender Betonverband),Dietmar Ulonska (Geschäftsführer Betonverband),  Alexander Winzer (Stellvertretender Geschäftsführer Betonverband) und Michael Fuchs (Technischer Geschäftsführer Betonverband) über die aktuelle Situation und die Zukunft der Betonsteinbranche auszutauschen.

BFT International: Sehr geehrte Herren, welche konkreten Initiativen und Projekte plant der Betonverband SLG 2024?

Betonverband SLG: Der SLG wird sich in diesem Jahr fortführend mit dem Thema Nachhaltigkeit und Ökologie auseinandersetzen. Wir gehen davon aus, dass wir dazu im Rahmen dieses Gespräches noch ausführlich kommen werden.

Neben dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit haben wir als technisch orientierter Verband noch andere Aufgaben und Projekte. So werden wir in diesem Jahr unter anderem die Merkblätter zu den Themen maschinelle Verlegung, Unterlagsplatten und der Reinigung und Schutz von Pflasterdecken und Plattenbelägen überarbeiten.

Ein weiterer Schwerpunkt werden die Inhouse-Schulungen bei unseren Mitgliedsunternehmen sein, bei welchen wir die Vertriebsmitarbeiter des Innen- und Außendienstes in Sachen Anwendungstechnik und Technisches Regelwerk weiterbilden. 

Bei allen wichtigen Aufgaben im Bereich der Nachhaltigkeit und Technik dürfen wir auch nicht den Blick auf regulatorische Vorgaben verlieren. So beobachten wir die europäische und nationale Gesetzgebung, derzeit insbesondere zur Neufassung der Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO), Nachhaltigkeitsberichterstattung und Produktsicherheitsverordnung (ProdSV). Zu diesem Themenblock werden wir sogar eine eigene Informationsveranstaltung im April 2024 durchführen.

BFT International: Welche Veranstaltungen möchten Sie uns ans Herz legen?

Betonverband SLG: Im Frühjahr starten wir mit einer Präsenzveranstaltung zu rechtlichen Vorgaben und politischen Rahmenbedingungen im Kontext der Nachhaltigkeit und Recht. Im Mai freuen wir uns auf ein Wiedersehen in Ulm. Die 68. BetonTage werden vom 14.05.-16.05.2024 abgehalten, wobei der SLG ein Fachpodium am ersten Veranstaltungstag unter dem Motto „Urbane Gestaltung von Lebensräumen“ mit ausgestaltet. Unsere alljährliche SLG-Mitgliederversammlung findet in diesem Jahr am 15.11.2024 statt. Den Jahresabschluss bildet die 10. SLG-Fachtagung Betonpflasterbauweisen im November 2024. Hier erwarten Sie spannende Themen zur Regelwerkentwicklung und zur Anwendung unserer Produkte. Zu unseren Veranstaltungen werden wir Sie selbstverständlich herzlich einladen.

BFT International: Im Laufe des Jahres stehen bei Ihnen große personelle Veränderungen an. Können Sie unseren Lesern diese erläutern?

Betonverband SLG: Herr Dietmar Ulonska wird nach 30 ½ Jahren Verbandstätigkeit für die  Betonsteinbranche, davon 26 Jahre als Geschäftsführer des SLG, zum Jahresende in den Ruhestand gehen. Der Verband hat die Nachfolgeregelung frühzeitig auf den Weg gebracht und mit Herrn Alexander Winzer den Nachfolger zum 01.01.2024, zunächst als stellvertretenden Geschäftsführer, eingestellt. Herr Michael Fuchs wurde mit Wirkung zum 01.01.2024 zum Technischen Geschäftsführer ernannt. Wir sehen uns in dieser Konstellation gut aufgestellt und hoffen, die großen Fußstapfen, die Herr  Ulonska ohne Zweifel hinterlässt, mit der Zeit ausfüllen zu können.

BFT International: Deutschland steckt aktuell in einer Baukrise. Im Wohnungsbau fehlen Aufträge, im Tiefbau Fachkräfte. Wie sehr sind Ihre Verbandsmitglieder betroffen? Steckt auch die Betonsteinbranche in der Krise?

Betonverband SLG: Der Genehmigungsrückgang im Hochbau von ca. 23 % im Verlauf des letzten Jahres ist ausschlaggebend für die nach wie vor angespannte Lage in der Bauwirtschaft. Die fehlenden Genehmigungen und Ausführungen im Bau von privaten Ein- und Zweifamilienhäusern belasten die Auftrags- und Umsatzlage der Branche. Die Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit und die damit einhergehenden Kostensteigerungen verteuerten die Ausgangsrohstoffe der Betonsteinindustrie.

Die Gewinnung von Sanden, Kiesen und Splitten werden negativ durch langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse beeinflusst, was zu Unsicherheiten auf der Herstellerseite führt. Die Energiepreise setzen der Steine und Erden Industrie sowie den Zementherstellern drastisch zu. Die daraus resultierenden Kostensteigerungen in diesen Branchen hatten gleichzeitig  eine signifikante Steigerung der Bezugskosten für die Betonsteinproduzenten zur Folge.

Leider konnten die erforderlichen Preiserhöhungen bei den Straßenbauerzeugnissen unserer Mitglieder den Teuerungen der relevanten Ausgangsrohstoffe nur bedingt entgegenwirken und diese nur zum Teil ausgleichen.

BFT International: Wie sieht Ihre Branchenprognose für 2024 aus?

Betonverband SLG:  Warum haben im letzten Jahr immer mehr Menschen in unserem Land die Nachfrage nach Bauleistungen eingestellt? Weil Sie es sich schlichtweg nicht leisten wollten oder konnten. Die Finanzierungkosten für private Haushalte, Immobilien- und Unternehmenskredite sind verglichen mit den Vorjahren auf einem sehr hohen Niveau. Dies wird weiterhin die allgemeine Nachfrage in der Bauwirtschaft dämpfen. Die Bauinvestitionen werden voraussichtlich im Jahresdurchschnitt um ca. 5 % sinken.

Eine positive Entwicklung nimmt derzeit die Inflationsrate. Zum Jahresende 2023 stellte sich diese auf ca. 3,0 % ein, was als positives Zeichen bewertet werden darf. Natürlich muss auch hier genau hingeschaut werden, welche Bereiche nachgeben und wo die Wirtschaft nach wie vor stark belastet wird, Stichwort Energiekosten.    

Für 2024 sehen die Wirtschaftsanalysten keinen konjunkturellen Aufschwung, das BIP dürfte das zweite  Jahr in Folge leicht negativ ausfallen. Von einer Aufbruchstimmung kann zum Jahresbeginn demnach keine Rede sein. Gleichzeitig stehen wir als Gesellschaft vor demografischen und politischen Herausforderungen, die einen direkten Einfluss auf die konjunkturelle Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland haben.

Eine Entkoppelung für die Unternehmen der Betonsteinbranche von dieser Entwicklung ist schlichtweg nicht möglich. Die Voraussetzungen für eine erhöhte Nachfrage im privaten Wohnungsbau sind durch die gestiegenen Finanzierungskosten und hohen Material- und Baukosten nicht besser geworden.  

Hoffnung macht der Haushaltsbeschluss des Bundestages, der 2024 und 2025 jeweils 1 Mrd. Euro zusätzlich für den klimafreundlichen Wohnungsneubau vorsieht. Bei fristgemäßer Umsetzung im Jahr 2024 können diese Investitionen im Wohnungsbau gleichwohl zur Erholung der Auftragslage im nachlaufenden Tiefbau beitragen. Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage sind wir vom Produkt Betonstein überzeugt. Die positiven Eigenschaften in puncto Nachhaltigkeit, Ästhetik und Funktionalität machen den Betonstein auch in den kommenden Jahren zu einem gefragten Baustoff für Flächenbefestigungen im privaten und innerstädtischen Bereich.

BFT International: Wie sieht es mit den Aufgabenstellungen im Bereich der Nachhaltigkeit aus? Wie geht der SLG mit diesem Kernthema um?

Betonverband SLG: Bereits vor der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaschutzabkommens der Vereinten Nationen im Jahr 2015 hat der Betonverband SLG als erster Baustoffverband normkonforme und somit belastbare Ökobilanzen für Straßenbaukonstruktionen aufgestellt und untereinander verglichen, die EPD “Betonstein grau mit Vorsatz” erarbeitet sowie in den Folgejahren weitere Veröffentlichungen zu den ökologischen Vorteilen der Pflasterbauweise mit Belagselementen aus Betonstein veröffentlicht.

Nach der Verabschiedung des European Green Deals im September 2021 hat der Betonverband SLG zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, insbesondere seine Aktivitäten im Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050, intensiviert und in dem im September 2021 gegründeten Arbeitsausschusses Nachhaltigkeit (AA NH) gebündelt. Im Rahmen seiner Arbeit hat der AA NH in Zusammenarbeit mit der renommierten FutureCamp Climate GmbH im Jahr 2022 das Projekt „Wege zur klimaneutralen Betonsteinherstellung“ abgeschlossen und seinen Mitgliedern mit dem sogenannten Vermeidungskostenrechner ein Tool zur Ermittlung deren Company Carbon Footprint und branchenspezifischen Reduktionsmaßnahmen an die Hand gegeben sowie im Rahmen des Anschlussprojekts “Benchmark zur CO2-Einsparung“ unter Berücksichtigung der Anforderungen der Science-Based-Targets-Initiative als international anerkanntem Standard einen Soll-Reduktionspfad für die Betonsteinbranche zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 erarbeitet.

Dies zeigt, dass sich die Betonsteinbranche nicht nur frühzeitig mit den ökologischen Aspekten der Nachhaltigkeit beschäftigt und diesbezüglich eine Vorreiterrolle eingenommen hat, sondern sich auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Bezug auf eine nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft bewusst ist und sich auf einem guten Weg zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele befindet.

Projektauswahl aus dem Bereich Nachhaltigkeit seit der Gründung des AA NH:

„Wege zur klimaneutralen Betonsteinherstellung“ (Ausgabe 2022)

Empfehlung der CSC-Zertifizierung als einheitlichem Branchenstandard entlang der 

Wertschöpfungskette Beton

Benchmark zur CO2-Einsparung (Ausgabe 2023)

Mitarbeit im Bauproduktebeirat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V.

(DGNB) (seit 2023)

Überarbeitung der vergleichenden Ökobilanz für Straßenaufbauten (2024)

BFT International: Ist der Einsatz von Sekundärrohstoffen bei Ihnen ein zentrales Thema?

Betonverband SLG:  Ja, der Arbeitsausschuss Nachhaltigkeit befasst sich auch intensiv mit dem Nachhaltigkeitsziel der Kreislaufwirtschaft, sowohl in Bezug auf alternative Bindemittel wie Flugaschen oder Hüttensande zur Reduzierung des Zementanteils als auch im Hinblick auf die Einsparung natürlicher Gesteinskörnungen durch den Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen.

In diesem Zusammenhang hat der Betonverband 2021 eine Mitglieder-Umfrage zum Einsatz von RC-Gesteinskörnungen zur Ermittlung der Ausgangslage durchgeführt. Diese hat im Kern ergeben, dass bereits rund 2/3 der Mitgliedsunternehmen aufbereitete RC-Gesteinskörnungen, bisher überwiegend aus im eigenen Werk anfallender Ausschussware/Fehlproduktion, einsetzen. Dies ist im Wesentlichen auf eine mangelnde Verfügbarkeit von RC-Gesteinskörnungen aus Fremdmaterial in gleichbleibender Qualität zurückzuführen.

Dies hat den Betonverband im Jahr 2023 dazu veranlasst, einen ersten Mitglieder-Workshop zum Thema mit Impulsvorträgen zu rechtlichen und betontechnologischen Anforderungen an den Einsatz von RC-Gesteinskörnungen sowie Ansätzen für ein verbessertes Stoffstrommanagement und einem anschließenden Erfahrungsaustausch zu möglichen Lösungsansätzen durchzuführen. Neben zwei Vorträgen zur aktuellen Rohstoffsituation auf unserer 12. Werkleitertagung ist im weiteren Jahresverlauf ein zweiter Mitglieder-Workshop zum Thema RC-Einsatz vorgesehen, was die zunehmende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft durch einen verstärkten Einsatz von RC-Gesteinskörnungen im Sinne des Upcyclings in der Betonsteinbranche hervorhebt.

BFT International: Eines Ihrer großen Betätigungsfelder sind versickerungsfähige Pflastersteine aus Beton. Warum gewinnen diese immer mehr an Bedeutung?

Betonverband SLG:  Die versickerungsfähige Bauweise mit Betonsteinen wird in Deutschland seit gut 35 Jahren angewendet. Sie war damals als technische Antwort auf die ausgeprägte Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen und die damit einhergehende Bodenversiegelung zu verstehen. Technische Ausarbeitungen und Publikationen zu dieser Bauweise gehörten zu den ersten Aufgaben, die sich die 1994 auf Verbandsebene ins Leben gerufene Fachgruppe für Straßen-, Landschafts- und Gartenbauprodukte auf die Fahne schrieb. Die Fachgruppe war bekanntermaßen die Vorgängerorganisation des heutigen Betonverbandes. Seit gut 25 Jahren gibt es technische Straßenbauregelwerke zu versickerungsfähigen Befestigungen, an denen wir mitgearbeitet haben.

Das Interesse an versickerungsfähigen Befestigungen war in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer gleich hoch. Aber gerade in den letzten Jahren, nachdem enorme Schäden und großes menschliches Leid durch Hochwasserkatastrophen zu beklagen waren, ist es wieder deutlich angestiegen.  Der nachhaltige Umgang mit Wasser in unseren Städten und Gemeinden, dazu gehören Maßnahmen wie Entsiegelung, Versickerung, Verdunstung, Speicherung, ist Bestandteil der nationalen Wasserstrategie, welche die Bundesregierung im März letzten Jahres beschlossen hat.

Versickerungsfähige Befestigungen sind heute somit fester Bestandteil jedes Regenwassermanagementsystems und jeder Planung resilienter urbaner Lebensräume. Mit den versickerungsfähigen Betonsteinsystemen unserer Mitgliedsunternehmen können wir einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur Minderung von negativen Umweltwirkungen leisten.

BFT International: Vielen Dank für dieses interessante Interview!         (Interview: Karla Knitter, M.Sc.)

CONTACT

Betonverband Straße, Landschaft, Garten e. V. (SLG)

Schlossallee 10

53179 Bonn/Germany

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