Lausitzer Firmen sorgen für klimafreundlichen Beton
Mit dem Projekt „Neues Werk Cottbus“ setzt die Deutsche Bahn (DB) auf nachhaltige Mobilität. Das neue Instandhaltungswerk wird das größte und modernste der DB zur Wartung von ICE-Zügen, und schon beim Bau des Werkes steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Gemeinsam mit dem Bauunternehmen Wayss & Freytag (W&F) und dem Betonhersteller Hentschke Bau setzt die DB deshalb auf die innovative Technologie des Cottbuser Start-ups Sonocrete, um klinkerreduzierten Beton bei vergleichbarer Frühdruckfestigkeit herzustellen.
Das neu entwickelte Ultraschall-Mischverfahren von Sonocrete kam bei der Herstellung der Betonfertigteile für das neue Werk zum Einsatz. Die Fundamente, Stützen und Binder wurden im Betonwerk von Hentschke Bau in Bautzen hergestellt. Mit der Hochleistungs-Ultraschalltechnik von Sonocrete zur Beschleunigung der Hydratationsreaktion konnten die Teile mit 30% weniger Klinker als üblich hergestellt werden. Die Ausschalfristen und Frühdruckfestigkeiten wurden dabei nicht beeinträchtigt. Eine Reduzierung des Klinkeranteils um 30% spart etwa 1,4 Tonnen CO2 pro Binder.
Schnellstart
Ende 2021 freute sich das Sonocrete-Team auf ein vollgepacktes Jahr mit mehreren Prototypvorführungen in verschiedenen Betonwerken. Gleichzeitig versuchte das Team, Sonocrete bei weiteren potenziellen Partnern bekannt zu machen. Einer dieser Termine übertraf alle Erwartungen: Ricardo Remus, CEO von Sonocrete, und Nora Baum, CFO, trafen sich mit Thomas Herr, dem Projektleiter des neuen Instandhaltungswerks der Deutschen Bahn. Bereits nach zehn Minuten war klar, dass die Deutsche Bahn mit Sonocrete zusammenarbeiten möchte, und ein paar Tage später war alles entschieden und genehmigt. In nur zehn Minuten hatte Sonocrete das bisher größte Projekt an Land gezogen – nicht nur die Demonstration eines Prototyps, sondern eine mehrmonatige Produktionsunterstützung, bei der die bisher größten Betonelemente, die meisten vorgespannt, hergestellt werden sollten.
Aber eine Projektzusage ist nur der erste Schritt. Was folgte, war eine Menge Arbeit für das Team - von der Erprobung der Betonrezeptur in kleinem Maßstab über die Rezeptoptimierung zur Verringerung der CO2-Emissionen, den Transport des Sonocrete-Prototyps zum Betonwerk in Bautzen bis hin zur Implementierung des Systems in die bestehende Betonproduktion im Werk.
Langer Probelauf für einen Prototypen
Sobald der Sonocrete-Prototyp bei Hentschke Bau in Bautzen eintraf, begann das Team mit der Unterstützung bei der Herstellung von Fundamenten, später Stützen und schließlich 20 Meter langen vorgespannten Bindern, für die jeweils 18 bis 20 m³ Beton benötigt werden.
Hierfür war der Sonocrete-Prototyp neun Wochen lang fast täglich im Einsatz und ermöglichte die Produktion von mehr als 350 m³ CO2-reduzierten Beton. Eine große Herausforderung sowohl für die Maschine als auch für das Team: Der Prototyp war noch nie so lange in Betrieb gewesen, und immer wieder stießen zuvor als unbedeutend angesehene Teile an ihre Grenzen und mussten repariert werden. Auch gelegentliche, kleine Fehler, wie ein offenes Ventil, das eigentlich geschlossen sein sollte, sorgten an manchen Tagen für Frust bei den Teammitgliedern. Aber Prototypen sind dazu da, kaputt zu gehen und Schwächen aufzuzeigen. Letztendlich waren all diese Vorfälle gute Gelegenheiten zum Lernen und um das System weiter zu verbessern.
Dr.-Ing. Frank Jesse, Hentschke Bau GmbH: „Das Besondere ist vielleicht, dass wir mitten in der Produktion, quasi als Operation am offenen Herzen, auf grünen Beton umgestellt haben. Unser Anspruch ist, dass wir für unseren Kunden kein einziges Bauteil wegwerfen müssen, alles funktioniert auf Anhieb und alle Bauteile erfüllen auch alle Qualitätsstandards.“
CO2-armer Beton
Nach neun Wochen und fast täglicher Betonproduktion in Bautzen konnten die Teams von Sonocrete und Hentschke Bau die Emissionen der Betonteile um 30% senken. Möglich wurde dies durch die Reduzierung des Zementanteils in der Betonrezeptur und die Umstellung von Portlandzement auf eine weniger reaktive Zementmischung - kurz gesagt, die Reduzierung des Klinkeranteils.
Die produzierten Fundamente, Stützen und Binder erfüllten alle Qualitätsstandards und sind nun im neuen ICE-Instandhaltungswerk in Cottbus verbaut. Besonders stolz ist das Team von Sonocrete, dass es gelungen ist, große vorgespannte Teile, wie z. B. Binder, CO2-reduziert herzustellen, da die Herstellung von Spannbeton eine besondere Herausforderung darstellen kann.
Ein solcher Erfolg ist nur mit einem tollen Team möglich - die Zusammenarbeit zwischen Hentschke Bau, Sonocrete, Wayss & Freytag und der Deutschen Bahn verlief reibungslos, respektvoll und von dem Willen geprägt, etwas Großes zu erreichen. Dr.-Ing. Anja Sternberg von Wayss & Freytag fasst es so zusammen: „Wir probieren hier etwas Neues aus. Wir setzen etwas aus der Forschung in die Praxis um und das ist uns sehr gut gelungen.“
Lösung für drängendes Problem
Das Sonocrete-Verfahren kann dazu beitragen, die hohen CO2-Emissionen der Zementherstellung zu reduzieren, die etwa 8 % der globalen CO2-Emissionen ausmachen. Diese entstehen bei der Herstellung von Zementklinker, einem wichtigen Bestandteil des Zements. Bei der Herstellung von Zementklinker wird das Kalziumkarbonat im Kalkstein durch Erhitzen zersetzt. Um die extrem hohen Brenntemperaturen zu erzeugen, werden außerdem fossile Brennstoffe verfeuert.
Der Klinkeranteil im Zement ist besonders kritisch für Betonfertigteilwerke. Hier werden hochreaktive Zemente eingesetzt, um eine schnelle Frühfestigkeitsentwicklung des Betons zu erreichen. Fertigteilhersteller wissen: Je schneller die Betonformen ausgeschalt werden können, desto besser. Mit dem von Sonocrete entwickelten Hochleistungs-Ultraschall-Mischsystem wird die Hydratationsreaktion des Betons durch die Erzeugung von Kavitation beschleunigt, was zu einer besseren Dispersion und schnelleren Bildung von festigkeitsgebenden C-S-H-Phasen führt. Diese schnellere Hydratation ermöglicht es den Fertigteilherstellern, den Klinkeranteil zu reduzieren und gleichzeitig die Frühfestigkeit und Qualität zu erhalten.
Sonocrete wurde im November 2018 von Dr. Ricardo Remus (CEO) und Dr. Christiane Rössler als Spin-off der Bauhaus-Universität Weimar gegründet. Das Ultraschall-Mischverfahren basiert auf zwölfjähriger Forschung. Das Unternehmen beschäftigt mittlerweile 20 Mitarbeiter, größtenteils Ingenieure verschiedener Fachrichtungen, und wird die ersten Anlagen 2023 in mehreren Betonwerken in Deutschland installieren.
Ricardo Remus, CEO von Sonocrete: „Mit Sonocrete kann die Betonfertigteilproduktion einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit machen, indem der Beton mit weniger Zementklinker gemischt wird. Das spart nicht nur CO2, sondern senkt auch die Kosten. Als Cottbuser Startup freuen wir uns natürlich besonders, dass hier bald Bauteile mit der Sonocrete-Technologie stehen werden. Die produzierten Binder waren schon allein wegen ihrer Größe eine spannende Herausforderung für uns. Wir sind stolz darauf, diese schwierige Aufgabe erfolgreich gemeistert zu haben und freuen uns auf alle kommenden Projekte.“