Beton ohne magnetische Wirkung
Die größte und modernste Entmagnetisierungsanlage Nordeuropas entsteht derzeit in der Kieler Förde. Mit dem ersten Rammschlag wurde Anfang des Jahres die eigentliche Bauphase eröffnet. Ziel der Anlage sei es, so der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lübeck, Henning Dierken, vor 150 geladenen Gästen „die Schiffe magnetisch unsichtbar zu machen und sie so vor Seeminen mit magnetisch arbeitenden Zündern zu schützen.“ Bis 2021 soll das Bauwerk in der Kieler Förde fertiggestellt sein. Es dient der Bundeswehr zur magnetischen Vermessung und Behandlung ihrer Marineeinheiten. Außenstehende können sich die Anlage als eine Art gigantischen Käfig in der Größe von ungefähr vier Fußballplätzen vorstellen, in dem verschiedene Magnetfelder erzeugt werden können. Mit ihnen wird die magnetische Signatur von Schiffen unterdrückt. Dieser Vorgang muss regelmäßig durchgeführt werden.
Mit dem anspruchsvollen Projekt ist eine Arbeitsgemeinschaft beauftragt, die ARGE E-M Behandlungsanlage. Ihr Bauleiter, Jörg Miemietz vom beteiligten Unternehmen Bilfinger MOS, hat es mit einer komplexen Bauaufgabe zu tun. Der Bauort, wie auch das Bauwerk selbst, dürfen über kein eigenes Magnetfeld verfügen. Damit die neue Anlage also ihre Funktion erfüllen kann, müssen auch sämtliche Bestandteile des benötigten Betons aus nichtleitfähigem Material bestehen. Hierzu wurde im Betonwerk Zement mit Splittmaterial der Qualität E 1 aus Norwegen gemischt, weil dieses keine Anteile an magnetischen Stoffen enthält.
Zunächst ließ Bauleiter Miemietz in einem stillgelegten Hangar eines ehemaligen Fliegergeschwaders der Bundeswehr in parallel liegenden Schalungen mehr als 500 Gründungspfähle mit Transportbeton der Heidelberger Beton GmbH aus Kiel herstellen. Als Bewehrung für die Fertigbohrpfähle mit einem quadratischen Profil von 40 x 40 cm und mehr als 10 m Länge diente Glasfaserkunststoff. Für den späteren Anschluss des Überbaus erhält der Pfahl eine Gewindestange aus Edelstahl, die absolut amagnetisch ist. Werkseitig wurden alle zwei Wochen Proben des Zements und der Zuschlagsstoffe von der Bundeswehr auf ihre magnetische Leitfähigkeit geprüft.
Die Fertigpfähle werden ab Sommer 2016 mit einem schwimmenden Gerät in Schneckenverdrängungsbohrpfähle (SVB-Pfähle) eingestellt. Diese Pfähle müssen teilweise viele Meter unter dem Meeresspiegel hergestellt werden, da die oberen Bereiche des Ostseegrundes nicht tragfähig sind. Die Herstellungsvariante beruht auf einem Vorschlag des Unternehmens Bilfinger, das hiermit technologisches Neuland betritt.
Der Überbau der Anlage wird aus rund 200 Einzelelementen mit einer Länge von bis zu 15 m und einer Breite bis zu 3 m aus besonders resistentem Holz zusammengesetzt. Diese Konstruktion wird dann das Traggerüst der äußerst anspruchsvollen elektrotechnischen Vermessungs- und Behandlungsanlage sein, die als Ganzes in einem Sperrgebiet vor der Küste verankert wird. Auf dem Holzgerüst wird ein PE-HD Kabelkanal montiert, auf dem einige km Kupferkabel für eine überdimensionale Induktionsspule verlaufen. Sobald das Bauwerk auf diese Weise ausgestattet ist, können Schiffe durch das Überfahren der Sensoren ferromagnetisch vermessen und die Werte aufgezeichnet werden.
Die einzelnen, vor Ort gefertigten SVB-Pfähle werden zunächst vermessen und dann auf der eigens dafür angemieteten Fläche des ehemaligen Marinefliegergeschwader (MFG 5) in Holtenau in einem relativen Koordinatensystem 1:1 nach Lage und Höhe abgesteckt. Anschließend wird der gesamte später in die Kieler Förde abzusenkende Überbau mit seinen fast 200 Einzelelementen auf diesen simulierten Pfahlpunkten aufgebaut. Notwendig geworden ist der Neubau, weil Schiffe in der alten Anlage aufgrund höherer Anforderungen nicht mehr ferromagnetisch ausreichend vermessen werden können.
Seit September 2016 ist eine Betonpumpe von Heidelberger Beton zusammen mit zwei Fahrmischern auf einem Schwimmponton stationiert, um den Beton, der wiederum zur Verankerung von 14 Festmachertonnen im Meer benötigt wird, in bis zu 400 m Entfernung vom Ufer einzubringen.
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