Sicherheitstechnik für Palettenumlaufanlagen
Tonnenschwere Paletten mit Schalungen, Bewehrung und Beton bewegen sich durch die weitläufige Halle. Innerhalb von Sekundenbruchteilen muss im Notfall jede Bewegung einfrieren. Dies kann lebensentscheidend sein. Unitechnik Cieplik & Poppek AG vergleicht Stärken und Schwächen einzelner Sicherheitssysteme.
Anforderungen an die Sicherheitstechnik
Ein Betonfertigteilwerk stellt hohe Anforderungen an die Sicherheitstechnik. In einer solchen Anlage gibt es vollautomatische Arbeitsbereiche: Schalungsroboter oder Härtekammer, teilautomatische Bereiche: Betonverteiler oder Wendegerät und manuelle Arbeitsstationen. Es werden große Lasten bewegt, die teilweise schwebend sind.
Der Automatikbereich wird in der Regel mit einem festen Zaun versehen. Zugangstüren müssen über einen Sicherheitsendschalter abgefragt werden. Wird eine solche Tür im Automatikbetrieb geöffnet, wird der entsprechende Automatikbereich abgeschaltet. Auch über den Fahrweg der Paletten darf kein Zugang in den Automatikbereich möglich sein. Hier kommen oft Lichtschranken zum Einsatz.
Der manuelle Arbeitsbereich erfordert keine Absperrung. Fahrbewegungen der Paletten muss der Bediener durch Tastendruck freigeben. Not-Aus-Taster ermöglichen das schnelle Stoppen der gesamten Anlage.
Bei teilautomatischen Bereichen wechseln sich manuelle und automatische Arbeitsschritte ab. Ein „temporärer“ Zaun, z.B. aus einem Lichtgitter ist dabei einer festen Umzäunung vorzuziehen. Dieser kann aktiviert werden, bevor ein automatischer Schritt eingeleitet wird.
Zwei wesentliche Anforderungen werden an die Sicherheitstechnik einer solchen Anlage gestellt:
1. Kurze Reaktionszeit: Bei schnellen Bewegungen von Maschinen entscheiden Sekundenbruchteile über Leben und Tod.
2. Zuverlässigkeit: Ein elektrischer oder mechanischer Fehler darf nicht zum Ausfall der Sicherheitsfunktion führen.
Grundprinzip der Redundanz
Zur Erfüllung dieser Forderung ist es prinzipiell erforderlich die Sicherheitstechnik redundant auszulegen. So hat ein Not-Aus-Taster immer zwei Öffner-Kontakte. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass beide Kontakte gleichzeitig hängen bleiben. Sämtliche Sicherheitsgeräte werten immer beide Signale aus und vergleichen sie. Kommt es zu einer Abweichung ist das Sicherheitssystem nicht mehr „sicher“, der Anlagenteil, bzw. die gesamte Anlage wird abgeschaltet. Nicht nur Schaltkontakte und Verkabelung werden redundant ausgeführt, auch die Auswertegeräte verfügen über zwei Relais, bzw. zwei Prozessoren, die sich gegenseitig überwachen.
Konfiguration der Sicherheitstechnik
In komplexen Anlagen wird die Sicherheitstechnik in mehrere Sicherheitskreise unterteilt. Einer davon ist der Not-Aus-Kreis. Dieser besteht aus über die Anlage verteilte große rote Not-Aus-Schalter und ermöglicht, die gesamte Anlage stillzusetzen.
Dazu kommen Sicherheitskreise für jeden Automatik- und Teilautomatikbereich. In diesen Sicherheitskreisen sind die Sicherheitsendschalter, Lichtschranken und Lichtvorhänge integriert, die diesen Bereich vor Zutritt schützen. Bei Betätigung eines dieser Schaltelemente, wird nur der betreffende Anlagenteil stillgesetzt.
Ausführung mit Sicherheitsrelais
Die klassische Umsetzung der o.g. Anforderungen ist die Verwendung von Sicherheitsrelais. Die meisten von Unitechnik automatisierten Anlagen wurden in dieser Weise ausgeführt. Am Beispiel des Not-Aus-Kreises sieht das wie folgt aus: Die Sicherheitskontakte der Not-Aus-Taster werden in Reihe geschaltet (s. Abb. 1). Da jeder Not-Aus-Taster über zwei Kontakte verfügt, ergeben sich zwei voneinander unabhängige Kanäle. Idealer Weise sollten diese Kanäle in unterschiedlichen Kabeln geführt werden. Die Enden dieser beiden Kanäle werden auf ein Sicherheitsrelais gelegt, z.B. Moeller ESR4-NO. Wird einer oder beide Kanäle durch Betätigung eines Not-Aus-Tasters unterbrochen, wird über einen Schaltkontakt das Hauptschütz abgeschaltet. Dem Sicherheitsrelais wird die vollzogene Abschaltung über einen Hilfskontakt zurückgemeldet. Neben der eigentlichen Auslösung hat das Sicherheitsrelais eine Überwachungsfunktion. Bemerkt das Sicherheitsrelais ein unterschiedliches Zeitverhalten der beiden Kanäle, oder löst gar nur ein Kanal aus, dann lässt sich die Anlage nicht wieder einschalten. Das Sicherheitsrelais selber ist mit zwei Relais aufgebaut, die sich gegenseitig überwachen.
Vorteile
» Geringe Kosten für die Komponenten
» Einfache Handhabung für die Instandhaltung
» Hohe Transparenz bei Fehlersuche vor Ort
Nachteile
» Hoher Verkabelungsaufwand
» Unflexibel bei Nachrüstung Sicherheitseinrichtungen
» Unflexibel bei Änderung der Sicherheitsbereiche
» Kein Zugriff über Fernwartung
Ausführung mit dedizierter programmierbarer Sicherheitssteuerung
Im Gegensatz zu der oben geschilderten konventionellen Sicherheitstechnik erfolgt die Verkabelung der Not-Aus-Taster und Sicherheitsschalter durch ein sicheres Feldbussystem, z.B. SafetyBUS p von Pilz. Über sichere dezentrale Eingangsmodule werden die Eingangssignale aufgeschaltet, natürlich auch wieder zweikanalig. Über den sicheren mehrkanaligen Bus werden die Signale zur programmierbaren Sicherheitssteuerung, z.B. PSS von Pilz, übertragen (s. Abb. 2). Hier lassen sich alle Sicherheitsfunktionen mittels Anweisungsliste, Kontaktplan oder Funktionsplan frei programmieren. Ausgänge können direkt an der Steuerung oder dezentral ausgeführt sein. Über redundante Prozessoren und eine ständige Diagnose überwacht sich das Sicherheitssystem ständig selbst. Sowohl Bussystem, wie auch Steuerung sind vollständig vom restlichen Steuerungssystem getrennt.
Das Nachrüsten von Sicherheitsschaltern, o.ä. gestaltet sich sehr einfach. Es ist lediglich ein sicheres dezentrales Eingangsmodul im nächsten Klemmkasten, oder der nächsten Steuerstelle nachzurüsten. Die Verkabelung beschränkt sich auf die Strecke zwischen Eingangsmodul und Schalter. Auswirkungen auf die restliche Verkabelung gibt es nicht. Unitechnik hat solche Systeme bereits mehrfach eingesetzt und ist mit Handhabung und Funktion sehr zufrieden.
Vorteile
» Geringer Verkabelungsaufwand
» Getrennte Systeme für Sicherheit und Funktion
» Hohe Flexibilität bei Änderungen
Nachteile
» Hoher Preis für die Komponenten (im Vergleich zu Sicherheitsrelais)
» Komplexer durch zwei Steuerungssysteme
» Verlegung von zwei Bussystemen
Ausführung mit integrierter Sicherheitssteuerung
Die traditionelle Trennung von Sicherheitstechnik und Anlagensteuerung hat die Firma Siemens mit Ihrem Safety Integrated System aufgehoben. Bei Auswahl einer fehlersicheren CPU, z.B. S7-400F, lassen sich alle Steuerungs- und Sicherheitsfunktionen auf einer SPS realisieren. Die Sicherheitsanforderungen an die Signalübertragung gewährleistet Siemens mit Ihrem Profil Profisafe. Dieses ermöglicht die Verwendung von ProfiBUS und Profinet für sicherheitsgerichtete Funktionen. Damit wird ein Bussystem für die Steuerungs- und die Sicherheitstechnik verwendet (siehe Abb. 3). Profisafe überwacht den sicherheitsgerichteten Datenverkehr über den Standardbus derart, dass auch ohne Mehrkanaligkeit die höchsten Sicherheitsanforderungen für die Prozess- und Fertigungsindustrie (bis Kategorie 4 nach EN 954-1) erfüllt werden. Sichere Eingangsmodule in der Peripherie gestatten wiederum die sichere zweikanalige Anschaltung der Sicherheitseinrichtungen.
Vorteile
» Sehr geringer Verkabelungsaufwand
» Einfache Handhabung und Programmierung
(ein System)
» Hohe Flexibilität bei Änderungen
» Durchgängiger Fernzugriff
Nachteile
» Sehr teure CPU (ca. dreifach gegenüber Standard CPU)
Wirtschaftlichkeit:
Betrachtet man die Kosten für die Erstinstallation in Betonfertigteilwerken, so stellt die klassische Sicherheitstechnik mit Sicherheitsrelais die kostengünstigste Lösung dar. Die Ersparnis beim Montageaufwand wiegt die Mehrkosten der elektrischen Komponenten nicht auf. Je größer und komplexer die Anlagen werden, desto kleiner wird diese Differenz.
Zieht man den Betrieb und die zukünftigen Veränderungen einer Anlage mit in die Überlegung ein, so könnte sich ein anderes Bild ergeben. Neue Sicherheitseinrichtungen können bei Verwendung von Buslösungen einfacher nachgerüstet werden. Sicherheitsbereiche lassen sich bei programmierbaren Systemen schneller ändern.
Betrachtet man die Praxis – Unitechnik hat in den letzten 20 Jahren fast 200 Betonfertigteilwerke automatisiert – so kommt es in der Regel nur dann zur Änderungen an Sicherheitsbereichen und –einrichtungen, wenn Anlagen erweitert werden. Dabei müssen in der Regel neue Fördereinrichtungen errichtet, Steuerstellen ergänzt und Schutzzäune gebaut werden. Die Änderungen in der Sicherheitstechnik fallen da kaum ins Gewicht.
Fazit
Programmierbare Sicherheitssysteme, die die Anbindung über einen Feldbus ermöglichen, sind sehr flexibel aber derzeit noch recht teuer. Für die Anforderungen eines Betonfertigteilwerkes stellt die Ausführung mit Sicherheitsrelais in der Regel die wirtschaftlichere Lösung dar.
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