Contech/Precast 2016: Russische Fertigteilindustrie in der Krise
Gleich dreimal an einem Messetag wurde das BFT-Standteam um Vermittlung von Investoren beziehungsweise Käufern gebeten. Zum Verkauf stehen zwei russische Betonwerke und die Produktion eines russischen Herstellers von Maschinen für die Beton- und Asphaltindustrie. Diese Begegnungen bei der diesjährigen Konferenz und Messe ConTech/PreCast verdeutlichen wohl klarer als jeder abstrakte Konjunkturbericht einer Unternehmensberatung oder eines Ministeriums wie es um die russische Baustoffindustrie und insbesondere die Betonindustrie bestellt ist.
Die Krise trifft einmal mehr den sowieso kaum vorhandenen russischen Mittelstand. Vor allem fernab von Moskau, der wirtschaftlichen und politischen Hauptstadt des Riesenreiches, in den russischen Regionen, machen sich die Auswirkungen der Sanktionen von USA und EU und die protektionistischen Gegenmaßnahmen der heimischen Regierung bemerkbar, so der technische Direktor eines Betonfertigteilwerks in Samara. Die zahlreichen Erfolgsberichte internationaler Maschinenhersteller aus der jüngeren Vergangenheit widersprächen seinen Aussagen nicht, so der Mann – wenn derzeit noch Anlagentechnik gekauft werde, dann sei bei diesen ausnahmslos großen Projekten als Investor fast immer der Staat involviert.
Russen füllen Lücke notdürftig
Nüchtern fiel auch die Einschätzung der Wirtschaftslage durch die Vertreter der in Moskau vertretenen internationalen Zulieferunternehmen aus. Das Motto ist einhellig: Ausharren – vorerst auch ohne neue Aufträge, Flagge zeigen und auf das Ende von Sanktionen und Krise hoffen.
Unabhängig von einander und stellvertretend für viele andere bestätigten Yevgeniya Petryashova von mbk Maschinenbau, Deutschland, und Vladimir Markin von Hawkeye Pedershaab, Dänemark und USA, dass für die internationalen Hersteller derzeit wenig Geschäft zu machen sei in Russland. Der unvorteilhafte Wechselkurs Rubel-Euro (im November rund 70:1) beziehungsweise Rubel-Dollar (im November rund 65:1) und fehlende Einnahmen für den russischen Staat als Folge des weiterhin verhältnismäßig niedrigen Ölpreises (im November unter 57 Euro bzw. 60 US-Dollar pro Barrel) ließen das Management privater wie staatlicher Betonfertigteilwerke von Investitionen zurückschrecken.
Wenigstens zum Teil werde der Bedarf der Werke vorübergehend durch heimische Maschinenhersteller geschlossen. Doch das sei bei der – auch den russischen Käufern bewussten – minderen Qualität, eher eine Verzweiflungstat, so mbk-Managerin Petryashova. Sobald sich die russische Wirtschaft erhole, würden die nur zeitweise abtrünnigen Käufer wieder auf die Technologie der internationalen Hersteller setzen.
Gegen den Trend
Gleiches Lied bei den Herstellern von Maschinen und Anlagen für die Produktion von konstruktiven Fertigteilen: Sogar die Anton Ohlert GmbH mit Sitz in Moskau, exklusiver Vertriebspartner vieler internationaler Premiumhersteller, darunter Weckenmann Anlagentechnik oder Nordimpianti, muss mit der Kaufzurückhaltung der russischen Betonfertigteilhersteller zurechtkommen. Einer der wenigen Lichtblicke: Batterieschalungen gingen derzeit ganz gut, so der Ohlert-Vertreter am Moskauer Messestand. Erst kürzlich habe man knapp 20 Weckenmann-Schalungen an ein St. Petersburger Unternehmen liefern können.
Gegen den Trend ist derzeit ein weiterer deutscher Hersteller erfolgreich: Die Weiler GmbH mit Stammsitz in Gau-Algesheim konnte jüngst ein Werk in Samara an der Wolga mit Anlagen ausrüsten (s. auch BFT International 01/2017, S. 24-25). Zwar wurde der Auftrag bereits vor zwei Jahren angebahnt, aber das Weiler-Team kann positiv für sich verbuchen, dass der Auftrag trotz Krise erfolgreich durchgeführt und das Werk im Sommer 2016 pünktlich in Betrieb genommen wurde.
Auf der Messe ConTech/PreCast präsentierte Weiler-Manager Roman Ivanov der BFT-Redaktion mit Stolz das Werk mit MAX-truder für die Produktion von Hohldecken und Zwischenwandelementen, MULTI-caster für die Fertigung von vorgespannten Gründungspfählen und Fensterstürzen sowie Betondosiereinheit, automatischer Kübelbahn und Betonverteiler – alle Komponenten aus dem Hause Weiler.
Wissen ist gefragt
Anders als auf der Messe war der Besucherandrang bei der diesjährigen, wie immer parallel abgehaltenen Konferenz wieder groß. Für das Podium der Fachzeitschrift BFT International „Aktuelle Fragen der Betonfertigteilproduktion“ interessierten sich rund 150 Vertreter von Werken, Forschungseinrichtungen und aus der städtischen und staatlichen Verwaltung.
Über viel Aufmerksamkeit konnte sich Hubert Rapperstorfer freuen, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens mit Sitz im österreichischen Steinhaus. In seinem kurzweiligen multimedialen und informativen Vortrag präsentierte Rapperstorfer seine mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Erfindung „Korbwand“. Technologie und zugehörige Anlagentechnik erlauben es erstmals, Bewehrungskörbe für Doppelwände vollautomatisch zu produzieren.
Nicht weniger Aufsehen erregten die aufeinander folgenden Vorträge von Jürgen Oecknick, PSA Zurich Area GmbH, und Dipl.-Ing. (FH) Michael Erhardt, Geschäftsführer von Hemmerlein Ingenieurbau. Im Tandem stellten sie den Zuhörerinnen und Zuhörern Theorie und Praxis der Produktion von edlen Architekturbeton-Fassaden mit Weißzement vor.
Weitere Vorträge des BFT-Podiums: Peter Kaufmann, Geschäftsführer von SMK Ingenieure mit Sitz in der deutschen Stadt Chemnitz, ging in seinem Vortrag auf die Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung und energieeffizienten Fertigteilproduktion ein. Sergey Petrunin vom Bauchemie-Hersteller Makromer mit Sitz in Vladimir informierte über die effektive Anwendung von Fließmitteln auf Polycarboxylat-Basis. Vyatcheslav Nesvyataylo von der Moskauer Bauaufsicht sprach über die „Verbesserung der Qualität von Betonoberflächen“ und Yevgeniy Filatov, technischer Leiter der „Bryansker Fertigteilfabrik für den Wohnhochbau“, stellte einen Schnelltest zur Prognose der Zementaktivität vor.
Text: Christian Jahn, M. A.
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