Frankfurt UAS/FDB/HeidelbergCement

Neue Förderpreise für Planen mit Betonfertigteilen vergeben

„Unser Ziel ist es, die Studierenden fit zu machen, damit sie ihr erlerntes Wissen über die Betonfertigteilkonstruktion in die Büros tragen“, so Prof. Dominik Wirtgen von der Frankfurt University of Apllied Science (UAS). Planen und Bauen mit Betonfertigteilen bieten er und Prof. Jean Heemskerk seit letztem Jahr in ihrem Fachgebiet Baukonstruktion als Vorkurs für die Bachelorarbeit an. Immerhin 17 der insgesamt 60 Bachelorarbeiten der Fakultät setzten sich im Wintersemester 2016/2017 mit dem Thema auseinander.

Zum Ende des Semesters wurden jetzt erstmals Bachelorarbeiten mit zwei neuen Förderpreisen ausgezeichnet – einer gestiftet von der Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau (FDB) und einer von der Heidelberg Cement AG. Die Idee für die Förderpreise hob Wirtgen im vergangenen Jahr zusammen mit der Geschäftsführerin der Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau (FDB), Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Elisabeth Hierlein, aus der Taufe. Die FDB dotierte ihren Förderpreis mit 500 Euro für die beste Bachelorthesis, die die Bauart mit Betonfertigteilen zum Gegenstand hat.

 

Entwürfe für Heidelberger Bahnstadt

Zur fiktiven Beplanung ausgesucht wurde das real existierende Baufeld Z1 der Heidelberger Bahnstadt, ein Areal, das mit dem Rückbau des Güterbahnhofs entstand. Die Studierenden sollten zunächst einen städtebaulichen Entwurf in Form eines Gevierts erstellen, in dem sich unter vier Wohn- und Geschäftsbauten mindestens ein Bürogebäude aus Beton befinden musste. Zudem war die Anlage einer Betonfassade gewünscht, jedoch nicht explizit vorgeschrieben. Innerhalb ihrer Bachelorarbeit konnten die Studierenden dann eigenständig Schwerpunkte setzen oder besonderen Aspekten nachgehen, die sie nach Absprache mit ihren Betreuern tiefergehend ausarbeiteten. Das vorgelegte Themenspektrum war ebenso breit wie beeindruckend:

Eine Arbeit bewertete und verglich drei Konstruktionsarten – vorgehängte Platte, Sandwichfassade und Faserzementplatte – nach ihren Erstellungs- und ihren Baukosten, wobei die Studentin teilweise DGNB-Kriterien und Baukosten-Indizes zugrunde legte.

Eine andere Arbeit machte sich architekturtheoretische Ansätze zu eigen, also philosophisches Gedankengut, um den Entwurf baukonstruktiv in den Griff zu bekommen. Konkret ging es um den Transparenzbegriff nach Collin Rowe, das heißt eine Strategie, wie man den Glasanteil eines Gebäudes de facto zwar reduziert, dabei dennoch dessen transparenten Charakter erhält.

 

E-förmige Fassadenmodule

Ausgezeichnet wurde von der FDB-Jury jedoch der Bau von Herrn Jochen Sauer, der in seinem Entwurf zwei Sandwichfassaden entwickelte, eine für die Straße und eine für den Innenhof. Seine konstruktive Lösung muss als unkonventionell bezeichnet werden. Er drehte die typischen M-förmigen Fassadenmodule um 90° und addierte die so entstandenen E-förmigen Module plausibel aneinander. Für die Jury war hier insbesondere die Detailtiefe beachtlich, bei der sogar die Bewehrung berücksichtigt wurde und die insgesamt ein sehr tiefes Verständnis für den Betonfertigteilbau dokumentiert. Für Prof. Wirtgen ist diese Arbeit, auch weil sie eine Bachelor- und keine Masterthesis ist, etwas ganz Besonderes. „Das ist so baubar“, attestiert er. Sehr beeindruckt von dieser Arbeit waren auch Sauers Kommilitonen, die ihn mit ihrem Studierendenpreis auszeichneten. Denn auch die Studierenden des Fachbereichs Architektur vergaben in diesem Semester, unterstützt vom Deutschen Architektur Museum in Frankfurt (DAM), eine Auszeichnung für die in ihren Augen beste von allen 60 Bachelorarbeiten.

Für das tiefste und umfassendste Verständnis für das Planen und Bauen in Beton wurde Tabea Wodsack von der Heidelberg Cement AG mit dem „Innovation Betonpreis“ ausgezeichnet, der ebenfalls mit 500 Euro dotiert ist. Wie ihre eingangs erwähnte Kommilitonin hatte sie mehrere Konstruktionsformen in Beton miteinander verglichen und wirtschaftlich bewertet – diesmal Sandwich, Faserbeton, vorgehängte Fertigteile und Dämmbeton. Hinzu kam bei ihr, dass sie alle vier Bauweisen bis hin zur Ausführungsplanung durchgearbeitet hatte. Dabei berücksichtigte sie zudem, dass die Tragkonstruktion angepasst werden muss, wenn im Rahmen einer Dimensionierung nach Energieeinsparverordnung (EnEV) die Querschnitte zunehmen und die Tragfähigkeit zunehmend eingeschränkt ist. Dabei fanden die daraus resultierenden Mehrkosten und die sich verändernde Bauphysik Eingang in ihre Betrachtungen. Konkret wies sie nach, dass mit einer 60er Wand zu arbeiten ist, um in Dämmbeton die EnEV zu erfüllen. Hier wäre aber die Wandrohdichte so schlecht, dass von einer selbsttragenden Fassade auf eine Stützenkonstruktion gewechselt werden müsste, weshalb sie diese Bauweise hier nicht empfahl.

Seminar „Akustische Strukturen in Beton“

Mit „lehrender Forschung“ umschreibt Prof. Wirtgen das pädagogische Prinzip in einem weiteren Wahlpflichtfach, dass er im vergangenen Wintersemester mitbetreute. Es beschäftigte sich mit schallabsorbierenden Betonfertigteilvorhangfassaden. Die Ergebnisse des Fachs wurden am Rande der oben beschriebenen Preisverleihungen mitpräsentiert. Bei dem integralen Forschungs- und Unterrichtsprojekt betreute er die Baukonstruktion, sein Kollege Prof. Holger Techen die Tragwerksplanung und Dr. Hans Peter Grimm die Bauphysik (Lärmschutz). Ausgangspunkt des Seminars war die Tatsache, dass sich mit der Beschaffenheit und der Geometrie von Oberflächen gezielt Frequenzen ausfiltern lassen. So etwa können die Schallemissionen von Lkw, von Straßenbahnen oder von Düsenflugzeugen unmittelbar angesteuert werden, um den allgemeinen Straßenlärm spürbar zu senken.

„In der Architektur lernen die Studenten, sich mit Abstandsflächen oder mit der Verschattung eines Gebäudes auseinanderzusetzen, nicht aber, wie eine Architektur akustisch ein Stadtbild verändert. Dafür wollen wir hier ein Bewusstsein schaffen“, merkt Techen an.

Angelegt war das Projekt als Gruppenarbeit, bei der die Studierenden ihre jeweiligen Ideen zu einer Lösung fusionierten. Insgesamt vier Fassadenvorschläge entstanden so als Modelle im Maßstab 1:1 in Betonfertigteilbauweise. Die erste Arbeit widmete sich tieffrequentem Schall und stellte fest, dass es bauphysikalisch unerheblich ist, ob man mit Pyramidenspitzen oder nur mit den entsprechenden Stümpfen als Absorber arbeitet. Dabei sind letztere deutlich leichter zu schalen und auszurichten, zudem waren sie, ausgeführt als hohle Faserbetonkörper, auch sehr leicht.

 

Forschung muss auch scheitern

Auch die zweite Arbeit baute auf Pyramidensockeln auf; sie waren nur deutlich kleiner und wurden als „Pixel“ bezeichnet. Im Gegensatz zur ersten setzte diese Arbeit auf eine Schallreduktion durch Diffusion, also eine scheinbar ungerichtete Anordnung dieser Pixel, um eine gedämpfte, aber allseitige Abstrahlung zu erreichen. Die dritte Arbeit griff das Thema Hinterschnittkonstruktion auf. Hier werden entsprechend der zu eliminierenden Frequenz sehr tiefe Fugen angelegt, die die Schallwellen durch Reflexionen stark dämpfen. Leider übertrafen die erforderlichen Fugentiefen die Schalungsmöglichkeiten von Beton. Gleichwohl konisch angelegt quoll das Schalholz und war nicht mehr ausschalbar.

Die studentische Leistung fand dennoch Anerkennung. „Manchmal muss Forschung auch scheitern“, kommentiert Prof. Wirtgen trocken. Die vierte Arbeit setzte sich mit der Schaffung doppelt gekrümmter Freiformen auseinander, die mithilfe einer von Spanten getragenen Textilschalung erstellt wurden. Ein Ansatz, der derzeit ein größeres Forschungsthema an der TU Darmstadt darstellt. Die Studierenden gingen den Fragen nach, ob sich mit Spanten eine Schalung darstellen lässt, welche Textile in Frage kommen, ob und welche Vorspannung zu wählen ist und wie man geometrisch die sphärische Krümmung – also die Beulen – erreicht. Gerade diese in Beton gut zu erstellende Freiform schafft sich kontinuierlich verändernde Schallabstrahlungswinkel, damit eine hohe Diffusion und so eine deutliche Schallreduktion.

Bei allen vier Konzepten wurde mit Stahlfasern als armierendem Zuschlag gearbeitet und dessen hohe Eignung gerade für dünne Fassadenbauteile nachgewiesen. Insbesondere erschien das Material als Armierung für einen zweifach gekrümmten Körper nahezu ideal, da eine Bewehrungsmatte hier kaum zu verwenden ist.

Text: Dipl.-Ing. Robert Mehl

 

CONTACT

Frankfurt University of Applied Science (UAS)

Nibelungenplatz 1

60318 Frankfurt am Main/Germany

+49 69 1533-0

www.frankfurt-university.de

 

Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e. V. (FDB)

Schlossallee 10

53179 Bonn/Germany

+49 228 9545656

www.fdb-fertigteilbau.de

 

HeidelbergCement AG

Berliner Straße 6

69120 Heidelberg/Germany

+49 6221 481-0

www.heidelbergcement.de

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