Rohrmaschinen und Schachtmaschinen
Die diesjährige bauma stand zunächst unter mehreren Fragezeichen: Würden die Aussteller mit rigiden Sparprogrammen auch beim Messeauftritt auf die Krise reagieren? Diese Frage kann ganz klar verneint werden. Es gab hier und da Zurückhaltung bei der Anzahl der Exponate, aber im Großen und Ganzen waren die Auftritte repräsentativ wie immer. Haben die Sparprogramme die Entwicklung gebremst und damit die Innovationsfähigkeit reduziert? Auch diese Frage kann ganz klar verneint werden: im Gegenteil, es gab erstaunliche Neuheiten zu bewundern.
Und zu guter letzt: wie würde das Flugverbot über Europa gerade die extrem exportorientierten Hersteller von Rohr und Schachtmaschinen treffen? Leider spiegelte sich das zumindest für die ersten Messetage wider, aber man war allgemein zuversichtlich, dass die konkreten Projekte dann eben nach der bauma realisiert werden könnten. Glücklicherweise wurde das Flugverbot noch während der bauma aufgehoben, sodass auch die ausländischen Aussteller ihre Standbesatzungen noch komplettieren konnten. Nachfolgend wird ein Überblick über die führenden Hersteller und ihr Ausstellungsprogramm gegeben (Anm. d. R.: kein Anspruch auf Vollständigkeit).
Besser-Omag
Durch die Programme der beiden Firmen verfügt man über ein sehr breites Rohrmaschinenspektrum: Aus der Besser – Linie kommt die BiDi®. Der Name steht für Bidirectional (gegenläufig) und bezieht sich auf die Drehrichtung von Verteilerebene und Verdichtungsebene im Rollenkopf, womit auch schon der Maschinentyp beschrieben ist. Es handelt sich um eine Hochleistungsmaschine mit Namen A 60, wobei die Typbezeichnung für die Dimension steht (60 inch, d.h. für Rohre bis etwa DN 1500). Die Taktzeit liegt bei den kleineren Durchmessern im Bereich von unter 1 min pro Rohr. Die Maschine verfügt serienmäßig über 2 getrennte Hydrauliksysteme für die beiden Rollenkopfebenen, sodass eine optimale Anpassung der beiden Drehmomente beim Verteilen und Vorverdichten einerseits und dem Endverdichten und Glätten andererseits gegeben ist.
Ergänzend zur Fertigungsmaschine hat man gemeinsam mit der deutschen Linie und durch die Übernahme von Messmann ein komplettes Transportsystem als moving–floor–system entwickelt. Eine Besonderheit ist der Antrieb der Vorschübe über Hydraulikmotoren, was einen sehr sanften Transport gewährleisten soll.
Aus der Omag – Linie stammen die bewährten Unterflurmaschinen mit Kernrüttlung, wie die R 120/120 als Schachtringmaschine sowie die R 250/120 als Rohrmaschine. Von dieser Maschine stammt auch das ausgestellte Rohr mit PVC–Liner, ein Produkt das nur auf Kernmaschinen, nicht auf Rollenkopfmaschinen hergestellt werden kann. (Abb. 1)
B+S GmbH
Hier war insbesondere die Neuentwicklung für die Fertigung von Schachtunterteilen mit Gerinne interessant: Ein Industrieroboter fräst aus einem vollen Körper das Gerinnenegativ, also ein Ansatz ähnlich BFS. Im Gegensatz dazu ist der Körper jedoch aus Wachs, sodass das Recycling problemlos im Betonwerk statt finden kann, und zwar sowohl für die Fräsabfälle als auch nach dem Entschalen für die Negativformstücke (Abb. 3). Als einziger Hinweis sollte erwähnt sein: ein gewisser Energieaufwand für das Einschmelzen des Wachses beim Recyceln bzw. der Herstellung der Vollkörper ist bei diesem Verfahren notwendig.
Der fertige Formling wird bevorzugt zur Fertigung mit SVB verwendet, möglich ist aber auch die Verarbeitung in Gießformen mit Außen– oder Flaschenrüttlern. Lediglich den Einsatz von erdfeuchtem Beton bei Sofort-entschalung sieht man eher skeptisch, vermutlich sind hier die erforderlichen Rüttelkräfte doch etwas zu groß für die Formstücke.
BFS – Casagrande
Hier sind zwei Anlagentypen besonders interessant:
Hier hat man vor Jahren umgestellt auf Elektro–Antriebe für den Rollenkopf. Diese sind jetzt zum Teil jahrelang im Einsatz, sodass man mit Fug und Recht sagen kann, dass ausreichend Erfahrung vorliegt. Sie ist ganz offensichtlich positiv, denn der Elektroantrieb ist die Standardausführung, man bietet nicht etwa die Hydraulik als Option an.
Hier hat man einen sehr innovativen Lösungsansatz gewählt, wie er in abgewandelter Form auch anderswo zu sehen war: Mit Hilfe eines Industrieroboters wird die Form des Gerinnenegativs aus einem Vollkörper gefräst. Dieser Körper besteht aus EPS oder gebundenem Sand, sodass sowohl der Fräsabfall als auch das Gerinnenegativ nach dem Abschluss der Fertigung rezykliert werden können. Die Fertigung des Negativs aus einem Stück sorgt für absolut sanfte, runde Übergänge. Die Produktion des Schachtunterteils (Abb. 2) erfolgt aus selbstverdichtendem Beton in Schalungen. Die Programmierung des Fräsroboters ist äußerst bedienerfreundlich, es werden die relevanten Daten wie Anzahl, Durchmesser, Position der Zu- und Abläufe eingegeben, den Rest erledigt die Software, wobei zunächst eine komplette Darstellung des Gerinnes erfolgt, die vom Kunden genehmigt werden kann.
Colle – Wagener & Polascheck
Man informierte über das gesamte Lieferprogramm. Dieses umfasst :
» Die Rollenkopfmaschine Turbomaster: Hier ist der Rollenkopf elektromotorisch angetrieben, aber im Gegensatz zur BFS–Maschine von einem Antriebsmotor. Die Gegenläufigkeit zwischen Verdichtungs- und Glättebene erfolgt über ein Getriebe.
» Schwerpunkt des Programms ist Vibromatic, eine Maschine mit stehendem Kern für eine maximale Fertigungsgröße von 2,5 m Durchmesser bei einer max. Baulänge von 3 m. Neuartig ist hierbei die Befüllung. Auch bei Zweifach- oder Dreifachfertigung wird immer die Mitte jeden Rohres beschickt, sodass optimale Gleichmäßigkeit der Produkte gewährleistet ist.
» Die Vimatic ist die Maschine für große Formate, d. h. bis zu Rohrdurchmessern von 3 m bzw. Rahmenelementen von 2,5 x 2,5 m. Darüber hinaus kann diese Maschine auch Konen, Schachtringe und - ergänzt durch eine Wendeeinrichtung - Behälter und Dreikammerkläranlagen fertigen.
Ergänzt wird das Programm durch Gießformen, Transporteinrichtungen für Muffen und erhärtete Rohre sowie ein Modularsystem für Rahmenelemente.
HawkeyePedershaab
Die Messeneuheit betrifft die Hochleistungsmaschine Mastermatic mit einer Leistung von 44 Rohren DN 300 – 600 pro Stunde: Hier ist der bisher entscheidende Nachteil – die erheblich längere Dimensionswechselzeit einer Maschine mit steigendem Kern gegenüber einer Rollenkopfmaschine - eliminiert worden. Dank einer neuen Formschnellwechseleinrichtung ist der Formwechsel nun in 30 min pro Seite durchzuführen.
Für die Schachtringfertigung hat man zwei verschiedene Maschinen bzw. Einrichtungen im Programm:
» Smartcast für das Gießverfahren mit selbstverdichtendem Beton: Dies ist insbesondere auch gedacht für Schachtunterteile mit Gerinne, wobei die Negativformstücke gefräst werden.
» Kastmaster für die Produktion mit erdfeuchtem Beton und Sofortentschalung: also für größere Stückzahlen.
Außerdem hat man eine eigene Korbschweißmaschine entwickelt.
Prinzing
Auch hier stand der Messeauftritt ganz im Zeichen der Fertigung von Schachtunterteilen mit Gerinnen, wobei hier ein völlig anderer, aber ebenfalls hochinteressanter Ansatz gewählt wurde: Anstatt separate Formkörper für die Gerinne herzustellen, wird das Schachtunterteil als kompletter Betontopf mit entsprechend dickem Boden hergestellt und im teilerhärteten Zustand gefräst. Hierbei werden sowohl die seitlichen Öffnungen als auch die Gerinne in den Beton gefräst. Dafür werden natürlich
unterschiedliche Werkzeuge benötigt, den hierdurch erforderlichen Werkzeugwechsel führt der Roboter voll-automatisch aus. Die zugehörige bedienerfreundliche Software gestattet wie bei den anderen beschriebenen Systemen eine einfache kundenspezifische Eingabe der Gerinneparameter mit der Erstellung einer zugehörigen Darstellung des Endproduktes.
Wichtig ist bei diesem Verfahren die richtige Wahl des Bearbeitungszeitpunktes, denn bei zu früher Bearbeitung kann es zu Ausfransungen an den Rändern kommen, bei zu langem Aushärten könnte der Werkzeugverschleiß negativ beeinflusst werden. Erstaunlicherweise ist das Thema Werkzeugverschleiß keinesfalls ein Kostenfaktor: Man hat jetzt 2 ½ Jahre Fertigungserfahrung und der im Einsatz befindliche Roboter arbeitet noch mit dem ersten Werkzeugsatz.
Der Zeitfaktor ist ebenfalls sehr praxisbezogen: bei einer angenommenen Stückzahl von 20 Schachtunterteilen nimmt die Fertigung der Rohkörper ca. 3 Stunden in Anspruch, nach ca. 4 h kann bei normaler Witterung bereits mit dem Fräsen begonnen werden, sodass derselbe Mitarbeiter, der zunächst die Rohlinge gefertigt hat, diese anschließend auch bearbeitet. Da die Bearbeitungszeit etwas länger als die Fertigung dauert, ist die Erhärtungszeit für die letzten Elemente etwas länger, liegt jedoch absolut im Rahmen des zulässigen Zeitfensters. Dieses wirklich innovative Verfahren wird unter dem Namen „Primuss“ vermarktet. Im Werk stehen die Formkörper entweder auf Flurhöhe oder leicht erhöht, der Roboter befindet sich unter Flur. Die gewählte Anordnung auf der bauma war lediglich zu Ausstellungszwecken (Abb. 5).
Schlosser - Pfeiffer
Als Tochterunternehmen der Hess - Gruppe präsentierte man sich selbstverständlich auf diesem Stand. Die komplett überarbeitete Radialpresse war eines der Highlights dieser Präsentation. Die durchgeführte Weiterentwicklung stand ganz unter den Aspekten: fertigungsfreundlich, transportfreundlich, montagefreundlich, bedienerfreundlich.
Deswegen ist die Konstruktion jetzt ganz auf die guten Fertigungsmöglichkeiten in Burbach ausgelegt, sodass die Fertigung in Zukunft nur noch dort und das äußerst rationell durchgeführt wird.
Die Maschine passt vormontiert auf ein 40‘‘ Flat. Dadurch, dass der Versand im vormontierten Zustand erfolgt, ergibt sich eine sehr kurze und somit kostengünstige Montage. Die Schaubilder der Visualisierung der Steuerung wurden überarbeitet, alle Weg- , Zeit- und Druckangaben erfolgen jetzt in absoluten Zahlen und in der jeweiligen Dimension, sodass die Fertigungsparameter für den Bedienungsmann auch wirklich verständlich sind.
Das eigentliche Highlight der neuen Maschine
RP 1225-4 ist jedoch die vollautomatische Schnellwechseleinrichtung des Rollenkopfes (Abb. 6). Wesentlich ist hierbei nicht nur der Zeiteffekt, denn schon bisher ist zumindest bei kleineren Dimensionen der Rollenkopf relativ schnell gewechselt. Vielmehr ist es nun denkbar, in einem Arbeitsgang mit zwei Rollenköpfen mit nur leicht voneinander abweichenden Durchmessern ein Rohr aus zwei verschiedenen Betonen, ein sogenanntes Verbundrohr, herzustellen. Dies eröffnet eine echte Alternative zu Rohren mit Kunststoffauskleidung. Schlosser – Pfeiffer hat bereits auf ein solches Fertigungsverfahren ein Patent und hat selbstverständlich auch die jetzige Vorrichtung zum Patent angemeldet.
Schlüsselbauer Technology GmbH & Co. KG
Neben dem neuen Rohrsystem Perfect Pipe+ stellte das Unternehmen die schon von der bauma 2004 bzw. 2007 bekannten individuellen Perfect-Schachtunterteile bzw. das damit verbundene Fertigungssystem aus. Das Highlight an diesem Stand war ein Schachtunterteil DN 1500 aus Hochleistungsbeton, an dem Rohre mit Nennweiten bis zu DN 1000 angeschlossen werden können. An dem ausgestellten Messe-Perfect-Schacht waren bereits Rohre des neuen Systems Perfect Pipe+ in den Nennweiten DN 200 und DN 400 angeschlossen.
Zusammenfassung
Es gab auf der bauma 2010 wieder echte Neuheiten zu sehen, und zwar sowohl bei der Rohr- als auch bei der Schachtfertigung, wobei insbesondere letztere durch die Vielzahl von intelligenten und im Ansatz sehr unterschiedlichen Lösungen überraschte. Es wird interessant sein zu beobachten, ob sich ein besonderes Verfahren zur Fertigung von Gerinnen durchsetzt, oder ob mehrere nebeneinander existieren werden. Mut macht auf jeden Fall der Beweis, dass die Maschinenbauer auch in der Krise ihre Innovationsfähigkeit bewiesen haben und allen Sparmassnahmen zum Trotz Entwicklung betrieben haben.
Günter Becker