Wirtschaftstrends 1]

Vereinigte Arabische Emirate

Spätestens 2012, so die Prognose, werden die VAE wieder soviel importieren wie in dem Ausnahme-Boom-Jahr 2008. Abu Dhabi hat die nötigen Petro-Dollar, um viele seiner ambitionierten Großprojekte fortzuführen, während Dubai ein Gewinner der politischen Krise in der arabischen Welt ist. Die Stadt empfiehlt sich als sicherer, liberaler, attraktiver und mittlerweile auch billigerer Standort auf der Arabischen Halbinsel, dessen Logistik- und Tourismusvorsprung regional so schnell keiner aufholen kann.

Gesamtwirtschaftlicher Ausblick

 

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts

Die VAE sind nach einem Einbruch von 1,6 % 2009 wieder auf Expansionskurs und können in den Folgejahren mit sukzessive steigenden realen BIP-Zuwächsen rechnen. Ab 2013 erwartet die britische Economist Intelligence Unit sogar wieder ein BIP-Plus von 5,0 % oder mehr. Diese Prognosen basieren auf Zahlen des neuen National Bureau of Statistics, das die Erhebungen der einzelnen Emirate konsolidieren und historische Zahlen revidieren soll. Nach Ansicht von Beobachtern sind die neuen BIP-Zahlen realistischer als die alten Schönrechnungen, Skepsis ist aber immer noch angebracht.

Motor des Wachstums ist wie schon in der Vergangenheit der Öl- und Gassektor. Die Zentralregierung und die einzelnen Emirate sind jedoch bemüht, die Wirtschaft auf breitere Füße zu stellen. Dies geschieht durch beachtliche Investitionen in Infrastruktur, Industrie und Dienstleistungen. Standen bisher vor allem die ökonomische Diversifizierung und erhoffte Gewinne im Vordergrund, so geht es mittlerweile verstärkt auch um die Schaffung von Arbeitsplätzen für die einheimische Bevölkerung und eine Appeasement-Politik. So vergab das Abu Dhabi Urban Planning Council anlässlich der Immobilienmesse Cityscape im April 2011 zum Beispiel Aufträge für den Bau von 7.500 Villen für einheimische Familien – das Stück für 1 Mio. US$. Hinzu kommen umfangreiche Pläne für weitere städtebauliche Vorhaben. Die in Abu Dhabi ansässige Zentralregierung will ferner den ärmeren und bislang zum Teil stark vernachlässigten nördlichen Emiraten unter die Arme greifen und vor allem für eine ausreichende Strom- und Wasserversorgung gewährleisten.

 Dubai setzt unterdessen etwas andere Prioritäten. Allen voran steht der Schuldendienst, der in den nächsten Jahren nur gelingen kann, wenn die Ausgaben gedrosselt und mehr Einnahmen generiert werden. Das Emirat besinnt sich deshalb wieder auf seine alten Stärken: Handel und Tourismus. Dabei kommt ihm die politische Großwetterlage in der Arabischen Welt zugute. Die in der ­Logistikstadt ansässigen Regionalbüros großer interna­tionaler Firmen haben in nennenswertem Umfang ausländisches Personal aus Tunesien, Libyen, Ägypten, Bahrain und Syrien nach Dubai verlegt. Gleichzeitig kommen viele arabische Besucher, vor allem Saudi-Araber, die zuvor zum Freizeitvergnügen nach Ägypten, Bahrain oder Syrien reisten, nunmehr nach Dubai. Alles in allem ein höchst lukratives Geschäft, in dessen Folge auch wieder Geld bereit steht, angefangene Hotels, Einkaufszentren und andere touristische Einrichtungen weiter und fertig zu bauen.

 

Investitionen

Den Umfang der geplanten oder begonnenen Investi­tionsprojekte in den VAE beziffert der Project Tracker von MEED per 10. Mai 2011 auf 641 Mrd. US$, etwas weniger als in Saudi-Arabien und 35,5 % weniger als noch ein Jahr zuvor. Aber auch diese reduzierte Summe dürfte noch eine Reihe ambitionierter Vorhaben enthalten, an denen offiziell festgehalten wird, obwohl die Arbeiten daran fast nicht mehr oder nur noch im Schneckentempo voran gehen. Aussagekräftiger sind die MEED-Statistiken über Projekte bzw. Projektteile in einer Ausschreibungsphase (aktuell 121 im Wert von 59 Mrd. US$) oder solche, für die bereits am Design (einschließlich Front-End Engineering and Design) gearbeitet wird (73 für 102 Mrd. US$).

Unterdessen ist ein zweiter Investitionstrend zu beobachten, der zwar weniger spektakulär, aber dennoch hochinteressant ist: Immer mehr Firmen aus der Arabischen Welt interessieren sich für eine Firmengründung in den VAE. Hintergrund ist das relativ geringe Länderrisiko der Emirate im Vergleich zu anderen Ländern der Region. Selbst für Handelshäuser, die mit arabischen Ländern überhaupt keine Geschäfte machen, sind die VAE, genau genommen Dubai, zunehmend interessant: Als logistische Alternative ist die Stadt ein deutlich attraktiverer Standort als beispielsweise das pakistanische Karachi oder das indische Mumbai.

Potenzielle Investoren und Unternehmen, die in die VAE exportieren wollen, sollten bei ihrer Entscheidung über den Markteintritt das Stärken-Schwächen-Profil des Standorts und die damit verbundenen Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) berücksichtigen:


Konsum

Fortgesetzt hohe öffentliche Ausgaben – vor allem in Abu Dhabi – sowie ein wieder zurückgewonnenes Vertrauen der Konsumenten kurbeln den privaten Verbrauch an. Im Rahmen einer Beschwichtigungspolitik werden höhere Summen an die einheimische Bevölkerung umverteilt, was dem Konsum erfahrungsgemäß direkt zugute kommt. Das wieder erstarkte Interesse an dem „sicheren“ Logistikzentrum Dubai lässt die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte wieder steigen, nachdem 2009 per Saldo eine Abwanderung zu verzeichnen war.

Der Dienstleistungssektor – insbesondere die Bereiche Hotellerie und Gastronomie sowie die großen Shopping-Center – erfreut sich wieder eines großen Zulaufs und profitiert von den Problemen anderer Länder in der Region. Die Inflationsrate bleibt dank gesunkener Mietpreise auf relativ niedrigem Niveau und wird für 2010 mit offiziellen 0,9 % angegeben. Angesichts der wieder erstarkten Weltkonjunktur und vor allem höherer Lebensmittelpreise dürfte die Geldentwertung 2011 aber wieder 2,5 % erreichen, was sich im Regionalvergleich dennoch sehen lassen kann (Saudi-Arabien-Prognose 2011: 6,0 %; Katar: 7,4 %). Besonders aussagekräftig ist die offizielle Inflationsrate der VAE allerdings nicht: Die Statistikbehörde beobachtet nur den Warenkorb der 10% Einheimischen, die sich hoher Subventionen erfreuen können.

 

Außenhandel

Der Außenhandel der VAE wird in den nächsten Jahren wieder kräftig zulegen und 2012 das Niveau des Boom-Jahres 2008 übertreffen – bei den Importen wie bei den Exporten. Die VAE erfreuen sich dank höherer Ölpreise und -exporte weiterhin hoher Handelsbilanzüberschüsse von durchschnittlich 14 % des BIP. Gleichzeitig zahlt sich die industrielle Diversifizierungspolitik aus und liefert einen steigenden Beitrag zu den Ausfuhren.

Dubai kann unterdessen seine Stellung als regionales Handelszentrum weiter ausbauen und braucht weiterhin keine Konkurrenz zu fürchten. Im Gegenteil: Die Unruhen in der Arabischen Welt haben Dubai in seiner Rolle als sicherer Hafen gestärkt. In welchem Maße Deutschland von den positiven Handelszahlen profitieren kann, bleibt abzuwarten. Asiatische Anbieter kommen in den letzten Jahren immer besser zum Zuge. Vor allem der Erfolg der Südkoreaner bei Großprojekten ist aus europäischer Sicht geradezu alarmierend. Der Vormarsch der VR China scheint sich unterdessen verlangsamt zu haben. Dagegen holt Indien auf, weil es in Sachen Logistik kräftig dazugelernt hat. Wenig hilfreich ist das neu aus­gehandelte Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den VAE, das für deutsche Firmen einen klaren Wettbewerbsnachteil mit sich bringen wird.

  

Branchen im Überblick

Dass die VAE für deutsche Firmen so attraktiv sind, liegt an ihrer hohen Importabhängigkeit, den ambitionierten Großprojekten, den vergleichsweise hohen Ansprüchen an industrielle Technik und – der Probleme Dubais zum Trotz – an der enormen Finanzkraft der Emirate. Dabei decken sich die Visionen der Herrscher nicht immer mit den Realitäten, wie Dubai schmerzlich erfahren musste. Der Markt ist zudem schwierig und heftig umkämpft. Wer mitmachen will, muss sich mit den lokalen Bedingungen sorgfältig vertraut machen und über die Vielzahl der Projekte gut informiert sein. Wer mit lokalen Firmen und Institutionen direkt Geschäfte machen will, sollte häufig – wenn nicht sogar ständig – vor Ort sein. Zur ­eigenen Nachfrage der VAE kommt das bedeutende Re-Export-Geschäft Dubais.

 

Kfz-Industrie:

Der Kfz-Markt in den VAE ist geprägt durch eine asiatische Übermacht. Bislang kommen vier von fünf Fahrzeugen aus Asien, drei davon aus Japan, sagen Marktkenner. Wertmäßig ist der Marktanteil Japans weniger dominierend, weil vor allem aus Deutschland vornehmlich Pkw der Luxusklasse importiert werden. 2010 kamen rund 43 % der Kfz-Importe aus Japan, 14 % aus Deutschland, 13 % aus den USA und 5 % aus Südkorea.


Maschinenbau:

Die VAE wollen ihre Politik der Industrialisierung verstärkt fortsetzen, um qualifizierte Arbeitsplätze für die eigene Bevölkerung zu schaffen. Treibende Kraft ist Abu Dhabi. Geplant sind vor allem neue Projekte in den Sektoren Petrochemie, Aluminium, Stahl und seit neuestem auch in Mikrochips. Um die größeren Vorhaben sollen sich Industrie-Cluster mit nachgelagerten Betrieben entwickeln. In den VAE existiert bereits eine nennenswerte Metallverarbeitung mit dem Fokus Bewehrungs- und Strukturstahl sowie Aluminium. Die zahlreichen laufenden und angekündigten Projekte werden auch in den kommenden Jahren zu einer signifikanten Nachfrage nach Maschinen und Anlagen führen. Hinzu kommt die Bedeutung der VAE als regionales Handelszentrum mit entsprechenden Re-Exporten.


Chemie:

Die VAE haben eine bedeutende und dynamisch wachsende Nachfrage nach chemischen Produkten in fast allen Sparten. Zum inländischen Bedarf kommt die Funktion Dubais als Handelsdrehscheibe und regionales Zentrum eines florierenden Re-Exportgeschäfts hinzu. Nachfrager von Pharmazeutika, Kosmetika und Körperpflegemitteln sind vor allem eine kaufkräftige Oberschicht sowie Touristen. Der Bedarf an Farben, Lacken und Bauchemikalien ist wegen der Immobilienkrise in Dubai zurückgegangen. Für die künftige Nachfrage nach Kunststoffen in Primärform und chemischen Grundstoffen sind verschiedene Investitionsinitiativen ausschlaggebend, die nachgelagerte Produktionen nach sich ziehen und die VAE zu einem international beachteten Chemiestandort machen sollen.


Bau:

Die VAE sind knapp hinter Saudi-Arabien der zweitgrößte Projektmarkt auf der Arabischen Halbinsel – aller Probleme Dubais zum Trotz. Dies gilt sowohl für das reine Baugeschäft als auch für Öl-, Gas-, Petrochemie-, Strom-, Wasser- und Industrieprojekte, die allesamt einen hohen Bauanteil haben. Eine genaue Quantifizierung ist allerdings schwer, weil viele Projekte deutlich gestreckt wurden und so manches Vorhaben nur noch im Schneckentempo voran kommt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Pläne nahezu aller Mega-Projekte Makulatur geworden sind. Sehr viel wurde storniert oder gestoppt. Was übrig geblieben ist, steht ständig auf dem Prüfstand, wird zusammengestrichen und gestreckt.


Elektrotechnik/Elektronik:

Die starke Nachfrage nach Elektrotechnik resultiert aus den großen Kraftwerks- und Wasserentsalzungsanlagen, die in ständig neuen Größenordnungen gebaut werden. Alleine in den nächsten drei Jahren müssen die VAE schätzungsweise 20 Mrd. US$ für neue Kraftwerke, für die Stromübertragung und für die Wasserentsalzung ausgeben. Hinzu kommt der Bedarf der unzähligen Wohn- und Büroimmobilien nach Elektro-Haustechnik sowie der verschiedenen industriellen Großprojekte.


Umwelttechnik:

Die VAE hinterlassen mit 33 t CO2 pro Kopf (2008) weltweit den zweithöchsten ökologischen Fußabdruck. Umweltbewusstsein ist kaum ausgeprägt. Wohnungen und Büros werden wenig nachhaltig gebaut, was sich noch auf Jahrzehnte hinaus rächen wird. Noch immer wird ein extrem hoher Energie- und Wasserverbrauch in Kauf genommen. Die Wassernachfrage lässt sich nur noch durch entsalztes Meerwasser decken. Der bei diesem Prozess anfallende hochkonzentrierte Salzschlamm wird einfach ins Meer gekippt und bedroht Mangrovenwälder, Fauna und das Meeresleben. Ansonsten hat sich die Entsorgung des städtischen Abwassers deutlich verbessert, wenngleich noch einiges zu tun ist. Nach Informationen von MEED Projects gibt es derzeit 36 aktive Wasser- und Abwasserprojekte bzw. Ausschreibungspakete mit einem Gesamtbudget von 8,75 Mrd. US$.


Medizintechnik:

Die VAE sind ein kleiner, aber kaufkraftstarker Markt für Medizintechnik, der seinen gesamten Bedarf importieren muss. Die Hauptnachfrage ergibt sich aus neuen Krankenhausprojekten, aber auch aus dem Re-Export-Geschäft aus Dubai. Als potenziell nachfragebelebend gilt die Einführung einer landesweiten Krankenversicherung für ausländische Arbeitnehmer nach dem Vorbild des Emirates Abu Dhabi.

Öl und Gas:

Der Öl- und Gassektor bildet das Rückgrat der VAE-Ökonomie. Ohne billige Energie ließen sich all die Immobilien und neuen Industrien nicht mehr subventionieren und würden sich dann kaum noch rechnen. Gleichzeitig sind die VAE abhängig von einem kräftigen Zufluss an Petro-Dollars, mit denen sie ihr Staatswesen und ihre ambitionierten Mega-Projekte finanzieren.


Petrochemie:

Die VAE wollen ihr Öl nicht nur im Rohzustand exportieren, sondern zunehmend auch in verarbeiteter Form. Die Antwort: Petrochemie mit nachgelagerten kunststoffverarbeitenden Betrieben. Im regionalen Vergleich sind die VAE noch ein Leichtgewicht, wollen aber aufholen. Bis 2015 soll die Produktion von Petrochemie von derzeit 3,4 auf 7,8 Mio. Jahrestonnen steigen. Zum Vergleich: Saudi-Arabien will seine Produktion im gleichen Zeitraum auf 70 Mio. Jahrestonnen hochfahren.


Infrastruktur:

Einer der interessantesten VAE-Sektoren für die deutsche Wirtschaft ist die Infrastruktur. Die Zentralregierung, das reiche Emirat Abu Dhabi und auch das klamme Dubai sind bereit, immense Summen für den Ausbau von Flug- und Seehäfen, Eisenbahnen und Metros, Straßen und Brücken auszugeben. Nach Erhebungen von MEED Projects sind es aktuell 115 Infrastrukturprojekte bzw. Ausschreibungspakete im Gesamtwert von 103 Mrd. US$.

 

Bauwirtschaft

Es wird immer noch viel gebaut in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), von großen Utopien aber hat man sich trennen müssen. Neue Projekte gibt es fast nur noch im Emirat Abu Dhabi, während Baufirmen in Dubai lediglich mit der Fertigstellung begonnener Vorhaben beschäftigt sind. Was den Markt für deutsche Firmen weiterhin interessant macht, ist die mittelfristig wachsende Nachfrage nach mehr Qualität sowie der Status von Dubai als Vorzeigestadt der Region.

 

Marktentwicklung/-bedarf

Die Bauwirtschaft in den VAE ist ins Gerede gekommen, weil sich Dubai übernommen hat. Nach der Weltfinanzkrise in der zweiten Jahreshälfte 2008 fanden Sanierungsspezialisten mehr Beachtung als Visionäre und Spekulanten. Seitdem hat sich die Lage beruhigt: Viele Projekte wurden gestoppt oder storniert, Baugruben wieder zugeschüttet. Bei einigen Prestigebauten wird zwar noch im Schneckentempo weiter gemacht, aber wohl nur, um das Gesicht zu wahren.

Lediglich Projekte, hinter denen private Investoren stehen, werden weiter verfolgt. Auftragnehmer sind unterschiedlich betroffen. Wer beispielsweise auf die im Wüstensand üblichen Pfahlfundamente spezialisiert ist, wird kaum mehr gebraucht, weil es genügend leere ­Gruben mit solchen bereits geleisteten Vorarbeiten gibt. Firmen aus dem Bereich des Innenausbaus und der Gebäudesanierung hingegen dürften noch auf Jahrzehnte einen lukrativen Markt vorfinden, da der Sanierungsbedarf aufgrund der unzureichenden Bauweise hoch sein wird.

Positiver ist die konjunkturelle Lage der Bauwirtschaft im Emirat Abu Dhabi, auch wenn hier ebenfalls zu schnell und teilweise unüberlegt gebaut wurde. Projekte mussten neu kalkuliert oder gar gestrichen werden. Gleichzeitig hat Abu Dhabi bei der notwendigen Infrastruktur für die geplanten Gebäude aus den Fehlern von Dubai gelernt und erst die Verkehrswege und dann die Gebäude er­richtet.

Überall in den Emiraten gibt es langfristige, aber überzogene Entwicklungspläne. Dabei fehlen allerdings Bedarfsanalysen. In der Boomzeit machte sich niemand Gedanken über den Bedarf an neuen Bürotürmen oder Apartmenthäusern. Jetzt ist das Angebot höher als die Nachfrage und ein Ende des Preisverfalls ist noch nicht in Sicht. Einige Hochhäuser und zum Teil ganze Siedlungen stehen leer; würden sie auf dem Markt angeboten, wäre der Angebotsüberhang noch größer.

Rund 36.000 neue Wohnungen wurden 2010 in Dubai fertiggestellt, weitere 49.000 dürften 2011 und 2012 folgen. Einige Vermieter werben mit zahlreichen Vergünstigungen für ihre Immobilien. Dubai verfügte Ende 2010 über etwa 309.000 Wohnungseinheiten, davon entfielen 79 % auf Apartments und 21 % auf Villen. Etwa zwei Fünftel der Bürogebäude in Dubai stehen leer mit steigender Tendenz, da weitere Bürotürme fertig werden. In Rand­lagen sind Vermieter schon damit zufrieden, wenn die Miete die Unterhaltungskosten deckt. Baulich schlechte Objekte in ungünstiger Lage mit undurchsichtiger Eigentümerstruktur sind keine Seltenheit und werden wohl nie bezogen.

Die Mieten für Büros in Abu Dhabi fallen schnell und liegen mittlerweile zwei Drittel unter dem Niveau des dritten Quartals 2008. In dem Jahr hatte Abu Dhabi den fünftteuersten Büromarkt der Welt und wurde im gleichen Atemzug wie Tokyo, Hongkong und London genannt. Heute liegt die Stadt auf einer Stufe mit Istanbul, Damaskus und Warschau. Abu Dhabi verfügt derzeit über eine Bürofläche von etwa 2,15 Mio. qm, 2011 und 2012 kommen vermutlich 1,1 Mio. qm neu hinzu. Ein Großteil der angebotenen Büros ist von geringer oder schlechter Qualität. Sie entsprechen nicht den deutschen Standards. Gefragt sind jedoch Büroflächen der Kategorie „prime“, was aus deutscher Sicht allerdings auch nur einem „akzeptabel“ gleichkommt.

Charakteristisch für den Bausektor der VAE ist weiterhin die auf kurzfristige Gewinne ausgerichtete Strategie der Investoren. Langfristige Überlegungen, etwa über den wirtschaftlichen und energieeffizienten Betrieb von Gebäuden, gewinnen erst langsam an Bedeutung. Die Strom- und Wasserversorger drängen jedoch auf eine Änderung, weil sie die ständig steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen können. Das Bewusstsein für energiesparendes Handeln soll geschaffen werden, die Preise wurden angehoben. In Werbespots werden die Verbraucher beispielsweise aufgefordert, Computer und Unterhaltungselektronik auszuschalten, wenn sie nicht zu Hause sind. Auf den Strom- und Wasserrechnungen in Abu Dhabi wird der Verbraucher informiert, wie hoch die Rechnung subventioniert ist. Dubai hat unterdessen die Strom- und Wasserpreise per 1. Januar 2011 um etwa 15 bis 17 % angehoben.

Weil auch die Unterhaltungskosten der Gebäude kräftig steigen und auf die Eigentümer und Mieter umgelegt werden, sind solche Nebenkosten plötzlich zu einem ­Thema geworden. In ersten Hochhäusern werden Zähler eingerichtet, die den Einsatz und Verbrauch der Klimaanlagen messen. Marktkenner gehen davon aus, dass die VAE ein Vorreiter unter den verschwenderischen Golfstaaten sein könnten, was die Nachfrage nach deutscher Technik zu Energieeffizienz betrifft.

 

Produktion/Branchenstruktur

Die VAE verfügen über eine große und differenzierte Baubranche mit weit über 2.000 registrierten Firmen. Die qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Betriebe sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen, was nur durch Hinzuziehung ausländischen Know-hows möglich war. Dadurch konnte aber gleichzeitig eine lokale Kompetenz aufgebaut werden, die auf der Arabischen Halbinsel ihresgleichen sucht. Mit Erfolg wagen viele Unternehmen aus Dubai ihr Glück im Ausland, sei es in der Arabischen Welt, in Afrika oder Asien. Dieser Trend hat sich nach dem Geschäftseinbruch in Dubai deutlich verstärkt.


Geschäftspraxis

Die Zeiten, in denen es die renommierten Baufirmen nicht mehr nötig hatten, sich an Ausschreibungen zu beteiligen, sind längst vorbei. Hatten es die Entwicklungsgesellschaften einst schwer, qualifizierte Bauunternehmen für neue Projekte zu gewinnen, so sind es heute die Bauunternehmer, die händeringend nach neuen Aufträgen suchen. Besonders rücksichtsvoll geht es in dem rauer gewordenen Geschäft nicht zu. Das gegebene Wort und per Handschlag abgeschlossene Verträge zählen längst nicht mehr viel.

Bei vielen Aufträgen gibt es meist erst eine Vorauswahl der Bieter. Dies kann ein formalisiertes Verfahren sein, muss es aber nicht. Erst danach erfolgt eine ­Ausschreibung. Bauunternehmen, Unterauftragnehmer und Zulieferer schließen sich meist schon im Vorfeld zusammen und stimmen sich ab. Deutsche Unternehmen, die an der Entwicklung partizipieren wollen, müssen vor Ort etabliert sein, am besten mit Partner. Die Vorstellung, sich von Deutschland aus um einen Auftrag zu bewerben und erst bei einem Zuschlag in die Emirate zu kommen, ist in der Regel unrealistisch. Die Einrichtung eines Büros oder einer Firma in den VAE ist nicht einfach, meist sehr teuer und zeitaufwendig. Wer in den VAE Geld verdienen will, muss in den meisten Fällen solches erst einmal mitbringen. Und wer nach erbrachter Leistung einigermaßen pünktlich bezahlt wird, darf sich glücklich schätzen.

Maschinenbau und Anlagenbau

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind ein attraktiver Absatzmarkt für Maschinen und Anlagen. Zwar sind viele Immobilienprojekte gestoppt oder gestreckt worden, die verbliebene Bauleistung ist aber erheblich. Hinzu kommen umfangreiche Investitionen in neue Industrievorhaben. Maschinen und Anlagen müssen mangels einer nennenswerten Eigenproduktion fast vollständig importiert werden. Größte Einfuhrpositionen sind Bau- und Baustoffmaschinen, Fördertechnik sowie Pumpen und Kompressoren.

 

Außenhandel

Die Importzahlen der VAE sind nicht immer deckungsgleich mit den entsprechenden Exportzahlen der Lieferländer und können deshalb nur eine grobe Richtschnur sein.

Viele gängige Waren werden von VAE-Händlern bestellt, auf Lager genommen und bei Bedarf in andere Länder weiterverkauft. Dieses Vorgehen wird statistisch kaum erfasst. Vor allem Dubai hat sich als Standort für ausländische Firmenvertretungen positioniert, verbunden mit den üblichen Ersatzteillagern.¢

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