Betonmarketing Deutschland

Blüten aus Beton

In der österreichischen Stadt Bregenz wurde das Vorarlberg Museum erweitert. Blickfang ist ein 1.300 m2 großes Beton-Blüten-Relief auf der Fassade des Neubaus.

In diesem Jahr wurde in der österreichischen Stadt Bregenz das traditionsreiche Vorarlberg Museum wiedereröffnet. Der erweiterte Gebäudekomplex beeindruckt nicht zuletzt durch seine raffinierten Fassaden. Die wohl beeindruckendste Oberfläche ist ein Betonrelief auf der Fassade des Neubaus mit einer Größe von rund 1.300 m2, das in enger Zusammenarbeit mit den Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur und dem Südtiroler Künstler Alois Mayr entstand. Das Relief besteht aus 16.656 Betonblüten, die aus einer glatten, fugenlosen Sichtbetonfläche herauswachsen. Die Blüten selbst sind Abdrücke der Böden von PET-Flaschen, wie sie seit den 1970er Jahren im Handel erhältlich sind.

Der Künstler ließ sich von Fundstücken und Sammlungsteilen aus dem Fundus des Museums inspirieren – die Sammlung enthält nämlich eine große Zahl an historischen Behältern und Gefäßen aus Ton oder Glas. Die gedankliche Anbindung des Museums an die Gegenwart mit einer Massenware aus Kunststoff ist eine ebenso naheliegende wie geniale Idee des Künstlers Mayr. Und die Realisierung des Entwurfs in Beton ist eine logische Folge des gedanklichen Ansatzes.

Besondere Matrizen

Die Fassade ist eine Gemeinschaftsarbeit einer ganzen Reihe von Firmen: Die in Herne ansässige Firma Reckli lieferte die Matrizen und die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Landesmuseum Bregenz der Firmen Schertler-Alge GmbH aus Lauterach, Hilti & Jehle GmbH aus Feldkirch, Rhomberg Bau GmbH aus Bregenz und Jäger Bau GmbH aus Schruns stellte die Fassade vor Ort her. Alle beteilig­ten Unternehmen kennen so gut wie alle Ansprüche bei der individuellen Gestaltung von Baumaßnahmen. Doch die Fassade des Vorarlberg Museums war auch für sie eine besondere Herausforderung.

Üblicherweise werden die Negativabdrücke der Matrizen für Betonfassaden mit der CNC-Maschine aus MDF-Platten gefräst. Anschließend werden diese Negativabdrücke mit Elastomeren ausgossen. Beim Vorarlberger Museum sollten die Abdrücke der Flaschenböden nach dem Willen des Künstlers schließlich bis zu 45 mm aus der Betonfassade hervorragen. Wegen der außergewöhnlichen Höhe und Größe der dafür nötigen Abdrücke konnte die Firma Reckli die Matrizen nicht wie gewohnt herstellen. Besondere Kreativität war gefragt: Volker Urmoneit, Leiter der Modellbauabteilung, nahm die abgeschnittenen Böden der vom Künstler ausgewählten PET-Flaschen und stellte daraus durch Ausgießen je einen Positivabdruck jeder Flasche her. Diese Abdrücke wiederum wurden nach den Plänen des Künstlers mit Holzzapfenverbindungen auf eine MDF-Platte montiert.

„Unserer hochpräzisen CNC-Maschine oblag bei diesem Projekt lediglich die millimetergenaue Bohrung zur manuellen Anbringung der Kunststoffblüten. Es ist schön, dass man als Mensch selbst bei solch hochtechnologisierten Prozessen und Projekten noch immer nicht vollständig zu ersetzen ist“, sagt Urmoneit. Anschließend wurden die Matrizen in individuell hergestellten Schalungen in mehreren Schritten gegossen.

Fugenlose Fassade

Die Pläne für die Matrizen wurden von Manfred Alois Mayr und dem Künstler und Mathematiker Urs Beat Roth derart ausgeklügelt angefertigt, dass pro Geschoss nur drei miteinander kombinierbare Hauptmatrizen und die für Ecken und Leibungen notwendigen Zusatzmatrizen ausreichten, um die gesamte Fassade mit dem geplanten unregelmäßigen Muster zu gestalten.

Die Hauptherausforderung vor Ort war die Anforderung von Architekten und Künstler, die Fassade fugenlos zu gestalten. Die ARGE stellte die 17 cm dicke Betonscheibe mit den Blüten daher stehend vor Ort her; sie wurden in einem Verlauf vor 25 cm Wärmedämmung und 30 cm Stahlbetonwänden gegossen.

Kulturgut der Gegenwart

„Die stehende Herstellung machte die Entlüftung der Ausstülpungen (der Flaschenböden, Anm. d. Red.) erheblich schwieriger als es bei einem liegenden Guss der Fall wäre. Um ein perfektes Resultat erzielen zu können, haben wir in etlichen Vorbereitungsschritten verschiedenste Betonmischungen ausprobiert, bis die richtige gefunden war“, sagt der Bauleiter der ARGE, Eberhard Fiel von Hilti & Jehle. Zum Einsatz kam für die Herstellung der Fassade schließlich selbstverdichtender Beton mit einer extrem hohen Viskosität und einem maximierten Anteil an weißen Pigmenten, um der Farbgebung des Gesamtkomplexes zu entsprechen. Der Beton wurde völlig blasenfrei und mit größter Vorsicht in die hochdruckfesten und perfekt dichten 6 m hohen Schalungen gefüllt, die dem enormen Innendruck standhalten mussten.

Das Kunst-am-Bau-Projekt am Voralberg Museum Bregenz ist nicht nur Beweis für die nahezu unbegrenzten gestalterischen Möglichkeiten, die Beton bietet. Es ist auch Beweis dafür, dass Beton zum Kulturgut der Gegenwart gehört ebenso wie die vielen historischen Behälter und Gefäße aus Ton und Glas, die die Vitrinen im Inneren des neuen Museumsbaus füllen.

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Vorarlberg Museum in Bregenz

Die Anfänge des Vorarlberg Museums liegen im Jahr 1857. Damals konstituierte sich die erste landeskundliche Gesellschaft in dem westlichen Bundesland Österreichs. Der Verein machte es sich zur Aufgabe, „Vergangenheit und Gegenwart des Landes die rechte Geltung zu verschaffen“. Heute will das Museums-Management Vorarlberg als „gewordene und werdende Kulturlandschaft“ darstellen.

1905 wurde das Vorarlberger Landesmuseum in der Stadt Bregenz eröffnet. Das Gebäude am Kornmarkt beherbergte unter anderem Sammlungen zu Ur- und Frühgeschichte, Römerzeit, Volkskunde, Waffen- und Rechtsaltertümer und Kunst. 2009 wurde das Landesmuseum geschlossen, 2011 in Vorarlberg Museum umbenannt und 2013 im neuen, um die alte Bezirkshauptmannschaft erweiterten Gebäudekomplex wiedereröffnet.

Einheit mit unterschiedlichen Fassaden

Die Erweiterung des Museums wurde vom Büro Cukrowicz Nachbaur Architekten entworfen. Das bestehende Gebäude wird mit zwei Geschossen und einem, der Innenstadt zugewandten fünfgeschossigen Neubau erweitert. „Gebäudebestand, Aufstockung und Neubau bilden mit einer klaren und kompakten Gebäudefigur eine neue Großform. Durch das Freihalten der bestehenden spitzen Südecke des Museums und das Knicken der Südwestfassade im Übergang zwischen Alt und Neu generiert sich eine neue städtebauliche Situation. Das Gebäude ist nicht mehr nur reine Platzbegrenzung, es positioniert sich nun als Solitär eigenständig. Der See (Bodensee, Anm. d. Redaktion) wird im Bereich Rathausstraße/Kornmarktplatz durch erweiterte Blickbeziehungen erlebbarer und präsent und wirkt positiv ins Stadtgefüge“, kommentiert der Architekt Andreas Cukrowicz den Entwurf. Die verschiedenen Bauabschnitte werden durch unterschiedliche Fassadenstrukturen und Oberflächentexturen sichtbar gemacht und gleichzeitig durch die einheitliche Farbgebung zu einer Einheit geformt.

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