Der nachhaltige Beton der Zukunft
Baustoffnachhaltigkeit heute
Seit vielen Jahren nimmt die Nachhaltigkeitsdebatte auch im Bereich des Bauwesens und speziell im Betonbau einen breiten Raum ein. Die Bemühungen, die Nachhaltigkeit des Werkstoffs Beton zu steigern, sind dabei mit fundamentalen betontechnologischen Änderungen verbunden: Portlandzementklinker wird heute in großem Umfang durch sekundäre Zementrohstoffe wie beispielsweise Hüttensand, Flugasche oder auch Kalksteinmehl ausgetauscht, was schwierig beherrschbare Frischbetoneigenschaften und eine veränderte Festigkeitsentwicklung zur Folge hat. Ein weiterer Entwicklungstrend besteht in der Kombination mehrerer Bindemittelarten (3 und mehr) zu einem Bindemittel oder dem Austausch von Portlandzementklinker durch neuartige Bindemittel wie beispielsweise calcinierten Tonen oder Celitement [1]. Schließlich wurden von verschiedenen Autoren – unter anderen auch durch die des vorliegenden Beitrags – Betone mit stark reduziertem Zement- beziehungsweise Zementklinkergehalt vorgestellt [2, 3, 4]. Letztere werden im Folgenden als Ökobetone bezeichnet.
Das Ziel der genannten Ansätze und Maßnahmen ist es zunächst, die Umwelteinwirkungen bei der Zement- und Betonherstellung zu minimieren. Je nach gewähltem Ansatz und betrachteter Kenngröße kann der Umwelteinfluss bei der Betonherstellung im Vergleich zu üblichen, nicht ökologisch optimierten Betonen signifikant reduziert werden. Kritisch hinterfragt werden muss jedoch gegenwärtig, ob eine derartige Reduktion der Umwelteinwirkungen in ihrer Konsequenz nicht zu Lasten der Nachhaltigkeit des Baustoffs oder des Bauwerks geht, da insbesondere bei der Errichtung von Ingenieurbauwerken neben geringen Umwelteinwirkungen auch eine hohe Leistungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit gefordert werden (Gleichung 1).
Die oben genannten Maßnahmen führen nur dann zu nachhaltigen Bauwerken, wenn das Nachhaltigkeitspotenzial des Baustoffs durch den Planer genutzt und nicht durch Fehler in der Planung oder Bauausführung beeinträchtigt wird. Die Umwelteinwirkungen in Gl. 1 können in Form einer Ökobilanz gemäß DIN EN ISO 14040 beziehungsweise DIN EN ISO 14044 über standardisierte Verfahren erfasst werden. Die Leistungsfähigkeit des Betons kann im Regelfall vereinfachend über die charakteristische Betondruckfestigkeit ausgedrückt werden. Eine Herausforderung stellt jedoch die Berechnung der potenziellen Nutzungsdauer des Bauwerks und damit des Betons dar. Hierzu muss die Lebensdauer des Betons unter einer oder mehreren kombiniert auftretenden Umwelteinwirkungen berechnet werden. Nachfolgend wird die Vorgehensweise bei der Berechnung des Nachhaltigkeitspotenzials von Beton exemplarisch am Beispiel eines zementreduzierten Ökobetons erläutert.
Nachhaltigkeit von Ökobetonen
Tabelle 1 zeigt die Zusammensetzung und weitere ausgewählte Eigenschaften verschiedener am Karlsruher Institut für Technologie entwickelter Ökobetone sowie eines Referenzbetons gemäß [5]. Da die weltweite Verfügbarkeit beispielsweise von Flugasche, Hüttensand oder anderer Puzzolane begrenzt ist, wurde bei der Betonentwicklung vollständig auf diese Stoffe verzichtet. Stattdessen wurden reine Portlandzemente eingesetzt und deren Zugabemenge schrittweise reduziert. Um eine ausreichende Leistungsfähigkeit und Verarbeitbarkeit sicherzustellen, wurde für jede Mischung die Kornzusammensetzung aller granularen Ausgangsstoffe durch Anwendung von Packungsmodellen optimiert. Die Vorgehensweise bei der Betonentwicklung sowie die verwendeten Ausgangsstoffe werden eingehend in [4] beschrieben.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass auch mit einem Ze-mentgehalt von nur etwa 110 kg/m³ Betone mit sehr hohen Druckfestigkeiten von bis zu rund 70 N/mm² und damit einer diesbezüglich hohen Leistungsfähigkeit hergestellt werden können. Als kritisch muss trotz Einsatzes moderner Betonverflüssiger derzeit noch die Verarbeitbarkeit der Betone betrachtet werden. Zur Bewertung der Dauerhaftigkeit der Betone wurden der Carbonatisierungs- und der Chloridmigrationswiderstand sowie die Frost-Tausalzbeständigkeit geprüft [6]. Hierbei zeigt sich, dass die entwickelten Ökobetone eine reduzierte Dauerhaftigkeit aufweisen. Zur Überprüfung der daraus resultierenden Konsequenzen für die potenzielle Lebensdauer eines Bauwerks wurde für den Fall der carbonatisierungsinduzierten Bewehrungskorrosion eine Lebensdauerbemessung vorgenommen. Die genaue Vorgehensweise hierbei wird detailliert in [6] beschrieben. Als Eingangswerte für die Bemessung dienten neben dem experimentell ermittelten Carbonatisierungswiderstand des Betons (Tab. 1) die gewählte Betondeckung des Bewehrungsstahls c, die hier zu 40 mm (Standardabweichung 8 mm) gewählt wurde. Die Lebensdauer des Bauwerks, beziehungsweise der als dafür maßgebend angesehene Grenzzustand, ist dann erreicht, wenn die Carbonatisierungsfront mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (ausgedrückt durch den sog. Zuverlässigkeitsindex β) die Bewehrung erreicht (Abb. 1). Unter Verwendung der so berechneten Lebensdauer kann dann das Nachhaltigkeitspotenzial des Betons mit Hilfe von Gleichung 1 quantifiziert werden.
Baustoff-Nachhaltigkeitspotenzial ~ Nutzungsdauer ∙ Leistungsfähigkeit⇥(1)
Summe der Umwelteinwirkungen
Hierbei zeigt sich, dass der Beton mit einem Zementgehalt von 113 kg/m³ aufgrund seiner erheblich reduzierten Umwelteinwirkungen und seiner erhöhten festigkeitsspezifischen Leistungsfähigkeit trotz leicht reduzierter Dauerhaftigkeit ein deutlich höheres Nachhaltigkeitspotenzial aufweist als der Referenzbeton mit einem Zementgehalt von 320 kg/m³. Dieser Berechnung liegen sicherlich verschiedene vereinfachende Annahmen zugrunde. Dennoch zeigt das Ergebnis unstrittig die einzuschlagende Strategie zur Nachhaltigkeitssteigerung von Betonen auf. Die hier dargestellten Ökobetone werden jedoch nur dann nachhaltiger im Vergleich zu herkömmlichen Rezepturen sein, wenn ihre Leistungsfähigkeit und ihre potenzielle Lebensdauer auf der Grundlage angepasster Regelwerke durch den Planer ausgeschöpft werden.
Zukünftige Herausforderungen
Die Herausforderung bei der Entwicklung möglichst nachhaltiger Betone wird in den kommenden Jahren zum einen in der Verbesserung der Frischbetoneigenschaften und der Verarbeitbarkeit zementreduzierter Betone bestehen. Dies ist besonders wichtig, da schlechte Verarbeitungseigenschaften häufig mit Ausführungsfehlern einhergehen, die die Lebensdauer reduzieren. Zum anderen müssen die Methoden zur Berechnung der potenziellen Lebensdauer des Bauwerks weiter verbessert und insbesondere um den komplexen Einfluss kombinierter Einwirkungen erweitert werden. Ein entscheidender, nicht gerade einfacher Schritt wird darüber hinaus darin bestehen, das Regelwerk des Betonbaus unter Berücksichtigung der Eigenschaften dieser neuartigen Betone fortzuschreiben.