Festlegung der Expositionsklasse im Abwasserbereich und die daraus resultierende Betondeckung bei Stahlbetonrohren
Vorbemerkung
Manchmal entsteht der Eindruck einer Unsicherheit bei Bauherren und Ausschreibenden, welche Anforderungen an den Beton und insbesondere an die Betondeckung bei Stahlbetonrohren gestellt werden sollen. Um sicherzugehen, werden dann überzogene Anforderungen gestellt, die an anderer Stelle aber Nachteile bereiten.
Welche Expositionsklassen sind innerhalb und außerhalb des Rohres anzusetzen?
Außerhalb des Rohres gilt DIN 4030-1 und betrifft den Boden und das Grundwasser. Die Exposition wird in XA1 bis XA3 eingeteilt. Probleme bereitet bei Ausschreibungen, dass die alte Bezeichnung „starker Angriff“ für XA2 jetzt für XA3 gilt.
Innerhalb des Rohres gibt DWA-M 168 Werte für die Beanspruchung an und welche Beanspruchung dauernd, zeitweilig und kurzzeitig vom Rohrbeton aufgenommen werden kann. Zu bedenken ist auch, dass die Einleitung eines Mediums mit Werten über den nach DWA-M 115-2 vorgeschlagenen, neben einem möglichen Angriff des Rohrwerkstoffes zu einer Gesundheitsgefährdung und/oder zu einer reduzierten Wirksamkeit im Klärwerk führen kann.
Einem Angriff durch biogene Schwefelsäure mit sehr geringen pH-Werten ist der Beton i.d.R. nicht gewachsenen, er braucht Schutzmaßnahmen. Biogene Schwefelsäure ist aber auch für den Menschen gefährlich und stört den Klärprozess.
Eine Zusammenfassung der möglichen Beanspruchung im Abwasserbereich enthält Tabelle 1.
Eine Bewehrungskorrosion kann durch Chloridangriff entstehen bzw. durch Depassivierung infolge Carbonatisierung.
Die Begrenzung des Chloridgehaltes in üblichem, kommunalen Abwasser liegt bei 250 mg/l, d. h. eine chloridinduzierte Bewehrungskorrosion im ungestörten Beton ist nicht möglich. Vom Zweitverfasser wurden bereits viele Schachtbereiche im Straßenbereich näher untersucht – erhöhte Chloridbelastung wurde nie festgestellt.
Die höchste Expositionsklasse XC4 (wechselnd nass und trocken) für Carbonatisierung verlangt cmin von 25 mm bei C 25/30. Allerdings erfolgt bei feuchtem Klima die Carbonatisierung sehr langsam.
Bei starkem Gefälle und möglichem Geschiebe kann eine Verschleißbeanspruchung gemäß XM2 auftreten. In DIN V 1201 wird bei einer Fließgeschwindigkeit < 10 m/s der Widerstand bei einem Beton C 40/50 als ausreichend angesehen.
Was hat der Rohrbeton dem entgegenzusetzen?
Grundsätzlich beträgt die Betongüte für Rohr- und Schachtbeton Typ II (FBS) nach DIN V 1201 mindestens C 40/50. Der w/b Wert liegt gemäß DIN EN 1916 bzw. 1917 höchstens bei 0,45. Damit sind die Anforderungen für XA1/XA2 sowie XM2, XD3 und XF3 abgedeckt. Die Anforderung für XA3 kann dauerhaft nicht mit Beton erfüllt werden, sondern es bedarf dann zusätzlicher Schutzmaßnahmen (s. DIN 1045-2/5.3.2). Hochleistungsbeton kann aber ggf. einem Angriff über XA2 hinaus standhalten.
Wegen der hohen Betongüte für Rohre gemäß Typ 2 in DIN V 1201 und der überwachten Produktion kann die Betondeckung gegenüber DIN EN 206 etwas reduziert werden (Tab. 11 in DIN V 1201 – Tab. 2).
In Sonderfällen – z.B. bei stehendem Grundwasser mit aggressiven Anteilen oder bei Verschleiß – kann auch eine Opferschicht eingeplant werden.
Neben den pauschalen Ansätzen für die Betonzusammensetzung und die Betondeckung kann die Korrosionsgefahr im Einzelfall noch genauer durch ein sog. Schadenfortschrittsmodell probabilistisch beurteilt werden.
Festlegung der erforderlichen Betondeckung
Wichtig bei Ausschreibungen ist, dass entweder realistische Expositionsklassen angegeben werden und/oder die gewünschte Betondeckung richtig definiert wird. Hierbei ist die Beachtung der entsprechenden Produktnorm vorrangig zur allgemeinen Norm.
Für die Produktion und die statische Berechnung ist der cnom-Wert maßgebend. Er setzt sich aus cmin und einem Vorhaltemaß zusammen. Bei Rohren wird z.B. ein Vorhaltewert von 10 mm (statt sonst 15 mm) als ausreichend angesehen. Für cmin kann auch die Betongüte einen Einfluss haben.
Zunächst sollte die Betondeckung bei handelsüblichen Wanddicken überhaupt einzuhalten sein. Abbildung 1 zeigt die möglichen Folgen einer zu groß gewählten Betondeckung. Bei 2 Bewehrungslagen ist ein ausreichender Abstand notwendig, um den Betoniervorgang und die Verdichtung nicht zu behindern. Ein zu großer Randabstand – auch in Relation zur Wanddicke – führt zu einer erhöhten Rissneigung, da die den Riss bremsende Bewehrung zu weit von der Zugzone entfernt ist. Bei einlagig bewehrten Rohren kann eine zu hohe Betondeckung dazu führen, dass die Bewehrung im ungerissenen Zustand I in der Druckzone liegt und kaum wirksam wird.
Zusammenfassung
Eine realistische Einschätzung der vorliegenden Expositionsklassen ist wichtig für eine sichere und ökonomische Ausschreibung. Die Forderung nach einer zu hohen Betondeckung kann auch negative Auswirkungen haben.