Lösungsansatz und Projektziele

Hybride Betonbehälter als zukunftsfähige Energiespeicher

Im Zuge des Ausbaus von Windenergie und Photovoltaik kommt Energiespeichern eine immer gewichtigere Rolle zu, um die wachsende Residuallastproblematik der Stromnetze zu entschärfen. Neben elektrischen Speichern können auch thermische Energiespeicher zur Entlastung der Stromnetze beitragen, indem überschüssiger Strom aus den Versorgungsnetzen in Wärme gewandelt und zur Heizwärmeversorgung genutzt wird (Power to Heat), statt Windenergieanlagen vom Netz zu nehmen. Bei Unterdeckung sollen künftig zunehmend Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zum Einsatz kommen, um den im Netz fehlenden Strom dezentral mit hoher Effizienz zu erzeugen. Um die in beiden Fällen produzierte Wärme sinnvoll zu nutzen, muss die so erzeugte thermische Energie effizient gespeichert werden. So lässt sich die Stromversorgung effizient stabilisieren und flexibilisieren [1].

Thermische Energiespeicher werden heute bevorzugt als Heißwasserspeicher ausgebildet. Demgegenüber suchen die Verfasser in laufenden Forschungsvorhaben Speicherkonzepte, mit denen sich hohe Energiedichten auf einem niedrigen bis mittleren Speichertemperaturniveau realisieren lassen. So ist es Ziel, Betonbehälter zu entwickeln, die sich für eine verlustarme Wärmespeicherung in zukunftsorientierten Energiekonzepten von Gebäuden und Quartieren besonders eignen. Gedacht wird hierbei an im Erdreich vor den Gebäuden einbaufähige Speicher, die sich auch im Quartier vernetzen lassen, um selbsterzeugte elektrische Energie (mittels PV), gewonnene Wärme (mittels Solarthermie oder Geothermie mit Wärmepumpe) wie auch überschüssige elektrische Energien, die an sonnen- und windreichen Tagen von den Versorgungsnetzen nicht mehr aufgenommen werden können, in Wärme zu wandeln und für eine spätere Raumwärmenutzung zwischen zu speichern [2, 3] (Abb. 1).

Lösungsansatz und Projektziele

Heißwasserspeicher zählen zu den sensiblen Wärmespeichern. Die Aufnahme oder Abgabe von Wärme bedingt eine fühlbare Temperaturänderung, da das Speichermedium erhitzt oder abgekühlt wird. Die speicherbare Wärmemenge ergibt sich aus dem Produkt von Temperaturdifferenz, Masse des Speichermediums und der spezifischen Wärmekapazität. Bei Latentwärmespeichern wird zusätzlich zur sensiblen Wärme die für einen Phasenwechsel (Zustandsänderung zwischen fest und flüssig oder zwischen flüssig und gasförmig) notwendige Energie gespeichert. In der Praxis wird der Übergang zwischen fest und flüssig genutzt. Latentspeicher haben Vorteile gegenüber sensiblen Speichern, da sie bereits bei kleinen Temperaturunterschieden große thermische Energien speichern können. Zudem ist die Temperatur beim Be- und Entladen über lange Zeit konstant. Somit sind latente Wärmespeicher für die Wärmenutzung in Gebäuden besonders interessant [2].

Doch liegen die Kosten von Latentwärmespeichern deutlich über den Kosten von sensiblen Speichern. Grund sind die Phasenwechselmaterialien (PCM – Phase Change Materials). Aktuell finden vor allem organische PCM (Paraffine) Verwendung, deren Kosten meist über 10 €/kg liegen. Vorteilhaft ist, dass Paraffine mit verschiedensten Schalttemperaturen für den Phasenwechsel gehandelt werden und die PCM chemisch stabil und nicht toxisch sind. Allerdings sind sie brennbar, und ihre Energiedichte ist vergleichsweise gering. So liegt die Schmelzenthalpie der Paraffine bei etwa 240 kJ/kg, so dass bei einer Dichte von 0,7 bis 0,9 kg/Liter das Latentwärmespeicherpotenzial bei etwa 190 kJ/Liter liegt.

Alternativ können anorganische PCM in Form eutektischer Wasser-Salz-Lösungen und Salzhydrate zur Anwendung kommen. Diese weisen im Vergleich zu Paraffinen geringere Kosten auf und werden je nach Art und Menge mit Preisen zwischen 0,3 €/kg und 2 €/kg gehandelt. Auch wenn die Schmelzenthalpie der Salzhydrate ähnlich der der Paraffine ist, führen die deutlich höheren Dichten (1,4 bis 1,6 kg/l) zu einer volumenbezogenen Energiedichte zwischen 250 und 400 kJ/l (Tab. 1). Für die bautechnische Verwendung ist die Nichtbrennbarkeit der Salzhydrate interessant, die sich aber auch durch eine Reihe von Nachteilen auszeichnen. So neigen sie zur Unterkühl- und Verglasbarkeit, sie besitzen einen niedrigen Dampfdruck, sie haben eine hohe Viskosität, und sie weisen unter Umständen je nach Salzart eine hohe Acidität und Reaktivität der Anionen auf. Besonders problematisch ist aber die Neigung der Salzhydratschmelzen, erst nach großer Unterkühlung oder überhaupt nicht zu kristallisieren. Die Realisierung technischer Anwendungen wird dadurch massiv erschwert. Folglich werden salzhydratspezifische Keimbildner gesucht, mit denen die Kristallisation bei wesentlich geringerer Unterkühlung initiiert werden kann [4].

Gebäudebezogene und quartiersintegrierte Speicherung von Energie

Um die mittels PV oder durch den Betrieb von Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung im Gebäude oder im Quartier erzeugten Energien auch trotz fehlenden Energiebedarfs innerhalb des Systems Gebäude oder der im Quartier intelligent vernetzten Gebäude zu nutzen, ist es Ziel der Verfasser, thermische Energiespeicher auf Basis von PCM bis zur Marktgängigkeit zu entwickeln und in ihrem Be- und Entladeverhalten zu optimieren. Abhängig von den zum Einsatz kommenden Salzhydraten ergeben sich unterschiedlichste betontechnologische Anforderungen für die Herstellung von widerstandsfähigen Betonbehältern für die Energiespeicherung mit Salzhydraten. Für komplexe PCM wird daher ein neuartiger hybrider zweischaliger Betonbehälter zur Anwendung gebracht, der als säurefester Speicher vom IWB gemeinsam mit der Firma Mall GmbH im Rahmen eines ZIM-Fördervorhabens entwickelt wurde [5]. Durch die Optimierung der Rezeptur des Hochleistungsbetons für die Herstellung der inneren Betonschale, die hohen chemischen, physikalischen und mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt ist, lassen sich diese Betonbehälter auch für PCM auf Basis von Salzhydraten nutzen. Die Betonbehälter können in Größen von 1 bis 22 m3 als Fertigteile hergestellt und im Erdreich installiert werden (Abb. 2 und 3). Für quartiersintegrierte Speicherkonzepte lassen sich diese vergleichsweise kostengünstigen Behälter in kaskadierter Form zu beliebigen Speichergrößen ausbauen [6].

References/Literatur
[1] Sterner, M.; Stadler, I.: Energiespeicher – Bedarf, Technologien, Integration, Springer Verlag, Berlin, 2014
[2] Klein, K., Kalz, D., Herkel, S.: Netzdienlicher Betrieb von Gebäuden: Analyse und Vergleich netzbasierter Referenzgrößen und Definition einer Bewertungskennzahl. Bauphysik 36, 2014,
Heft 2, 49-58
[3] Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus Erneuerbaren Energien - Studie im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH, ISBN-13: 978-3-920328-64-5, 2013
[4] Mehling, H.: Heat and cold storage with PCM, Springer Verlag, Berlin, 2008
[5] Entwicklung eines Betonbehälters mit Betoninnenschalung und Leckagedetektion zur sicheren Speicherung von Silage. Bewilligtes Kooperationsvorhaben der Mall GmbH und des IWB Universität Stuttgart. Gefördert durch BMWi in der Programmlinie Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Förderkennzeichen: KF3268601AT3 Mall GmbH und KF2573806AT3 IWB Universität Stuttgart. Laufzeit Januar 2014 bis Dezember 2015
[6] Garrecht, H.: Netzreaktive Gebäude - Betonbauteile bieten Lösungen in der Energiewende. In: Kongressunterlagen 59. BetonTage. Betonwerk und Fertigteil-Technik International (2015), Heft 2, 66-69
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 02/2015 Betonbauteile bieten Lösungen in der Energiewende

Netzreaktive Gebäude

Die Umsetzung der energiepolitischen Ziele der EU [1] erfordert einen ambitionierteren Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE). Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung sieht daher für 2020 einen...

mehr
Ausgabe 02/2016 Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)

Beton als Energiespeicher für Solarkraftwerke

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist erklärtes Ziel der Bundesregierung und eine zentrale Säule der Energiewende. Zur Förderung des Ausbaus wurde das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) eingeführt....

mehr