Position 02/2017
An dieser Stelle veröffentlicht BFT International in Kooperation mit den unten genannten deutschen Verbänden die Position der Organisationen zu einem aktuellen Thema der deutschen oder europäischen Fertigteilbranche.
Zur Harmonisierung kon-struktiver Betonfertigteile
Gemäß dem EuGH-Urteil in der Rechtssache C-100/13 sind zusätzliche Anforderungen an harmonisierte Bauprodukte ebenso unzulässig wie nationale Konformitätskennzeichen („Ü-Zeichen“) neben dem CE-Zeichen. Als Konsequenz ist eine abnehmende Akzeptanz gegenüber dem CE-Zeichen auf Bauprodukten in Deutschland zu verzeichnen. Die deutsche Betonfertigteilindustrie befürchtet daher negative Auswirkungen des EuGH-Urteils auf konstruktive Betonfertigteile.
Harmonisierte Produktnormen für konstruktive Betonfertigteile unter dem Mandat M/100 wie zum Beispiel stabförmige Bauteile, Wände oder Deckenplatten verweisen hinsichtlich der Bemessung auf EN 1992-1-1 (Eurocode 2), bezüglich des Baustoffs Beton auf EN 206 und bezüglich allgemeiner Herstellungsverfahren auf EN 13369. Die zitierten Normen sind nicht harmonisiert, sodass nationale Anwendungsregeln in den europäischen Mitgliedstaaten verbindlich sind, zum Beispiel der Nationale Anhang zum Eurocode 2 oder nationale Anwendungsregeln zu EN 206 und EN 13369.
Folgen
Konstruktive Betonfertigteile sind üblicherweise individuell bemessen und werden für ein spezifisches Bauvorhaben maßgeschneidert hergestellt. In diesen Fällen verweist die Leistungserklärung nach Bauproduktenverordnung im Wesentlichen auf die Bemessungsunterlagen und enthält darüber hinaus lediglich formale Angaben. Solche Leistungserklärungen sind weitgehend unbrauchbar und zudem mit einem großen bürokratischen und formalen Aufwand verbunden.
Dies wiederum führt zu Nachteilen gegenüber nicht harmonisierten Bauprodukten, zum Beispiel Transportbeton oder Ortbeton. Darüber hinaus ist das CE‑Kennzeichen als Handelszeichen überflüssig, da individuell bemessene Betonfertigteile nicht – im eigentlichen Sinne – gehandelt werden.
Für konstruktive Betonfertigteile, die als Massenware in Verkehr gebracht werden, wie zum Beispiel Maste oder Fundamentpfähle, wäre das CE-Kennzeichen als Handelszeichen zwar angebracht, allerdings sind auch für solche konstruktiven Betonfertigteile nationale Anwendungsregeln für Bemessung, Baustoffe und allgemeine Herstellungsverfahren genauso verpflichtend anzuwenden wie für individuell zu bemessende konstruktive Betonfertigteile. Diese Anwendungsregeln sind zwar legitim, da es sich um nicht harmonisierte Aspekte handelt, können aber nur als inakzeptables Handelshemmnis für diejenigen konstruktiven Betonfertigteile beurteilt werden, die als Massenware in Verkehr gebracht werden sollen.
Da eine vollständige Harmonisierung aller Bemessungs-, Herstellungs- und betontechnologischen Aspekte undurchführbar ist, sind die Harmonisierungsbestrebungen für konstruktive Betonfertigteile insgesamt als gescheitert zu betrachten.
Die Harmonisierung von konstruktiven Betonfertigteilen sollte aufgegeben werden, um: die Wettbewerbsfähigkeit dieser Produkte weiterhin aufrechtzuerhalten; Nachteile gegenüber nicht harmonisierten Bauprodukten im Betonbereich zu beheben; Bürokratie und überflüssigen Formalismus abzubauen; Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen, dass ein Handel mit konstruktiven Betonfertigteilen weitgehend nicht stattfindet; Konsequenzen aus dem fehlenden Harmonisierungspotenzial im Betonbereich zu ziehen.
Daher schlagen wir vor: harmonisierte Produktnormen für konstruktive Betonfertigteile beziehungsweise deren Fundstellen aus dem Amtsblatt der Europäischen Union zu streichen, im Falle einer Überarbeitung der harmonisierten Produktnormen für konstruktive Betonfertigteile deren Fundstellen nicht im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen; harmonisierte Produktnormen für konstruktive Betonfertigteile zurückzuziehen, wenn kein technischer Bedarf für diese Normen besteht; das Mandat M/100 als politische Grundlage für harmonisierte Produktnormen für konstruktive Betonfertigteile zurückzuziehen.
Hinweis: Laut novellierter Musterbauordnung sind bei der Errichtung von Bauwerken in Deutschland die materiellen bauaufsichtlichen Anforderungen weiterhin einzuhalten.
Gemäß den Vollzugshinweisen der Bundesländer können zur Darlegung des bauaufsichtlichen Anforderungsniveaus die erforderlichen Produktleistungen durch freiwillige Herstellerangaben dargelegt werden. Hierfür wurden Planungshilfen in Form von Anforderungsdokumenten erarbeitet, die es den Verwendern von Betonfertigteilen in einfach aufbereiteter Form ermöglichen sollen, die nationalen Anforderungen an Betonfertigteile festzulegen. Die Einhaltung der in den Anforderungsdokumenten festgelegten Eigenschaften und deren Prüfung werden von einer anerkannten Prüfstelle überwacht und zertifiziert. Die bisher fertiggestellten Anforderungsdokumente sind unter www.abid-bau.de abgelegt. Bis zur Umsetzung der obigen Position ist somit für Verwender und Hersteller von Betonbauteilen eine pragmatische Lösung gewährleistet.
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