U-Bahnhöfe in Berlin – architektonische Meisterwerke unter der Erde

Mit der Verlängerung der Berliner U-Bahn-Linie 5 wurden auch die U-Bahnhöfe „Unter den Linden“ und „Rotes Rathaus“ fertiggestellt. Dabei fungieren Beton und Betonfertigteile als innovative und prägende Baustoffe an Wand und Boden. Der Beitrag ist auch im BetonBauteile Jahrbuch 2022 zu lesen (nur deutsch), erhältlich in der Profil-Buchhandlung des Bauverlages.

Nach rund zehn Jahren Bauzeit ging im Dezember 2020 in Berlin die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in Betrieb. Die U5 aus Hönow endet somit nicht mehr am Alexanderplatz, sondern am Hauptbahnhof. Mit dem Streckenneubau wurden auch die U-Bahnhöfe „Unter den Linden“ und „Rotes Rathaus“ fertiggestellt. Beide sind eindrucksvolle Beispiele dafür, dass architektonische Highlights durchaus auch „im Untergrund“ entstehen können. Obwohl sie sich in ihrer Gestaltungsidee grundsätzlich unterscheiden, haben sie eines gemeinsam: Beton und Betonfertigteile als innovative und prägende Baustoffe an Wand und Boden.

„Ab durch die Mitte“ – so heißt es jetzt bei der Berliner U-Bahn. Der Streckenneubau der U5 in der Mitte Berlins schließt die Lücke zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz. Damit endet auch die Geschichte der U-Bahn-Linie U55. Auf ihr fuhren seit 2009 Züge auf der kurzen Strecke zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof hin und her. Im Volksmund wurde sie deshalb auch „Kanzlerlinie“ genannt. Jetzt ist die U55 Teil der U5, der nach der U7 nunmehr zweitlängsten Strecke in Berlin. Für den Lückenschluss wurden neben den beiden jeweils 1,6 km langen Tunnelröhren auch die Bahnhöfe „Rotes Rathaus“, „Museumsinsel“ und“ Unter den Linden“ neu gebaut. An der Haltestelle „Museumsinsel“ fahren die Züge bislang aber noch durch, da die Arbeiten hier noch nicht ganz abgeschlossen sind. Fertiggestellt und als wahre „Architektonische Meisterwerke unter der Erde“ präsentieren sich dagegen die Bahnhöfe „Unter den Linden“ und „Rotes Rathaus“.

 

U-Bahnhof „Unter den Linden“: Eine moderne „Kathedrale des Verkehrs“

Der neue Kreuzungs- und Umsteigebahnhof „Unter den Linden“ verfügt über drei Ebenen und befindet sich direkt unter dem gleichnamigen Berliner Prachtboulevard, der vom Brandenburger Tor bis zur Schlossbrücke und dem Berliner Dom führt. Geplant wurde der neue, besonders helle und großzügige Bahnhof von den Architekten Ingrid Hentschel und Prof. Axel Oestreich, die zuvor bereits den U-Bahnhof „Brandenburger Tor“ gestaltet haben.

Der Grundgedanke der Architekten war es, einen – trotz seiner Größe und insbesondere seiner enormen Tiefe von 12 m – weitgehend offen wirkenden Raum zu erzeugen. „Freie Durchblicke und klare Orientierung für den Nutzer“ – so beschreibt Prof. Axel Oestreich die Charakteristika des großräumigen U-Bahnhofs. Entstanden ist dabei eine riesige und dennoch helle „Kathedrale des Verkehrs“.

 

Zeitlose Architektur mit dauerhaften Materialien

Zu der von den Planern angestrebten möglichst „zeitlosen“ Architektur gehören auch Materialien, die „überdauern“. Dazu zählt neben Sichtbeton und dem in vielen Bereichen dominierenden bayerischen Muschelkalk auch der auf den Bahnsteigen verbaute Terraplanboden. Das monolithische Betonbodensystem ist aufgrund seiner feinen und ebenen Oberfläche sowie seinen großen fugenarmen Feldern optisch dem klassischen Terrazzo sehr ähnlich. Ein System, das viele Vorteile hinsichtlich der Lebensdauer, der Ebenheit oder der Reinigungskosten aufweist und sich daher speziell für Böden in öffentlichen Gebäuden wie Museen, Messehallen u. ä. eignet. Oder wie hier für einem stark frequentierten Bahnhofsbereich, der täglich von bis zu 50.000 Fahrgästen genutzt wird. Das Material für den Betonboden wird im Transportbetonwerk gemischt und im Fahrmischer auf die Baustelle gebracht. Dort lässt der Boden sich mit Hilfe moderner Maschinentechnik schnell und wirtschaftlich einbauen. Nach dem Einbringen und Glätten härtet der Boden aus, anschließend erfolgt der Schliff mit speziellen Maschinen.

In Berlin wurde der Terraplanboden in einer Konstruktionshöhe von 8 cm eingebaut. Eine besondere Herausforderung bestand dabei darin, das Material über drei Stockwerke zu pumpen und auf den rund 130 m langen Bahnsteigen zu verteilen. Gefordert waren zudem große Felder mit nur wenigen Fugen. Zum Einsatz kam ein Beton der Festigkeitsklasse C35/45. Um die von den Architekten angestrebte Helligkeit des gesamten Raumes zu unterstützen, wurde der Terraplanboden auf Basis von Dyckerhoff Weiss hergestellt – in den beiden Farbtönen Weiß und Schwarz. Bei den die Bahnsteige gliedernden schwarzen Streifen arbeitete man dagegen mit einem schwarzen Pigment. Die Oberfläche wurde feingeschliffen ausgeführt. Der gesamte Einbau des ebenso schönen wie strapazierfähigen Terraplanbodens auf einer Fläche von insgesamt 5.000 m² erfolgte durch die Firma R. Bayer Betonsteinwerk aus Blaubeuren.

 

U-Bahnhof „Rotes Rathaus“: Ein „Festsaal unter der Erde“

Das in den 60-iger-Jahren des 19. Jahrhundert nach den Entwürfen von Hermann Waesemann gebaute Rote Rathaus ist nicht nur der Sitz des Regierenden Bürgermeisters sowie des Senats von Berlin, sondern auch ein bekanntes Wahrzeichen der Hauptstadt. Der Bau in der Nähe des Alexanderplatzes verdankt seinen Namen nicht etwa einer politischen Ausrichtung, sondern seiner markanten Fassade aus leuchtend roten Ziegelsteinen. Die gleichnamige, im letzten Jahr neu gebaute U-Bahnstation hat die besten Voraussetzungen, gleichermaßen zu einer Architekturikone zu werden.

 

Beton und Betonfertigteile für ein durchgängiges Designkonzept

Bei der Gestaltung des neuen U-Bahnhofs „Rotes Rathaus“ hat sich Architekt Oliver Collignon allerdings weniger an der jüngeren Vergangenheit als vielmehr weit früheren Epochen orientiert. Denn beim Aufgraben der Strecke fand man unter anderem Reste von gotischen Bögen eines Vorgängerbaus des Rathauses aus dem Mittelalter. Nicht zuletzt diese dienten dem Architekten als Inspiration und führten zur Konstruktion der den Bahnhof prägenden, lastabtragenden „Pilzkopfstützen“, auf denen die Stationsdecke ruht.

Nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Bahnhofs setzten die Planer auf den Werkstoff Beton. So bilden schwarze und weiße Boden- und Fassadenplatten aus Betonwerkstein und in edler Terrazzostruktur ein prägendes Element des U-Bahnhofs, der von der Berliner Presse aufgrund seiner nach oben offenen Bauweise bereits als „Festsaal unter der Erde“ betitelt wird. Dazu kommen die hellen Terrazzoböden am Eingang auf dem Vorplatz des Rathauses sowie auf den Bahnsteigen. Sie alle folgen dem durchgängigen Designkonzept des Architekten, für den es auch wichtig war, die Aufenthaltsqualität im neuen U-Bahnhof spürbar zu verbessern.

 

Komplexe 3D-Ausführungsplanung

Wie bereits erwähnt, sollten schwarze und weiße Platten in Terrazzooptik das zentrale gestalterische Element der gesamten Wände im Bahnsteigbereich bilden. Ein Plan, der sich zunächst noch relativ simpel anhörte, in der praktischen Umsetzung jedoch schon bald seine ganz speziellen Tücken offenbarte. So war rasch klar, dass von den rund 3.500 benötigten parallelogrammförmigen Gesamtfassadenplatten 396 Stück als Ellipsenplatten und 920 Betonwerksteinelemente als individuelle Einzelstücke geplant werden mussten. Der Grund dafür findet sich in der Geometrie des Bahnhofs, der nicht rechtwinklig ist, sondern sowohl in Höhe des „Rotes Rathauses“ eine leichte Rechtskurve beschreibt als auch eine leichte Neigung nach unten aufweist und vom Nord- zum Südbahnsteig in einem Winkel von 5,8° schräg verläuft.

Da sich die geplante Wandbekleidung aber aus Parallelogrammen zusammensetzt, deren Fugen genau parallel zu der schrägen Verglasung verlaufen sollten, galt es nun, dies auch mit der Form der Platten in Einklang zu bringen. Zu lösen war dies allein mit Hilfe genau eingemessener Platten, die jeweils nur an eine ganz bestimmte Stelle passten. Daneben erforderten auch die elliptisch gerundeten konkaven und konvexen Ecken in den Treppen- und Aufzugsbereichen weitere exakt abgemessene 3.501 Einzelstücke. Insgesamt wurden 2.185 parallelogrammförmige Sonderteile und weitere 1.316 (ebenfalls parallelogrammförmige) Standardteile benötigt.

 

Aufwändige dreidimensionale Produktion

Mit der Produktion der Wandplatten beauftragt wurde das Unternehmen BNB Beton und Natursteine Babelsberg GmbH. Der in Potsdam ansässige Fertigteilhersteller hat sich in den letzten Jahren unter anderem auf die Produktion von hochwertigen Betonelementen aus Textilbeton spezialisiert. Es versteht sich von selbst, dass die Produktion der Platten und hier speziell der zahlreichen oben beschriebenen Sonderformate einen enorm hohen Fertigungsaufwand erforderte, da wie erläutert die Mehrzahl der Betonwerksteinplatten als Einzelstücke mit jeweils ganz individuellen elliptischen und runden Krümmungen gefertigt werden musste. Nur wenige Bauteile ließen sich entsprechend dem Fassadenraster in Serie produzieren. Aus einem von der Betonwaren GmbH (BeWa) aus Duisburg entwickelten räumlichen Modell konnten dann die 3-D-Daten sowie die Einzelplattenzeichnungen der Betonwerkstein-Wand- und -Bodenplatten für die Produktion gewonnen und in eine CNC-Maschine eingespielt werden. Hier erfolgten das Schneiden und Schleifen in einer Mischung aus aufwändiger Handarbeit und automatisiertem CNC-Schnitt bzw. Schliff. Dabei waren 20 Arbeitsschritte für jedes der Betonwerksteinelemente erforderlich.

Gefertigt wurden die Fassadenplatten aus Textilbeton mit einem speziellen Steinzuschlag zur Realisierung der gewünschten edlen Betonwerksteinoptik in Schwarz und Weiß. Die Bewehrung aus einem nichtrostenden Textilverbund ermöglichte insbesondere einen sehr dünnen Querschnitt der Platten von nur 3 cm. Dank der innovativen Leichtbauweise konnte das Gewicht der Elemente gegenüber üblichen Betonwerksteinfassadenplatten deutlich reduziert werden. Die fertigen Elemente wurden poliert und abschließend als Finish mit einem Graffitischutz versehen.

Weitere Informationen über die eigentliche Produktion der Fertigteile siehe auch BFT 4/2021 S. 42 ff. „Schwarzer Textilbeton-Terrazzo für neuen Berliner U-Bahnhof“.

Ähnlich hoch wie an die Fertigung der Platten waren auch die Anforderungen an die abschließende Montage. Sie wurde in Form einer vorgehängten und hinterlüfteten Fassade von der Fa. BeWa durchgeführt, die zuvor bereits die komplexe Ausführungsplanung vorgenommen hatte. Da der Rohbau aus Stahlbeton regelmäßig auf mögliche Rissbildungen und einen damit eventuell verbundenen Wassereintrag geprüft werden sollte, mussten alle Platten von oben nach unten abnehmbar sein und zusätzlich über die Horizontalfugen mittels Endoskopkamera untersucht werden können. Dies setzte nicht nur voraus, dass die Horizontalfugen eine Breite von mindestens 8 mm aufwiesen, hieraus ergaben sich auch die Anforderungen an die vom Bauherrn vorgegebene Unterkonstruktion. Zum Einsatz kam eine Sonderkonstruktion als Agraffensystem. Die horizontalen Fugen der einzelnen Plattenebenen ziehen sich in Waage durch das gesamte Bauwerk und wirken optisch wie ein Ring von der Wand über Boden und Decke. In diese Fugenstrukturen ordnen sich auch die Betonwerksteinbodenplatten von den Bahnsteigkanten über die Begleitstreifen und die Blindenleitstreifen bis zum Ortsterrazzo ein.

Die Festtreppenanlagen aus Betonwerksteintritt- und -setzstufen sowie die L- und U- Schalen an Decken, Schrägwänden und Durchgängen folgen ebenfalls den geometrischen Formen und Fugenstrukturen der Betonwerksteinfassade.

 

Weiße und schwarze Terrazzoböden als perfekte Ergänzung

Perfekt ergänzt werden die oben beschriebenen Wandplatten durch die am Boden verlegten Terrazzoböden. Sie kamen sowohl im Eingangsbereich als auch in der Verteilerebene und den Bahnsteigen der neuen U-Bahnstation zum Einsatz. Eingebaut wurden sie auf einer Gesamtfläche von rund 1.400 m² von der in Stollberg/Erzgebirge ansässigen Marmorveredelung Foerg und Weisheit GmbH. In ihrer Rezeptur entsprechen die Bodenbeläge in weiten Teilen den terrazzoähnlichen Wandplatten, um so ein einheitliches Gesamtbild zu erhalten. Die Basis der Bodenbeläge besteht aus Weißzement. In den oberirdischen Eingangs- bzw. Straßenebenen kam als Bindemittel Flowstone mit der Körnung Nordisch Weiß zum Einsatz.

Das Hochleistungsbindemittel auf Basis von Portlandzementen und Feinstbindemitteln sorgt hier mit seinem hohen Frost-Tausalz-Widerstand insbesondere für die notwendige Witterungsbeständigkeit. Im Bereich der Verteilerebene sowie auf den Bahnsteigen wurde zur Herstellung der weißen Beläge als Gesteinskörnung Carrara verwendet. Für die in Teilbereichen eingebauten schwarzen Beläge kam mit Nero Ebano zusätzlich noch ein schwarzer Marmorkies zum Einsatz. Der Beton wurde unter Einsatz entsprechender Pigmente und Zusatzmittel direkt vor Ort gemischt und zweischichtig frisch in frisch als eine Art „Guss-Terrazzo“ eingebaut. Mit ihrer edlen Optik verleihen die so hergestellten Bodenbeläge der gesamten Haltestelle „Rotes Rathaus“ ein besonders modernes und freundliches Flair und sorgen zusammen mit den übrigen Betonelementen so für die vom Planer gewünschte Aufenthaltsqualität.

Bautafel:

Auftraggeber: Bundeshauptstadt Berlin

Architekten „Unter den Linden“: Ingrid Hentschel,
Prof. Axel Oestreich, Berlin

Architekten „Rotes Rathaus“: Oliver Collignon, Berlin

Terraplanboden „Unter den Linden“: R. Bayer Beton-steinwerk, Blaubeuren

Wand- und Bodenplatten „Rotes Rathaus“: BNB Beton und Natursteine Babelsberg GmbH, Berlin

Ausführungsplanung & Montage Wand- und Bodenplatten „Rotes Rathaus“: BeWa GmbH, Duisburg

Terrazzoböden „Rotes Rathaus“: Marmorveredelung Foerg und Weisheit GmbH, Stollberg/Erzgeb.

Weißzement: Dyckerhoff GmbH, Wiesbaden

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