Architektonische Meisterwerke unter der Erde:
Neue Berliner U-Bahnhöfe

Im Dezember 2020 ging in Berlin die Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in Betrieb. Die U5 aus Hönow endet somit nicht mehr am Alexanderplatz, sondern am Hauptbahnhof. Mit dem Streckenneubau wurden auch die U-Bahnhöfe „Unter den Linden“ und „Rotes Rathaus“ fertig gestellt. Obwohl sie sich grundsätzlich unterscheiden, prägen sie Beton- und Betonfertigteile an Wand und Boden.


„Ab durch die Mitte“ – so heißt es jetzt bei der Berliner U-Bahn. Der Streckenneubau der U5 in der Mitte Berlins schließt die Lücke zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz. Damit endet auch die Geschichte der U-Bahn-Linie U55. Auf ihr fuhren seit 2009 Züge auf der kurzen Strecke zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof hin und her. Im Volksmund wurde sie deshalb auch „Kanzlerlinie“ genannt. Jetzt ist die U55 Teil der U5, der nach der U7 nunmehr zweitlängsten Strecke in Berlin. Für den Lückenschluss wurden neben den beiden jeweils 1,6 km langen Tunnelröhren auch die Bahnhöfe „Rotes Rathaus“, „Museumsinsel“ und „Unter den Linden“ neu gebaut. Wahre „architektonische Meisterwerke unter der Erde“ sind dabei die Bahnhöfe „Unter den Linden“ und „Rotes Rathaus“.

 

U-Bahnhof „Unter den Linden“: Eine moderne „Kathedrale des Verkehrs“

Der neue Kreuzungs- und Umsteigebahnhof „Unter den Linden“ verfügt über drei Ebenen und befindet sich direkt unter dem gleichnamigen Berliner Prachtboulevard, der vom Brandenburger Tor bis zur Schlossbrücke und dem Berliner Dom führt. Geplant wurde der neue, besonders helle und großzügige Bahnhof von den Architekten Ingrid Hentschel und Prof. Axel Oestreich, die zuvor bereits den U-Bahnhof „Brandenburger Tor“ gestaltet hatten. Der Grundgedanke der Architekten war es, einen – trotz seiner Größe und insbesondere seiner enormen Tiefe von 12 m – weitgehend offen wirkenden Raum zu erzeugen.

Zu der von den Planern angestrebten möglichst „zeitlosen“ Architektur gehören auch Materialien, die „überdauern“. Dazu zählt neben Sichtbeton und dem in vielen Bereichen dominierenden bayerischen Muschelkalk auch der auf den Bahnsteigen verbaute Terraplanboden. Das monolithische Betonbodensystem ist auf Grund seiner feinen und ebenen Oberfläche sowie seiner großen fugenarmen Felder optisch dem klassischen Terrazzo sehr ähnlich. Ein System, das viele Vorteile hinsichtlich der Lebensdauer, der Ebenheit und der Reinigungskosten aufweist und sich daher speziell für Böden in öffentlichen Gebäuden wie Museen, Messehallen u. ä. eignet. Oder wie hier für einen stark frequentierten Bahnhofsbereich, der täglich von bis zu 50.000 Fahrgästen genutzt wird. Das Material für den Betonboden wird im Transportbetonwerk gemischt und im Fahrmischer auf die Baustelle gebracht. Dort lässt der Boden sich mit Hilfe moderner Maschinentechnik schnell und wirtschaftlich einbauen. Nach dem Einbringen und Glätten härtet der Boden aus; anschließend erfolgt der Schliff mit speziellen Maschinen.

In Berlin wurde der Terraplanboden in einer Konstruktionshöhe von 8 cm eingebaut. Eine besondere Herausforderung bestand dabei darin, das Material über drei Stockwerke zu pumpen und auf den rund 130 m langen Bahnsteigen zu verteilen. Gefordert waren zudem große Felder mit nur wenigen Fugen. Zum Einsatz kam ein Beton der Festigkeitsklasse C35/45. Um die von den Architekten angestrebte Helligkeit des gesamten Raumes zu unterstützen, wurde der Terraplanboden auf Basis von Dyckerhoff Weiss hergestellt – in den beiden Farbtönen Weiß und Schwarz. Bei den die Bahnsteige gliedernden schwarzen Streifen arbeitete man dagegen mit einem schwarzen Pigment. Die Oberfläche wurde feingeschliffen ausgeführt. Der gesamte Einbau des ebenso schönen wie strapazierfähigen Terraplanbodens auf einer Fläche von insgesamt 5.000 m² erfolgte durch die Firma R. Bayer Betonsteinwerk aus Blaubeuren.

 

Beton und Betonfertigteile für ein durchgängiges Designkonzept

Bei der Gestaltung des neuen U-Bahnhofs „Rotes Rathaus“ hat sich Architekt Oliver Collignon an früheren Epochen orientiert. Denn beim Aufgraben der Strecke fand man unter anderem Reste von gotischen Bögen eines Vorgängerbaus des Rathauses aus dem Mittelalter. Nicht zuletzt diese dienten dem Architekten als Inspiration und führten zur Konstruktion der den Bahnhof prägenden, lastabtragenden „Pilzkopfstützen“, auf denen die Stationsdecke ruht. Nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Bahnhofs setzten die Planer auf den Werkstoff Beton. So bilden schwarze und weiße Boden- und Fassadenplatten aus Betonwerkstein und in edler Terrazzostruktur ein prägendes Element des U-Bahnhofs, der von der Berliner Presse aufgrund seiner nach oben offenen Bauweise bereits als „Festsaal unter der Erde“ betitelt wird. Dazu kommen die hellen Terrazzoböden am Eingang auf dem Vorplatz des Rathauses sowie auf den Bahnsteigen.

Schwarze und weiße Platten in Terrazzooptik sollten das zentrale gestalterische Element der gesamten Wände im Bahnsteigbereich bilden. So mussten von den rund 3.500 benötigten parallelogrammförmigen Gesamtfassadenplatten 396 Stück als parallelogrammförmige Ellipsenplatten und 920 Betonwerksteinelemente als individuelle Einzelstücke geplant werden. Da sich die geplante Wandbekleidung aber aus Parallelogrammen zusammensetzt, deren Fugen genau parallel zu der schrägen Verglasung verlaufen sollten, galt es, dies auch mit der Form der Platten in Einklang zu bringen. Daneben erforderten auch die elliptisch gerundeten konkaven und konvexen Ecken in den Treppen- und Aufzugsbereichen weitere exakt abgemessene 3.501 Einzelstücke. Insgesamt wurden 2.185 parallelogrammförmige Sonderteile und weitere 1.316 parallelogrammförmige Standardteile benötigt.

 

Aufwändige dreidimensionale Produktion

Mit der Produktion der Wandplatten wurde das Unternehmen BNB Beton und Natursteine Babelsberg GmbH beauftragt. Aus einem von der Betonwaren GmbH (BeWa) aus Duisburg entwickelten räumlichen Modell konnten die 3D-Daten sowie die Einzelplattenzeichnungen der Betonwerkstein-Wand- und -Bodenplatten für die Produktion gewonnen und in eine CNC-Maschine eingespielt werden. Hier erfolgte das Schneiden und Schleifen in einer Mischung aus aufwändiger Handarbeit und automatisiertem CNC-Schnitt bzw. Schliff. Gefertigt wurden die Fassadenplatten aus Textilbeton mit einem speziellen Steinzuschlag zur Realisierung der gewünschten edlen Betonwerksteinoptik in Schwarz und Weiß. Die Bewehrung aus einem nichtrostenden Textilverbund ermöglichte insbesondere einen sehr dünnen Querschnitt der Platten von nur 3 cm. Dank der innovativen Leichtbauweise konnte das Gewicht der Elemente gegenüber üblichen Betonwerksteinfassadenplatten deutlich reduziert werden. Die fertigen Elemente wurden poliert und abschließend als Finish mit einem Graffitischutz versehen.

Die abschließende Montage wurde in Form einer vorgehängten und hinterlüfteten Fassade von der Firma BeWa durchgeführt, die zuvor bereits die komplexe Ausführungsplanung vorgenommen hatte. Alle Platten mussten von oben nach unten abnehmbar sein und zusätzlich über die Horizontalfugen mittels Endoskopkamera untersucht werden können. Dazu musste die Fugenbreite mindestens 8 mm aufweisen, was eine besondere Unterkonstruktion in Form eines Agraffensystems erforderte. In diese horizontalen Fugenstrukturen ordnen sich die Betonwerksteinbodenplatten von den Bahnsteigkanten über die Begleitstreifen und die Blindenleitstreifen bis zum Ortsterrazzo ein. Die Festtreppenanlagen aus Betonwerksteintritt- und -setzstufen sowie die L- und U-Schalen an Decken, Schrägwänden und Durchgängen folgen ebenfalls den geometrischen Formen und Fugenstrukturen der Betonwerksteinfassade.

 

Weiße und schwarze Terrazzoböden als perfekte Ergänzung

Perfekt ergänzt werden die oben beschriebenen Wandplatten durch die am Boden verlegten Terrazzoplatten. Sie kamen sowohl im Eingangsbereich als auch in der Verteilerebene und den Bahnsteigen der neuen U-Bahnstation zum Einsatz. Eingebaut wurden sie auf einer Gesamtfläche von rund 1.400 m² von der in Stollberg/Erzgeb. ansässigen Marmorveredelung Foerg und Weisheit GmbH. In ihrer Rezeptur entsprechen die Bodenbeläge in weiten Teilen den terrazzoähnlichen Wandplatten, um so ein einheitliches Gesamtbild zu erhalten.

Die Basis der Bodenbeläge besteht aus Weißzement. In den oberirdischen Eingangs- bzw. Straßenebenen kam als Bindemittel Flowstone mit der Körnung Nordisch Weiß zum Einsatz. Das Hochleistungsbindemittel auf Basis von Portlandzementen und Feinstbindemitteln sorgt hier mit seinem hohen Frost-Tausalz-Widerstand insbesondere für die notwendige Witterungsbeständigkeit. Im Bereich der Verteilerebene sowie auf den Bahnsteigen wurde zur Herstellung der weißen Beläge als Gesteinskörnung Carrara verwendet. Für die in Teilbereichen eingebauten schwarzen Beläge kam mit Nero Ebano zusätzlich noch ein schwarzer Marmorkies zum Einsatz. Der Beton wurde unter Einsatz entsprechender Pigmente und Zusatzmittel direkt vor Ort gemischt und zweischichtig frisch in frisch als eine Art „Guss-Terrazzo“ eingebaut.

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