IAB Weimar: Nachhaltige Bauforschung für die Zukunft
Das Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) Weimar forscht im 2019 erbauten Recycling-Technikum an alten und neuen Verfahren zum Recycling von Baustoffen. Unter der Schirmherrschaft von RILEM findet in diesem Jahr erstmals vom 10. bis 12. Oktober 2023 die 5. Ausgabe der internationalen Konferenz zum Baustoffrecycling statt – Ausrichter ist das IAB.
Immer knapper werdende natürliche Ressourcen und Baumaterialen ebenso wie die zunehmenden Mengen an Bauabfällen zwingen den Bausektor und seine Akteure zum Handeln. Obwohl die Notwendigkeit des Baustoffrecyclings von allen Seiten betont wird, geht die Umsetzung von geschlossenen Stoffkreisläufen nach wie vor schleppend voran. Ein Grund dafür ist, dass technische Lösungen für bestimmte Bauabfallarten fehlen bzw. lediglich im Labormaßstab erprobt wurden. Um dieses Defizit abzubauen, wurde im Jahr 2018 am Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar die Entscheidung getroffen, die vorhandene experimentelle Basis um eine weitere Versuchshalle, dem sog. Recycling-Technikum, zu erweitern. Dafür wurde zunächst ein 36 x18 Meter großer Hallenkomplex errichtet.
Aufbau und Einrichtung der technischenInfrastruktur
In der ersten Ausbaustufe wurden Ausrüstungen für die mechanische Aufbereitung installiert. Dazu gehören ein Backenbrecher, eine Kugelmühle, diverse Siebmaschinen und ein Granulierteller. Parallel dazu wurde der Aufbau einer Drehrohrofenanlage zur thermischen Behandlung von Bauabfällen geplant, realisiert und im Jahr 2019 in Betrieb genommen.
Potenziale thermischer Verfahren nutzen
Die Anwendung thermischer Verfahren ist bei der Behandlung von mineralischen Bauabfällen bisher ungewöhnlich, bietet aber ein großes Potenzial. Ein Beispiel dafür ist die Herstellung von leichten Gesteinskörnungen ähnlich Blähtonen aus Mauerwerkbruch. Dieser Bauabfall ist in der Regel ein Gemisch aus Ziegeln, mineralisch gebundenen Wandbaustoffen sowie Mörtel und Putz. Diese Mischung wird bisher für Verfüllungen oder andere Einsatzgebiete, die kaum den Anspruch einer wirklichen Verwertung erfüllen, verwendet. Enthalten diese Gemenge zusätzlich sulfathaltige Baustoffe wie Gipsputze oder Porenbeton ist die Verwertung auch als Verfüllmaterial ausgeschlossen. Es muss deponiert werden, was einerseits hohe Kosten verursacht und andererseits dem Wirtschaftskreislauf wichtige Sekundärrohstoffe entzieht.
Von klein- zu großtechnischen Versuchsanlagen
Aufbauend auf Grundlagenuntersuchungen wurde mit der Drehrohrofenanlage die Herstellung von leichten Gesteinskörnungen im Pilotmaßstab erprobt, um so den nächsten Schritt in Richtung einer großtechnischen Anlage vorzubereiten. Der Drehrohrofen für die thermische Behandlung der Grüngranulate hat eine Länge von 6 m und eine lichte Weite von 0,6 m. Als Brennstoff wird zurzeit Erdgas eingesetzt. Die maximale Brenntemperatur liegt bei 1400 °C. Drehzahl und Neigung des Ofens sind in bestimmten Bereichen einstellbar.
Herstellung von Recyclingprodukten
Bei der Herstellung von leichten Gesteinskörnungen wird der Ofen bei einer Brenntemperatur von 1200 °C betrieben. Die Verweilzeit des Materials im Ofen beträgt insgesamt ca. 25 min, davon etwa 6 min bei Temperaturen > 1100°C. Das entstandene Produkt hat folgende Eigenschaften:
Rohdichten um 600 g/cm³;
Wasseraufnahme, Einzelkornfestigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Frost-Tau-Wechselbeständigkeit „konkurrenzfähig“ mit herkömmlichen leichten Gesteinskörnungen aus Ton;
Gehalt an löslichem Sulfat nimmt von > 1600 mg/l im Ausgangsmaterial auf Z0-Werte < 50 mg/l ab.
Mithilfe der Versuche im Pilotmaßstab konnte nachgewiesen werden, dass der Verbrauch an thermischer Energie den Energieverbrauch für vergleichbare Produkte aus Tonen nicht übersteigt. Darüber hinaus kommt das Recycling-Produkt ohne Primärrohstoffe aus und aus dem Ausgangsmaterial kann hochdisperser Gips zurückgewonnen werden.
Trennung von leichten Störstoffen im freien Fall
Soll die Verwertung heterogener Bauabfälle nicht wie beschrieben als Sekundärrohstoff erfolgen, so muss zunächst das Gemisch in seine Bestandteile aufgetrennt werden. Deshalb wird die Entwicklung leistungsfähiger Sortiertechniken immer wichtiger. Im Recycling-Technikum stehen neben einem Windsichter zur Abtrennung leichter Störstoffe auch ein Freifallsortierer für die Trennung der mineralischen Bestandteile zur Verfügung.
Mit diesem Sortierer wurden bereits erfolgreiche Versuche zur Separation von Gips aus einem Ziegel-Beton-Gemisch, Ziegel aus einem Ziegel-Beton-Gemisch sowie von Störstoffen aus einem Betonrezyklat jeweils an Körnungen 16/32 mm durchgeführt.
Innovative Bandsortierung mit Hochleistungsmagneten
Die Sortierung von Rezyklaten
< 4 mm ist bisher eine besondere Herausforderung. Sensorbasierte
Verfahren für Körnungen < 4 mm
werden zwar in der Literatur beschrieben, ob aber der Übergang in die Praxis gelingt, ist noch nicht entschieden. Am IAB ist zurzeit ein völlig neues Verfahren in der Erprobung. Als Sortiermerkmal dient die magnetische Suszeptibilität, die hauptsächlich vom Fe2O3-Gehalt des jeweiligen Materials abhängt. Bei Betonen und Ziegeln besteht in der Regel ein deutlicher Unterschied. Bei einer großen Anzahl von untersuchten Betonen lag der Fe2O3-Gehalt unter 4 Masse-%, während sich der Fe2O3-Gehalt der Ziegel zwischen 4 und 9 % Masse bewegte. Ein Hochleistungsmagnet erkennt diese Unterschiede, so dass sie als Sortiermerkmal genutzt werden können. Der Bandsortierer im Recycling-Technikum ist mit einem Neodymmagneten in der Kopfrolle ausgerüstet.
Entwicklungen über den Labormaßstab hinaus
Mit dem Recycling-Technikum und der stetigen Erweiterung der technischen Anlagen bietet sich am
IAB die Möglichkeit, Entwicklungen über den Labormaßstab hinaus zu verfolgen und die Überführung in die Praxis vorzubereiten. Im Bau befindet sich derzeit noch ein Flash-Kalzinator, mit dem zukünftig die Kalzinierung von künstlichen Puzzolanen unter oxidierenden und reduzierenden Brennbedingungen erforscht und erprobt werden soll.
Diese bilden einen Bestandteil der sogenannten LC3-Zemente (Englisch: Limestone Calcined Clay Cement), mit denen ein großer Teil der bei der Erzeugung von Klinker und standardisierten Zementen freigesetzten CO2-Emissionen eingespart werden kann. Innerhalb verschiedener Forschungsvorhaben wird ebenso der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger getestet. Zu diesem Zweck soll der Drehrohrofen weiter ausgebaut werden, um die industrielle Tauglichkeit neuer Energieträger nachzuweisen können.
Internationaler Austausch auf Baustoffrecycling-Konferenz
Das Weimarer Bauforschungsinstitut ist in der Forschungs- und Entwicklungslandschaft für seine Recyclingkompetenz gut bekannt und vernetzt. Unter der Schirmhaft von RILEM findet in diesem Jahr erstmals vom 10. bis 12. Oktober 2023 die 5. Ausgabe der Internationalen Konferenz zum Baustoffrecycling (V.PRE = V International Conference Progress of Recycling in the Built Environment) in Deutschland, Weimar/Thüringen statt – Ausrichter ist das IAB (Vorbericht siehe auch BFT 7/2023, S. 66/67).
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IAB – Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH
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