Projektkonsortium ReCyCONtrol – Schlüsseltechnologien für die digitale Revolution im Betonbau
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungskonsortium ReCyCONtrol hat in den vergangenen drei Jahren einen vollkommen neuen Ansatz der Frischbetonherstellung entwickelt: Sensoren überwachen kontinuierlich alle Herstellungsschritte und ermöglichen es durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz und Computer Vision, den Frischbeton gegenüber Schwankungen der Ausgangsstoffe auszusteuern.
Täglich werden in Europa und der Türkei ca. 600.000 Chargen Transportbeton hergestellt. Geschätzt über 80 % dieser Chargen sind sich in der Zusammensetzung sehr ähnlich, was somit enorme Wiederholungsraten zur Folge hat. Zwar erfolgt die Betonherstellung heute weitgehend vollautomatisch, indem vorgegebene Betonzusammensetzungen gemischt werden, jedoch können hierbei Schwankungen in den Betonausgangsstoffen bislang noch nicht adäquat berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass typische Betonzusammensetzungen unwirtschaftliche und ökologisch nachteilige Sicherheitspuffer z. B. in Form erhöhter Zementgehalte aufweisen, um diese Schwankungen auszugleichen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungskonsortium ReCyCONtrol hat in den vergangenen drei Jahren einen vollkommen neuen Ansatz der Betonherstellung entwickelt: Sensoren überwachen kontinuierlich alle Herstellungsschritte und ermöglichen es durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz, den Beton gegenüber Schwankungen der Ausgangsstoffe auszusteuern.
Forschungsnetzwerk aus Wissenschafts- und Industriepartnern
Das Projektkonsortium besteht aus zahlreichen Wissenschafts- und Industriepartnern. Zum Forschungsnetzwerk gehören die Unternehmen HeidelbergMaterials, Master Builders Solutions Deutschland GmbH, Pemat GmbH, Bikotronic GmbH, Alcemy GmbH und Moß GmbH sowie die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW). Koordiniert wird das Konsortium von der Leibniz Universität Hannover durch das Institut für Baustoffe und das Institut für Photogrammetrie und GeoInformation (vgl. Abb. 1).
Berührungsfreie Messsysteme und selbstlernende Prozessregelungsmethoden
Im Zentrum der Arbeiten des Projektkonsortiums ReCyCONtrol stand die Entwicklung berührungsfreier Messsysteme und selbstlernender Prozessregelungsmethoden für die Betonherstellung, die es gestatten, die nachteiligen granulometrischen und stofflichen Schwankungen der Betonausgangsstoffe – und hier insbesondere der Rezyklate – präzise zu erfassen und darauf aufbauend die Eigenschaften des Endprodukts Beton durch eine Aussteuerung so anzupassen, dass die gewünschten Zieleigenschaften des Betons erreicht werden.
Methodenentwicklung
Zur Methodenentwicklung war es zunächst notwendig, eine Charakterisierung marktüblicher fraktionierter rezyklierter Gesteinskörnungen unterschiedlicher stofflicher Zusammensetzung (Betonbruch, Mauerwerksbruch, natürliche Gesteinskörnung) vorzunehmen und übliche Schwankungsbereiche der Eigenschaften zu identifizieren. Darauf aufbauend wurde eine Quantifizierung des Einflusses der Eigenschaftsschwankungen (Korngrößenverteilung, Materialzusammensetzung) auf die Frischbetoneigenschaften (Konsistenz, rheologische Eigenschaften etc.) durchgeführt. Dies ermöglichte die Ermittlung von praxisrelevanten zulässigen Schwankungen der Betonzusammensetzung und der Betoneigenschaften und die Formulierung von technischen Randbedingungen zur Erfassung der Ausgangsstoff- und Frischbetoneigenschaften. Mit Blick auf echtzeitfähige Inline-Messsysteme zur Erfassung der Ausgangsstoff- und Frischbetoneigenschaften wurden sogenannte Computer-Vision- bzw. KI-basierte Methoden entwickelt. Um in einem nächsten Schritt den Übergang von einer reinen Qualitätserfassung hin zu einer Qualitätsregelung zu ermöglichen, wurden und werden Algorithmen entwickelt, welche die mithilfe der zuvor beschriebenen Methoden ermittelten Eigenschaftskennwerte der Ausgangsstoffe oder des Frischbetons in betontechnologische Zusammenhänge überführen und Aussteuerungsempfehlungen geben. Auf dieser Grundlage nehmen die entwickelten Algorithmen zur Prozessregelung – wenn notwendig – eine Anpassung der Betonzusammensetzung noch vor Beginn des Mischvorgangs oder eine Aussteuerung der Frischbetoneigenschaften mittels zusätzlicher Dosierung von Additiven während des Mischvorgangs vor (vgl. Abb. 2).
Zielgerichtete Umsetzung
Durch das im Projektkonsortium breit angelegte Spektrum beteiligter Wissenschafts- und Industriepartner sowie dem institutionellen Bauherrenpartner konnten alle für die zuvor beschriebene Technologie zu erwartenden Herausforderungen adressiert und berücksichtigt werden. Dadurch ist auch eine direkte und zielgerichtete wirtschaftliche Umsetzung der Projektergebnisse in der Praxis möglich. Der Einsatz automatisierter, selbstlernender Prozessregelungsmethoden bei der Betonherstellung stellt auch wissenschaftlich eine wegweisende Neuerung dar.
Abschlusskolloquium
Im Oktober 2024 fand das Abschlusskolloquium ReCyCONtrol im Königlichen Pferdestall der Leibniz Universität Hannover mit ca. 90 Teilnehmenden aus unterschiedlichsten Bereichen der Industrie und der Wissenschaft statt. Im Rahmen des Abschlusskolloquiums wurden die Entwicklungen von allen Projektpartnern vorgestellt. Neben spannenden Vorträgen konnten auch einzelne Methoden im Prototypstatus praktisch präsentiert werden.
CONTACT
Leibniz Universität Hannover
Institute of Building Materials Science
Dr.-Ing. Tobias Schack/Dr.-Ing. Max Coenen
Appelstraße 9A
30167 Hannover/Germany