Nachhaltiger Sichtbeton – Recyclingbetonfassade für neues Rathaus in Korbach

Kürzlich wurde das neue Rathausensemble im Zentrum der hessischen Stadt Korbach fertiggestellt. Die Fassadenelemente des neuen Hauptgebäudes wurden aus Recycling-Beton unter Verwendung von Abbruchmaterialien des vormaligen Bestandsbaus hergestellt. Der vollständige Beitrag ist im BetonBauteile Jahrbuch 2022 zu lesen, erhältlich in der Profil-Buchhandlung des Bauverlages.

Nach umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen ist kürzlich das neue Rathausensemble im Zentrum der hessischen Stadt Korbach fertiggestellt worden. Eines der Highlights des Projekts sind die ästhetischen Fassadenelemente des neuen Hauptgebäudes – hergestellt aus Recycling-Beton unter Verwendung von Abbruchmaterialien des vormaligen Bestandsbaus. Ein sichtbar nachhaltiges, ressourcenschonendes und zukunftsweisendes Konzept, das einerseits den angedachten Urban-Mining-Zielen Rechnung trägt, andererseits den Wunsch des Bauherrn widerspiegelt, das historische Rathausareal mit zeitgemäßen Bezügen als identitätsstiftenden Ort zu stärken.

 

Architekturkonzept und städtebauliche Einordnung

Die Architekten planten den neuen Rathauskomplex in drei Teilprojekten: Sanierung des historischen Rathauses sowie Neubau des Hauptgebäudes und des Nebengebäudes. Der Entwurf fußte dabei im Wesentlichen auf dem „Weiterbauen des Ortes“. Dabei sollte der gewachsene, mittelalterliche Stadtgrundriss mit seiner Struktur und seiner Dachlandschaft konsequent weitergeschrieben werden. Unter Einbeziehung des denkmalgeschützten historischen Rathauses sollten stadträumliche Bezüge gestärkt werden und Freiräume in neuer Qualität entstehen. Vor diesem Hintergrund sollten die Neubauten in puncto Maßstäblichkeit und Kubatur an den Bestand angelehnt werden und diesen mit einem eigenständigen architektonischen Ausdruck interpretieren.

 

Materialkonzept und Fassadengestaltung

Um die neuen Gebäude des Ensembles visuell zu verbinden und in die gewachsene Altstadt zu integrieren, entwickelten die Planer der ARGE agn – Heimspiel Architekten (Ibbenbüren) ein ganzheitliches Materialkonzept aus den architektonischen Themen des Ortes. Als Ausdruck eines für alle offenen und repräsentativen Rathauses wurde eine helle und wertige Fassade aus differenziert strukturierten Sichtbetonoberflächen vorgesehen. Der architektonische Ausdruck des Gebäudes sollte durch ein kraftvolles und differenziertes Volumen geprägt werden. Das Ergebnis: Flächige Elemente stehen in einem spannungsreichen Wechsel zu den tiefen Einschnitten von Arkaden und Stadtloggia. Diesem Thema folgen auch die Materialien, die in ihrer Dreiteilung das optische Volumen reduzieren und die innere Gebäudestruktur ablesbar machen. Die gewählten Regelgebäudetiefen garantieren zugleich auch eine hohe Nutzungsflexibilität für die dort arbeitenden Mitarbeiter der Stadt.

 

Fassadenkonzept mit Recycling-Beton

Die Fassade ist zugleich deutlich sichtbares Zeichen für das dem Projekt zugrunde gelegten Urban-Mining-Konzept, dessen Ziel es war, den abzubrechenden Rathausanbau als „urbane Mine“ zu nutzen. Von vornherein war vorgesehen, einen Teil des rezyklierten Materials auch für die Fassadenelemente zu nutzen. Auf diese Weise gelang es, den Recycling-Beton als wertvollen Bestandteil eines konsequenten Materialkreislaufs für alle sichtbar zu machen und gleichzeitig die Historie des Ortes und den Vorgängerbau aus den 1970er Jahren mit in die Zukunft zu transportieren.

Die Architekten planten die Fassade als vorgehängte, hinterlüftete Konstruktion mit Betonfertigteilen. In ihrer Farbgebung und Handwerklichkeit sollte sich die neue Fassade an dem regionalen Zechstein des historischen Rathauses orientieren und so Wertigkeit und Langlebigkeit vermitteln. Nach mehreren Bemusterungen verschiedener Recyclingmaterialien und -betone entschieden sich die Verantwortlichen unter anderem auch für die Verwendung eines roten Ziegelbruchs – gewonnen aus den Dachziegeln eines der Nebengebäude des abgebrochenen Bestands. Mit diesen rezyklierten Gesteinskörnungen wurden Teile der im Beton enthaltenen Kiese oder gebrochenen Natursteine substituiert. Die Aufbereitung des Materials erfolgte nach Vorgaben der Richtlinie „Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen“ des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Diese ermöglicht sowohl den Einsatz von gebrochenem Altbeton als auch die Verwendung von Mauerwerks- und Ziegelbruch.

 

Spezifische Rezeptur für den R-Beton

So wurde ein Teil des Materials nach dem selektiven Rückbau und der sortenreinen Trennung in einer Brechanlage gebrochen, gesiebt, gewaschen, aufbereitet und schließlich zur Verwendung in der neuen Fassade zu Hering Bau nach Burbach geliefert.

Mit dieser rezyklierten Gesteinskörnung des Typs 1 (Betonsplitt) in der Kornfraktion 8/16 konnten 25 % der natürlichen Gesteinskörnung ersetzt werden. Als wesentlicher farbiger Bestandteil dieses Materials dienten die roten Ziegel des Altbaus, die dem Beton eine leicht rötliche Einfärbung verleihen. Bei der Entwicklung einer geeigneten Betonrezeptur ist es wichtig, dass möglichst nur rezyklierte Materialien verwendet werden, die in eine unbedenkliche Alkaliempfindlichkeitsklasse eingestuft werden können. Ansonsten müssten die Bestandteile in die Klasse E III-S der Alkalirichtlinie eingestuft und der Anteil des Zementes auf maximal 350 kg/m³ begrenzt werden. Um aber ganz sicherzugehen, wurde dieser Grenzwert für den verwendeten Beton eingehalten. Als Zementsorte wurde ein Portlandzement CEM I 42,5 R verwendet, womit eine Betonfestigkeitsklasse C30/37 erreicht werden konnte. Die Konsistenz des Betons wurde aus produktionstechnischen Gründen relativ weich eingestellt, was einer Konsistenzklasse F3 entspricht. Dieser Beton eignete sich damit ideal für die Herstellung von hochwertigen Fassadenelementen im Fertigteilwerk.

 

Besonderheiten des eingesetzten R-Betons

Für das rezyklierte Material und den R-Beton war im Vorfeld eine erweiterte Erstprüfung erforderlich. Unter anderem musste für die rezyklierte Gesteinskörnung die Wasseraufnahme bestimmt und bei der Mischungsberechnung berücksichtigt werden – denn diese sollte nicht über 10 % liegen. Um eine gute Verarbeitbarkeit sicherzustellen, erfolgte vor dem eigentlichen Mischvorgang ein Vornässen des Recyclingmaterials. Außerdem musste der R-Beton umfassend auf seine Frostbeständigkeit getestet werden. Der Nachweis erfolgte in einem Prüflabor, indem werkseitig hergestellte Prüfkörper einer bestimmten Anzahl von Frost-Tau-Wechseln unterzogen wurden. Danach wurde der Massenverlust der Prüfkörper ermittelt und mit normativ festgelegten Grenzwerten verglichen. Mit der von Hering Bau entwickelten Betonrezeptur konnten alle Grenzwerte hinsichtlich der Frostbeständigkeit sicher eingehalten werden. Abschließend lässt sich festhalten: Der beim Projekt in Korbach verwendete R-Beton war bezüglich der Verarbeitung im Fertigteilwerk unproblematisch und unterschied sich nur unwesentlich von einem konventionellen Beton.

 

Fassadenplanung und Konstruktion

Für die Fassaden der beiden neuen Gebäude des Rathausensembles waren insgesamt 260 Betonfertigteile erforderlich. Zur Herstellung der Platten mussten insgesamt 141 Elementpläne gezeichnet werden – jeweils genau abgestimmt auf alle erforderlichen Angaben für die Produktion des jeweiligen Fertigteils. Die Elemente wurden in einer Stärke von 14 cm und mit maximalen Gewichten von bis zu 7,2 t für die Anwendung als vorgehängte, hinterlüftete Fassade konzipiert. Die Befestigung der Teile am Rohbau erfolgte mittels Fassadenplattenankern und Dübeln.

 

Herstellung und Oberflächenbearbeitung

Die Herstellung der Fertigteile aus R-Beton erfolgte im Werk von Hering Bau auf Kipptischen, die zum Abheben der Elemente in eine vertikale Position gefahren werden konnten. Um qualitativ hochwertige und gleichmäßige Betonoberflächen zu erhalten, wurden die Stahltische mit lackierten Schichtholzplatten belegt. Die Randschalungen – ebenfalls aus einem Holzwerkstoff gefertigt – wurden gegen die Stirnseiten der Schichtholzplatten gestoßen. So entstanden maßhaltige und dichte Formen. Das Ausschalen und Abheben der Elemente erfolgte nach einer Aushärtezeit von etwa 20 Stunden. Danach wurden die Fertigteile etwa eine Woche zwischengelagert, bevor mit der Oberflächenbearbeitung begonnen wurde. Hierbei legten die Experten von Hering Bau den roten Ziegelbruch durch Strahlen der Oberfläche frei. Nach dem Aufbringen einer Hydrophobierung wurden die Fertigteile schließlich bis zur Montage im Freilager zwischengelagert.

Transport und Montage

Die Lieferung der Platten zur Baustelle erfolgte in sogenannten Innenladern. Diese Spezialfahrzeuge ermöglichen einen schonenden Transport von plattenartigen Bauteilen, da diese hiermit in stehender Position gefahren werden Dank der Ausstattung der Fahrzeuge mit speziellen Innenladerpaletten können die Fertigteile temporär an der Baustelle abgestellt und dann direkt von der Palette, ohne weitere Zwischenlagerung, montiert werden. Da die Platzverhältnisse vor Ort in Korbach sehr beengt waren, erfolgte das Versetzen der Teile mit den stationären Turmdrehkränen.

 

Fazit

Ein echtes Pionierprojekt für nachhaltiges Bauen mit Recycling-Beton – für alle sichtbar an der Fassade.

Der vollständige Beitrag einschließlich des begleitenden Fachaufsatzes von Prof. Dr.-Ing. Anja Rosen zum selben Projekt „Ressourcen schonen – aber wie? Modellprojekt Rathaus Korbach/D“ ist im BetonBauteile Jahrbuch 2022 zu lesen, erhältlich in der Profil-Buchhandlung des Bauverlages.

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