Recycling- und Lichtfaserbeton –
Innovative Fertigteillösungen im Architekturbeton
Das Rathaus in Korbach ist seit vielen Jahrzehnten ein zentraler und prägender Anlaufpunkt für die Bürger des Ortes. Da das in den 1970er Jahren an das historische Rathaus angebaute Bestandsgebäude architektonisch nicht mehr zeitgemäß war und viele bauliche sowie energetische Mängel aufwies, entschied sich die Stadt Korbach zu umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen des historischen Rathauses, des Haupt- und des Nebengebäudes. Ziel und Anforderung der Stadt als Bauherr war es, ein Gebäude-Ensemble zu schaffen, welches neben einer offenen und bürgerfreundlichen Bauweise auch nachhaltig und energieeffizient ist. Zudem sollten die neuen Gebäudeteile eine visuelle Verbindung in die Altstadt schaffen. Die Idee des Architekten (ARGE agn/heimspiel architekten) und des Bauherren war es, aus dem Altgebäude zurückgewonnene mineralische Baustoffe ortsnah zu recyceln und für den Neubau an gleicher Stelle wiederverwerten zu können. Zudem sollten die Materialien auch bei einem späteren Rückbau sortenrein trennbar sein. In der Konsequenz wurde aus dem Grundgedanken ein Pionierprojekt für Nachhaltigkeit und das so genannte „Urban Mining“.
So wurde im Jahr 2019 Hering Architectural Concrete/ HAC damit beauftragt, eine geeignete Sichtbetonfassade herzustellen, die den oben beschriebenen Anforderungen gerecht wird. Zusammen mit der „energum GmbH/agn-Gruppe“, den „heimspiel architekten“ und der „bimolab gGmbH“ hat HAC ein umfassendes Konzept zur Nutzung des Altbaus als Rohstoffquelle für die Fassade des neuen Rathauses entworfen. Wichtig war dabei die Verwendung von Recyclingbeton (RC-Beton).
Als farbgebenden Bestandteil entschied man sich für die Abbruchmaterialien der roten Dachziegel des Altbaus, die dem Beton eine leicht rötliche Einfärbung verleihen. Mit diesen rezyklierten Gesteinskörnungen wurden die im Beton enthaltenen Anteile aus Kies oder gebrochenem Naturstein substituiert. So wurde das vorhandene Material nach dem Rückbau und der sortenreinen Trennung in einer Brechanlage gebrochen, gesiebt, gewaschen, aufbereitet und zur Verwendung zu Hering Bau geliefert. Am Ende konnten mehr als 62 % des Abbruchmaterials für den Neubau genutzt werden.
Insgesamt wurden für dieses Projekt mit Identität stiftendem Charakter 260 Platten produziert. Die Oberfläche der Platten ist gestrahlt. Nach der unproblematischen Herstellung im Fertigteilwerk begann 2020 die Montage. Die Fertigstellung erfolgte im Juli 2021.
Die ressourcenschonende Nutzung von Recyclingbeton in der Fassade ist mit ihrem nachhaltigen Gedanken ein aufrechtes Pionierprojekt für nachhaltiges Bauen.
In Hamburg hingegen ist die Ausführung noch im vollen Gange. Voraussichtlich 2022 werden die Arbeiten abgeschlossen sein. Im Rahmen des Projektes „Zukunft Bahn – Herstellung von Brüstungen aus Lichtbeton” werden im Auftrag der Deutschen Bahn Station&Service AG sieben Aufgänge an den S-Bahn-Stationen zur Reeperbahn modernisiert, weshalb Wände, Bahnsteige und Verteilerebenen neugestaltet werden und ein zeitgemäßes Erscheinungsbild erhalten.
Aktuell sind bereits vier Aufgänge fertig. Hier wurden insgesamt 289 Platten auf einer Fläche von 221 m2 montiert. Die Platten sind anthrazit gefärbt und geschliffen.
Im Hochbau bildet das Textilbeton-System betoShell in Kombination mit der lizenzierten Lichttechnik SIUTtechnology beeindruckende Gestaltungsmöglichkeiten: leuchtende Fassaden. Durch eine gezielte Integration von Lichtwellenleitern in die Betonfassadenelemente wird der Werkstoff selbst zur Lichtquelle und ermöglicht innovative Lichtkonzepte. Dezente Lichtilluminationen sorgen hierbei für eine angenehme Umgebung und eine ästhetische Aufwertung von Fassadenflächen.
betoShellSiut ist eine textilbewehrte, schlanke und leichte Betonfassade, die höchsten qualitativen Ansprüchen gerecht wird. Die Elemente des Systems Flex30, mit einer Materialstärke ab 30 mm, ermöglichen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des innovativen Architekturbetons. Im ausgeschalteten Zustand sind sie weder fühl- noch sichtbar. Somit bleibt die Eigenschaft des Betons in Optik und Haptik erhalten. Die Lichteinspeisung der Betonelemente findet zentral von extern durch einen hinter der Fassadenverkleidung montierten Hochleistungsgenerator statt. Somit sind Bauteil und Stromversorgung voneinander getrennt. Die eingesetzten Generatoren liefern dabei jeweils Licht für maximal 10 m² Fassade. Die Elemente werden rückseitig mit vier Hinterschnittankern versehen und können so leicht an einer Systemunterkonstruktion befestigt werden. Von schalungsglattem Sichtbeton bis hin zu Waschbeton stehen dafür eine Vielzahl an Oberflächen und Farben zur Verfügung. Die glasgelege- beziehungsweise carbonarmierten Textilbetonplatten sind um ein Vielfaches leichter als herkömmliche Stahlbetonplatten mit einem sehr positiven Einfluss auf die Ökobilanz. Die Platten für die restlichen S-Bahn-Aufgänge sind in der Produktion und teilweise schon montiert.