Neubau eines Pfarrsaals mit Stampfbeton
Erst Ende Mai ist der Pfarrsaal der katholischen Kirchengemeinde Herbolzheim-Rheinhausen feierlich eingeweiht worden. Die Innenwände des eingeschossigen Neubaus sind in Sichtbeton erstellt und die Außenfassade besteht aus Stampfbeton, was ihr eine warme und natürliche Anmutung verleiht. In Kombination mit dem geradlinigen Gebäudeentwurf ist es K9 Architekten gelungen, Alt und Neu einfühlsam zu verbinden und moderne Architektur im besten Sinne zu erschaffen.
„Der Eindruck entsteht vor allem durch die Stampfbetonfassade mit ihren vielfältigen Farbpigmentierungen in variierenden Lagenhöhen. Das ergibt eine lebendige und natürliche Struktur, die sehr gut mit der historischen Mauer harmoniert“, erklärt Marc Lösch, Geschäftsführer bei K9 Architekten, die mit ihrem Neubau- und Instandsetzungskonzept den ersten Platz bei dem 2013 von der katholischen Kirchengemeinde St. Alexius ausgelobten Wettbewerb belegten.
Archaisches Material mit Charme
Stampfbeton gehört zu den ältesten Betonarten, bei dem unbewehrter Beton auf Basis von Natursteinen und Zement durch Druckstöße verdichtet wird. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Material wegen seiner Dauerhaftigkeit und Druckfestigkeit für den Bau großer Fundamente und Brückenpfeiler eingesetzt. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Ära des Stahlbetons begann, geriet Stampfbeton in Vergessenheit. Seit einigen Jahren erlebt er eine Art Renaissance, weil das schichtweise Betonieren und Verdichten eine besondere Ästhetik ermöglicht.
Bei dem neuen Gemeindezentrum in Herbolzheim wurde der Stampfbeton auf der Baustelle (geringer W/Z-Wert, C 25/30, Farbpigmente) angemischt und in erdfeuchter Konsistenz schichtweise in die Schalung eingebracht. „Die Verdichtung erfolgt in Handarbeit durch arbeitsintensives Stampfen. Am Ende erhält man eine sehr dauerhafte und druckfeste Konstruktion mit einer markanten Oberfläche, bei der die Schichten ablesbar bleiben“, sagt Marc Lösch.
Stampfbetonbauweise mit Erfahrung und Präzision
Zunächst mussten K9 Architekten eine Rohbaufirma finden, die sich in das heute wenig verbreitete Verfahren einarbeiten wollte. Die Kalt-Massivbau GmbH aus Lahr erwies sich als der geeignete Partner, in dessen Betonlabor zunächst mehrere Musterwände erstellt und die endgültige Betonrezeptur festgelegt wurden. „Außerdem war eine spezielle Schalung erforderlich, damit später keine Ankerlöcher in der Oberfläche zu sehen sind. Die Schichthöhen haben wir vordefiniert und bei den Arbeitsabschnitten mussten die angrenzenden Schichthöhen exakt wiederaufgenommen werden“, sagt Architektin Sirka Eggers, die sich in der Planungsphase mit der Bitte um technische Unterstützung an das InformationsZentrum Beton gewandt hatte. Auch die Druckfestigkeit musste im Vorfeld nachgewiesen werden, wobei die Probewürfel sogar einen höheren Wert erreichten als gefordert.
Roter Sichtbeton und helle Wände
setzen Akzente im Innenbereich
„Während der Beratungen war ich wirklich beeindruckt, mit welch professionellem Engagement ein so besonderes Projekt angegangen und vorbereitet wurde. Die Gemeinschaft aus sorgfältiger, kluger Planung und engagierter Ausführung durch den Bauunternehmer war ein großer Glücksfall“, sagt Martin Peck, der die Planungen beratend unterstützt hat.
Die Stahlbetonwand im Saal ist als Verlängerung der alten Friedhofmauer in Rot pigmentiertem Sichtbeton (C 25/30) ausgeführt. Ursprünglich sollte die Wand gestockt werden, um eine ähnliche Oberflächenwirkung zu erzielen wie bei den Stampfbetonwänden. „Dem Bauausschuss gefiel die rote, glatte Wand im Gemeindesaal jedoch so gut, dass auf das Stocken verzichtet wurde. Interessant ist hier, wie viel Wirkung die Einfärbung hat“, meint Sirka Eggers.
Bezug zu Ort und Vergangenheit
Im Rahmen des Projekts wurde auch ein denkmalgeschützter Altbau aus dem Jahr 1791 umgebaut, saniert und barrierefrei erschlossen. „Besonders herausgestellt wurde, dass die rötlich getönte Stampfbetonfassade an die Farbe der Erdschichten erinnert, die während der archäologischen Grabungen freigelegt waren. So stellt die Fassade einen weiteren Bezug zum Ort dar“, sagt Sirka Eggers.
Obwohl K9 Architekten bei ihren Projekten auch andere Materialien als Beton einsetzen, ist der Baustoff für die Planer wegen seiner konstruktiven, natürlichen und flexiblen Eigenschaften sehr reizvoll. Die unterschiedlichen Gesteinskörnungen, Farbgebungen und Oberflächenbehandlungen bieten ein umfangreiches Spektrum an Gestaltungsmöglichkeit und Individualität. Entscheidend ist aber stets ein materialgerechter Umgang in Kombination mit einer sorgfältigen Planung und Detaillierung, um eine hohe Nachhaltigkeit mit geringen Folgekosten zu gewährleisten.