Quartier für mehrere Generationen und den Umweltschutz
Derzeit entsteht im süddeutschen Wangen ein Quartier, das gleich in zweifacher Hinsicht beeindruckt – erstens mit seinem Nutzungskonzept und zweitens durch seine Bauweise. Das Nutzungskonzept sieht generationenübergreifendes Wohnen vor; die Bauweise ist konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Um diese zu erreichen, setzte das ausführende Unternehmen, die Georg Reisch GmbH & Co. KG, eine Hybridbauweise, recycelten Beton und Bewehrung von Solidian ein.
Auf dem Areal einer ehemaligen Pflegeschule entsteht das Vinzenz-Quartier mit 122 Wohneinheiten, die sich auf sechs Gebäude verteilen. Das Besondere daran ist, dass es mehrere Generationen miteinander verbinden soll. Dementsprechend sind drei der Häuser auf die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet. Diese Immobilien umfassen 63 Wohnungen in einer Größe zwischen 33 und 69 m². Bauherr ist die Vinzenz von Paul gGmbH. Sie legt großen Wert darauf, dass die Bewohner des Gebäudes so lange wie möglich selbstständig bleiben, und stattet deshalb die Apartments mit technischen Hilfen wie einem Sturzradar oder einer eingebauten Herdsicherung aus. Die drei anderen Häuser sind Singles, Paaren und Familien vorbehalten. Diese können zwischen Apartments mit einem bis zu fünf Zimmern wählen. Da die Wohnungen zum Beispiel hochwertige Holzfußböden besitzen, die über eine Fußbodenheizung erwärmt werden, und mit Holz-Aluminium-Fenstern ausgestattet sind, entsprechen sie einem hohen Wohnkomfort. Bauherr dieser drei Gebäude ist die Georg Reisch GmbH & Co. KG. Um zu ermöglichen, dass sich alle Bewohner regelmäßig begegnen, wird es einen Quartiersplatz geben, der mit Spielgeräten für Kinder und mit seniorengerechten Bewegungsstationen ausgestattet ist.
Bauweise
Die Firma Reisch nutzt ihre drei Häuser, um herauszufinden, welches der beste Weg für nachhaltigen Wohnbau ist. Aus diesem Grund werden alle drei Objekte, deren Grundrisse identisch sind, in Hybridbauweise errichtet. Lediglich die Keller der drei Gebäude sind aus dem gleichen Material: Beton. Doch auch hier legt das Unternehmen großen Wert darauf, ressourcenschonend zu bauen: Es nutzt Recyclingmaterial. Allerdings keines, das es zugekauft hat, sondern eines, das es selbst aus den Resten des Gebäudes gewinnt, das ursprünglich auf dem Baugrund stand.
Betonrecycling
Dementsprechend werden insgesamt ca.15.000 Tonnen Betonbruch verarbeitet, was rund 650 Kippsattelzügen entspricht. Dies birgt mehrere Vorzüge: Zum Beispiel muss das Gestein nicht in der Natur abgebaut werden und die Transportwege sind auf ein Minimum herabgesetzt. Mithilfe eines aufwendigen Verfahrens wird aus dem alten Beton neues Baumaterial, die sogenannte RC-Körnung. Deren kleinere Korngruppen (bis vier Millimeter) werden z. B. als Schüttmaterial für die Holzdecken der Quartierswohnungen verwendet (Raumakustik). Die Korngruppen von 4 bis 22 mm dienen zur Herstellung des Betons. Und auch hier handelt die Firma Reisch im Sinne der Umwelt: Sie verwendet klinkerreduzierte Zementsorten und verringert so den CO2-Ausstoß.
Nichtmetallische Bewehrung
Wie ernst das Unternehmen die Themen Nachhaltigkeit und CO2-Einsparung nimmt, zeigt sich aber auch an anderer Stelle: alle Balkonplatten des Quartiers werden mit einer Solidian-Carbonbewehrung hergestellt. Dies bringt gleich mehrere Vorteile mit sich. Der wichtigste: Das Material korrodiert im Gegensatz zu Stahl nicht. Aus diesem Grund kann die Betonüberdeckung, die bei der herkömmlichen Bauweise den Stahl schützen soll, deutlich geringer ausgeführt werden. Das heißt: Es wird entschieden weniger Beton und Zement benötigt, was sich ebenfalls günstig auf die CO2-Bilanz auswirkt. Beim Vinzenz Areal setzte das Bauunternehmen für die obere und untere Bewehrungslage der Balkonplatten Solidian Grid ein.
Hierbei handelt es sich um eine Matte aus Carbonfasern, die mit Epoxidharz getränkt wird. Sie bringt neben den oben genannten positiven ökologischen Eigenschaften auch technische mit: Zum Beispiel hat sie eine bis zu siebenmal höhere charakteristische Zugfestigkeit als eine klassische Bewehrungsmatte aus Stahl (bis zu 3.300 N/mm²). Der Hersteller bietet Solidian Grid in der Standardabmessung 6,0 x 2,30 m an, kann die Matte aber auch in einer Größe von bis zu 8,0 x 3,0 m oder auch als Rollenware bis ca. 300 x 3,0 m liefern. Darüber hinaus ist die Carbonbewehrung äußerst leicht, was ihre Handhabung auf der Baustelle bzw. im Fertigteilwerk angenehm vereinfacht.
So wenig Beton wie möglich
Dies kam auch der Georg Reisch GmbH & Co. KG zugute. Sie fertigte die Balkonplatten in ihrem Werk in Bad Saulgau und montierte diese dort auf die tragende Unterkonstruktion. Die derart vorgefertigten Module erleichterten und beschleunigten die Montage der Balkone. Deren Platten sind zwischen 1,90 m und 3,54 m breit. Dabei haben sie eine Tiefe von 1,26 m bis 2,17 m. Ihre Betonüberdeckung liegt, dank der nicht metallischen Bewehrung von Solidian, bei gerade einmal 15 mm. In der herkömmlichen Stahlbetonbauweise wären die Platten mindestens 18 cm dick gewesen.
Diese Reduktion der Betonmenge wirkt sich nicht nur günstig auf die Umwelt aus, sondern auch auf das Erscheinungsbild der Bauteile. Sie wirken äußerst filigran und ästhetisch. Darüber hinaus sind sie unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen, wie zum Beispiel Frost-Tausalz, und dementsprechend wartungsarm, was dem Betreiber der Wohngebäude langfristig Kosten spart. Durch die korrosionsfreie Carbonbewehrung konnten die Balkonplatten ohne jegliche Abdichtung realisiert werden.
Text: Dipl.-Ing. Claudia El-Ahwany