Carbonbewehrung Solidian Grid erhält allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vom DIBt
Ein wichtiger Schritt in Richtung Bauen mit nichtmetallischer Bewehrung ist getan: Der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) hat eine Richtlinie erarbeitet, die den Einsatz nichtmetallischer Bewehrung in Betonbauteilen regelt. Die bisher erforderliche Zustimmung im Einzelfall gehört damit der Vergangenheit an – vorausgesetzt: Es gibt Hersteller, die Bewehrungen mit einer entsprechenden Produktzulassung anbieten. Solidian Grid ist laut Anbieterangabe das erste Bewehrungsgitter, welches diese Anforderungen erfüllt.
Die Baubranche ist im Umbruch. Standen früher vor allem der Preis und die leichte Verarbeitbarkeit von Materialien im Fokus, kommen heute die Herausforderungen des Klimawandels und der knapper werdenden Ressourcen hinzu. Dabei rückt auch der Einfluss von Beton auf die Umwelt in den Fokus. Immerhin ist Beton der weltweit am meisten verwendete Baustoff, wobei die Zementproduktion für einen großen Teil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Daher sind Lösungen gefragt, die sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Umweltverträglichkeit von Beton verbessern.
Vorteile nichtmetallischer Bewehrungen
Nichtmetallische Bewehrungen wie Glas-, Carbon- und Basaltfaserbewehrungen bieten hier einen vielversprechenden Ansatz. Sie weisen gegenüber der konventionellen Stahlbewehrung eine Reihe von Vorteilen auf. Der wichtigste ist: Sie korrodieren nicht. In der Praxis bedeutet dies, dass die sonst übliche Betondeckung, die u. a. dem Schutz des Stahls dient, deutlich kleiner ausfallen kann. Dadurch wird weniger Beton benötigt, was dünnere und leichtere Bauteile ermöglicht. Dies hat positive Auswirkungen auf Transport, Materialbedarf, Flächenverbrauch und vieles mehr. Zudem verlängert die Korrosions- und Medienbeständigkeit die Lebensdauer der Bauteile, was den Ressourcenverbrauch durch Instandsetzungsmaßnahmen weiter reduziert.
Bisherige Hürden
Doch wer in Deutschland mit dem neuartigen Material bauen wollte, musste bislang eine „Zustimmung im Einzelfall“ erlangen. Dies bedeutete meist, dass Versuche an repräsentativen Bauteilen durchgeführt und die statischen und bauphysikalischen Eigenschaften analysiert werden mussten. Außerdem war das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen erforderlich. Dies verzögerte den Baubeginn, verursachte höhere Kosten und bedeutete für die Planer und Investoren immer eine gewisse Unsicherheit. Und – der Mehraufwand erschwerte, dass sich diese neue Bauweise auf dem Markt etablierte.
Neue Richtlinie vereinfacht Zulassung und Anwendung
Doch 2024 veröffentlichte der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) die Richtlinie „Betonbauteile mit nichtmetallischer Bewehrung“, was vieles vereinfacht. Sie definiert unterschiedliche Varianten nichtmetallischer Bewehrung und deren Einsatzmöglichkeiten. Die Richtlinie enthält Bemessungsverfahren für die statische Auslegung der Tragwerke, sowie Konstruktionsdetails. Damit liegt für diese innovative Bauweise erstmals eine anerkannte Regel der Technik vor und das bisher aufwendige Genehmigungsverfahren entfällt – wenn Produkte mit entsprechender Zulassung auf den Markt gebracht werden.
Solidian ist ein Vorreiter in diesem Bereich und hat in einem mehrjährigen, aufwändigen Zulassungsverfahren beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für sein Solidian Grid eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) sowie eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) erwirkt. Hierbei arbeitete der Hersteller eng mit dem IMB – Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen zusammen, welches die Gutachten erstellt und das komplette Zulassungsverfahren begleitet hat.
Ein Vorreiter: Solidian Grid
Das Bewehrungsgitter Solidian Grid besteht aus epoxidharzgetränktem Carbon und zeichnet sich durch seine enorme Zugfestigkeit sowie ein geringes Gewicht aus. Es kann sowohl im Fertigteilwerk als auch auf Ortbetonbaustellen eingesetzt werden. Dabei eignet es sich als statisch tragende, wie auch als konstruktive Bewehrung für z. B. biegebeanspruchte Bauteile mit vorwiegend ruhender Belastung. Exemplarische Beispiele sind Fassaden, Sandwichelemente, Balkone, Garagenbodenplatten, Fuß- und Radwegbrücken, Behälter und vieles mehr. Für den Einsatz von Solidian Grid ist kein spezieller Beton erforderlich. Es können alle Normalbetone nach DIN EN 206-1 verwendet werden. Die ausschließlich konstruktive Verwendung von Solidian Grid erlaubt auch die Kombination mit z. B. Stahlbewehrung sowie Anwendungen nach der Betonwerksteinnorm DIN 18500 bzw. DIN 18516. Da es dem Unternehmen gelungen ist, für Solidian Grid eine Familienzulassung zu erlangen, sind nicht nur die bisher vom Hersteller entwickelten und angebotenen Bewehrungsgitter abgedeckt, sondern auch neue Geometrien, die Solidian erst zu einem späteren Zeitpunkt auf den Markt bringen wird. Einzige Bedingung ist, dass die Gitter eine Rasterweite von 21 mm bis 76 mm haben und für ihre Herstellung die gleichen Werkstoffe verwendet werden wie bei den bereits zugelassenen Varianten. Die in der Zulassung festgelegten Mindest-Zugeigenschaften müssen lediglich im Rahmen der Erstmusterprüfung nachgewiesen werden.
Darüber hinaus können zukünftig auch sogenannte R-Gitter (unterschiedliche Tragfähigkeiten und Querschnitte in Längs- und Querrichtung) als zugelassene Gitter verwendet werden, nachdem diese die Erstmusterprüfung durchlaufen haben. Solidian Grid kann als ebene Bewehrungsmatte, oder als Rollenware mit bis zu mehreren hundert Laufmetern Länge ausgeliefert werden. Die maximale Bewehrungsbreite liegt bei 3,0 m. So lassen sich z. B. bei großen Betonbauteilen oder Flächen aufwändige Stöße und Übergreifungsflächen reduzieren bzw. ganz vermeiden. Damit bietet die Zulassung der Gitterbewehrung eine hervorragende Voraussetzung für den breiten und wirtschaftlichen Einsatz von Carbonbetonbauteilen. Ergänzend befindet sich eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Stabbewehrung Solidian Rebar aktuell in Bearbeitung.
Text: Dipl.-Ing. Claudia El-Ahwany
Aufbau der Richtlinie „Betonbauteile mit nichtmetallischer Bewehrung“
Teil 1: behandelt die Bemessung und Konstruktion von nichtmetallischen Bewehrungen und orientiert sich inhaltlich an DIN EN 1992-1-1. Sofern nicht anders geregelt, gelten die entsprechenden Abschnitte der DIN EN 1992-1-1 und des zugehörigen Nationalen Anhangs.
Teil 2: enthält Anforderungen und Angaben zu den Bewehrungsprodukten.
Teil 3: gibt Hinweise zur Bauausführung und ist inhaltlich entsprechend DIN EN 13670 aufgebaut. Sofern nicht anders geregelt, gelten die entsprechenden Abschnitte der DIN EN 13670 und der DIN 1045-3.
Teil 4: enthält Empfehlungen für Prüfverfahren zur Ermittlung der benötigten Angaben und Kennwerte der Bewehrungsprodukte.
Teil 5: bietet Hinweise zu den erforderlichen Nachweisen für die Verwendbarkeit der Bauprodukte, d. h. der nichtmetallischen Bewehrung, und die Anwendbarkeit der Bauart (kurz: Ver- und Anwendbarkeitsnachweise).
Bei der Verwendung der Solidian Grid als Bewehrung für statisch relevante Bauteile sind folgende Randbedingungen einzuhalten
(gültig für alle Expositionsklassen sowie Innen- wie auch Außenbauteile):
– Bewehrungsgitter zur Bewehrung von Betonbauteilen mit vorwie- gend ruhender Belastung;
– Betonrezepturen nach DIN EN 206-1 und DIN EN 13670 mit Beton- festigkeitsklassen von C30/37 bis C70/85 mit Begrenzung des Größtkorns auf maximal 16 mm;
– Minimale Bauteildicke: 30 mm (mittige Anordnung der Bewehrung)
– Bei größeren Bauteildicken wird eine Betonüberdeckung von min-
destens 14 mm benötigt;
– Beachtung der sonstigen Randbedingen entsprechend der DAfStb- Richtlinie – „Betonbauteile mit nichtmetallischer Bewehrung“;
– Es dürfen aktuell nur Bauteile bewehrt werden, für die keine rech-
nerische Querkraftbewehrung erforderlich ist.