Sehr geehrte europäische Kolleginnen und Kollegen,

Der europäische Grüne Deal – Bedrohung oder Chance?

im Namen des BIBM, des Dachverbandes der europäischen Betonfertigteilindustrie, heiße ich Sie alle bei den 64. BetonTagen herzlich willkommen. Eines ist klar: Europa hat sich dafür entschieden, bei der Bekämpfung des Klimawandels auf globaler Ebene voranzugehen, und eine gesamtgesellschaftliche „ökologische Wende“ als den strategischen Ansatz für die kommenden 30 Jahre ausgerufen. Und dies wird zweifellos enorme Auswirkungen nicht nur auf die Bau- und Betonfertigteilindustrie, sondern auch auf das Leben der europäischen Bürgerinnen und Bürger haben.

In ihrer Mitteilung zum „europäischen Grünen Deal“ hat die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, die künftige Entwicklung nicht nur für ihre fünfjährige Amtszeit, sondern auch für den Zeithorizont bis zum Jahr 2050 vorgezeichnet. „Es handelt sich um eine neue Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist“, so der Wortlaut.

Auf den ersten Blick könnte die Aussage „keine Netto-Treibhausgasemissionen“ als große Bedrohung für die Beton(fertigteil)industrie aufgefasst werden, denn die Zementproduktion verursacht auf globaler Ebene 6 % der anthropogenen Emissionen. Gleichzeitig greift die Branche auf einen relativ hohen (Masse)anteil an lokal gewonnenen Rohstoffen, also Gesteinskörnung und Sand, zurück. Die Bedrohung würde daher dann real, wenn wir in unserer Branche und in der damit verbundenen Wertschöpfungskette (mit Zement an der Spitze) einfach so weitermachten wie bisher. Wenn wir uns als Beteiligte an der Wertschöpfungskette der Betonfertigteilindustrie aber auf eine Zusammenarbeit im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Möglichen verständigen, könnten wir damit auch das „betongraue“ Image der Branche abstreifen und alle mit dem Betonbau verbundenen Vorzüge verdeutlichen.

Denn der Grüne Deal bezweckt keinen Ausstieg aus der Herstellung und Nutzung von Beton. „Energieintensive Industriezweige wie die Stahl-, die Chemikalien - und die Zementindustrie sind für die europäische Wirtschaft unverzichtbar“, heißt es schwarz auf weiß in der Mitteilung. Um die für das Jahr 2050 gesetzten strategischen Ziele zu erreichen, ergeben sich aus meiner Sicht vier Arbeitsfelder entlang der Wertschöpfungskette für Beton:

Im Rohstoffbereich sind die aus dem Energieverbrauch entstehenden CO2-Emissionen auf null zu senken. Die mit dem Prozess der Zementherstellung verbundenen CO2-Emissionen sind so weit wie möglich zu reduzieren.

Bei der Planungs- und Entwurfstätigkeit lässt sich durch den Einsatz von Hochleistungsbetonen sowie die zunehmende Nutzung von digitalen Tools und innovativen Konzepten die Verwendung von Beton in Bauwerken noch wesentlich weiter als heute optimieren.

Produktionsprozesse am Prinzip der Kreislaufwirtschaft ausrichten, und zwar in nachstehender Rangfolge: lange Nutzungsdauer und dauerhafte Produkte; Möglichkeit der einfachen Instandhaltung und Reparatur; einfache Demontage für Wiederverwendung und Recycling.

Die Vorteile des Einsatzes von Beton sind in der Gesellschaft sowie in der Branche und unter den politischen Entscheidungsträgern zu vermitteln: inhärente Energieeffizienz aufgrund der vorhandenen Speichermasse; CO2-Absorption durch Rekarbonatisierung; mögliche Anpassung an den Klimawandel, Wertschöpfung für die lokale Wirtschaft.

 

Wir haben die einzigartige Chance, unsere Tätigkeit nicht mehr nur reaktiv, sondern proaktiv auszurichten. So können wir die Zukunft der Betonfertigteilindustrie und der zugehörigen Wertschöpfungskette sichern. Aus meiner Sicht schaffen Kongresse wie die BetonTage oder der vom 6.-8. Mai 2020 in Kopenhagen stattfindende BIBM-Kongress (www.bibmcongress.eu) die Möglichkeit, Zukunftsalternativen auszuloten und andere Wege zu erkennen, die neuartige Lösungen für bekannte Probleme bieten.

 

Lassen Sie sich von den 64. BetonTagen inspirieren – und wir sehen uns in Kopenhagen!

 

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