Betonfertigteil-Bausystem für Wohnhäuser in Chile entwickelt
Bereits in den frühen 1970er Jahren gab es Bestrebungen, das Bauwesen in Chile stärker zu industrialisieren. Damals wurde eine Zusammenarbeit zwischen der ehemaligen Sowjetunion und der chilenischen Regierung für den Bau von mehr als 150 freistehenden Häusern und 3.500 Wohnungen in der sogenannten V-Region, also im Großraum Valparaíso in Mittelchile vereinbart. Seit dieser Initiative wurde bis heute eine ganze Reihe von Versuchen unternommen, durch zunehmende Vorfertigung die Produktivität zu steigern, manuelle Arbeitsabläufe zu reduzieren und die Gebäudequalität zu verbessern.
Da es dennoch zumeist schwierig war, alle wichtigen Faktoren im Bauprozess, wie Geschwindigkeit, Qualität und Flexibilität, gleichermaßen auf einen hohen Standard zu bringen, sorgte erst vor Kurzem ein vom chilenischen Bauträger BauMax gemeinsam mit dem süddeutschen Anlagenbauer Vollert entwickeltes Bausystem für den Durchbruch.
Mehrere große Herausforderungen
Alle vergleichbaren bisherigen Versuche, die Industrialisierung in den letzten 30 Jahren dahingehend voranzubringen, hatten aus verschiedensten Gründen nicht zum Ziel geführt. Eines der Hemmnisse waren die Investitionskosten für derartige Automatisierungsprojekte, die von einheimischen Unternehmen kaum aufzubringen waren, weshalb überwiegend mit herkömmlichen Bausystemen weitergearbeitet wurde. In letzter Zeit hat sich zwar die chilenische Bauindustrie rasant weiterentwickelt, was es jedoch andererseits immer schwieriger machte, qualifizierte Arbeitskräfte für die neuen Herausforderungen zu finden.
Nicht zuletzt dank des globalen Trends zur Vollautomatisierung der Betonfertigteilproduktion scheint jetzt die Zeit gekommen, entsprechende Systeme auch am chilenischen Markt zu etablieren. Maßgeschneiderte Lösungen und eine Teilung in mehrere Investitionsabschnitte ermöglichen es, die Kosten zu reduzieren und optimal einzusetzen. Dabei sind weitere Herausforderungen zu meistern, wie das Sicherstellen der Rentabilität dieser hohen Produktionsstandards. Darüber hinaus sind die Technologien an chilenische Besonderheiten anzupassen, sei es an die technischen und rechtlichen Bestimmungen oder auch an die hohen seismischen Aktivitäten in weiten Teilen des Landes.
Erfolgreiche chilenisch-deutsche Kooperation
Zur Umsetzung der Technologie wurden Kooperationsvereinbarungen zwischen dem führenden Wohnungsbauträger Manquehue, der Bau-Generalunternehmung BauMax, dem Marktführer im chilenischen Erdbebeningenieurwesen Sirve SA und dem deutschen Anlagenbauer Vollert geschlossen.
„Diese strategische Allianz ermöglichte es, gemeinsame Lösungen zur Entwicklung und Optimierung des neuen Bausystems zu entwickeln“, freut sich Sebastián Lüders, Technischer Direktor bei BauMax. „Angefangen von der Untersuchung verschiedener Prozesse über die Herstellung erster Prototypen in Deutschland bis hin zur späteren Montage in Chile, wurde unter Einbeziehung von Architekten, Designern, Planern und Spezialisten Vieles bewegt. Letztlich können vorgefertigte, seismisch beständige Betonfertigteilwände und -decken in hoher Geschwindigkeit, Qualität und Flexibilität automatisiert hergestellt werden.“
Serienherstellung beginnt in Kürze
Nach erfolgreicher Fertigstellung der ersten Musterhaussiedlung im Großraum Santiago nimmt das Projekt derzeit immer konkreter Gestalt an: Der Erdaushub für die Produktionshalle hat bereits begonnen, die Montage der Umlaufanlage ist ab April 2016 geplant, nach der dann auch die Serienherstellung der Häuser möglich ist.
„Die Anlage ist 140 x 40 m groß, ist für die Produktion von Elementdecken, Massivwänden, Sandwichwänden sowie Doppelwänden ausgelegt und kann bis zu 40 Paletten lagern“, berichtet Philippe Marrié, Projektleiter Vertrieb bei Vollert, stolz. „In der ersten Ausbaustufe sollen jährlich 350.000 m² Betonfertigteile hergestellt werden, später sind sogar 500.000 m² im Zweischichtbetrieb machbar. Aus dem ursprünglich geplanten LowCost-Prinzip entwickelte sich ein patentiertes ‚mediterranes Konzept‘ mit gehobenem Standard.“